(Meinung). Zugegeben: Der Bürgerentscheid ist vorbei. Es wäre jetzt dringend an der Zeit, sich die Hand zu reichen, Befürworter wie Gegner. Doch sind beide noch nicht soweit.
Einerseits stichelt ein Rechtsanwalt aus Villingendorf, andererseits kann auch der Oberbürgermeister noch nicht so recht abschließen mit dem, was war. Zudem stiftet ein grüner Stadtrat von Forum für Rottweil Unfrieden. Ebenso wie die lokale Gratiszeitung NRWZ, die es mit weit größerer Verbreitung tut, was deshalb verwerflicher ist. Sie muss sich sogar die Leviten lesen lassen: von einem Zepfenhaner JVA-Protestler. Am Schluss stellt sich heraus: Alle haben den einen oder anderen Klumpen Dreck am Stecken (am allerwenigsten übrigens die Stadtverwaltung mit ihrem OB). Und alle täten gut daran, jetzt einander ein Friedensangebot zu unterbreiten. Aber es fällt halt schwer. Doch:
Die NRWZ fängt damit an. Schwamm drüber, Zepfenhan. Und Neukirch. Lassen Sie uns nur noch kurz drüber reden.
“Ich kann mir das Abstimmungsverhalten in Neukirch und Zepfenhan selber nicht erklären.” sagte Jochen Baumann am Mittwoch, drei Tage nach dem Bürgerentscheid – Baumann, der zuvor erklärt hatte, auch als Zepfenhaner gegen den Standort Esch zu sein, unter der Gefahr, dass dann wieder das Bitzwäldle dran kommt.
Zur Kenntnis: In beiden Teilorten haben sie sich 80 zu 20 für das Esch als Gefängnisstandort entschieden. Das heißt nichts anderes als: Soll der Knast auf den Acker bei Villingendorf, dann kommt er schon nicht in den Wald bei uns. In Neukirch geschah das bei einer einigermaßen geringen Wahlbeteiligung von 37,2 Prozent, was das Ergebnis schmälert. In Zepfenhan sind 45 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung gegangen. Und haben sich, sagen wir, unsolidarisch und eher eigennützig verhalten.
Kann man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Nein. Es ist ihr gutes Recht, so abzustimmen. Darf man sie mit dem Namen St. Florians necken? Ja, das sicherlich. Frotzeln gehört zum Geschäft. Manch ein Zepfenhaner vermutet übrigens, dass bei einer Abstimmung zwischen Esch und Bitzwäldle die Innenstädter für letzteres gestimmt hätten. Weil es auch weiter weg liegt. Auch nach dem St.-Florians-Prinzip. Wir werden es nie erfahren.
Aber nun sollte es sein Bewenden haben. Wir als NRWZ haben nach Protesten seinerzeit nie mehr das Reizwort B….dörfer verwendet. Wir werden unsere Leser da oben auch nicht mehr mit dem heiligen St. Florian aufziehen (nur noch dieses eine Mal).
So will es auch Jochen Baumann. “Es ist nicht fair, vom Gesamtergebnis abzulenken und auf die Bürger aus Neukirch und Zepfenhan einzudreschen”, sagte er. Er rechnete vor: Auch, wenn alle Wähler aus den beiden Ortschaften gegen das Esch gestimmt hätten, hätte das am Ausgang des Entscheids, bei dem das Esch bekanntlich angenommen worden ist, nichts geändert. Sie sind einfach zu wenig Leute dort.
Da möchte man als Journalist rufen: Natürlich ist es fair. So operieren doch beide Seiten mit Zahlen und gibt es auch eine Verantwortlichkeit für das eigene Tun. Auch für das eigene Tun als Wähler aus einer kleinen Ortschaft. Aber: Sei’s drum. Geschenkt. Lassen Sie uns Frieden schließen.
Frieden wollen auch alle anderen schließen, versichern sie jedenfalls. Werten wir das mal als ein Friedensangebot: “Die Tatsache, dass die Mehrheit der Wähler am vergangenen Sonntag für den Standort Esch gestimmt hat, muss die Bürgerinitiative … zur Kenntnis nehmen.” Sagt der Sprecher der Bürgerinitiative Neckarburg ohne Gefängnis, Henning Theobald, in der NRWZ. Auch Oberbürgermeister Ralf Broß ist eigentlich dieser Meinung: Nach dem Bürgerentscheid stehe jetzt “ein spannender Prozess an, den die Bürgerinitiative begleiten will”, sagte er am Mittwoch. Und: “Da sollten wir jetzt die Hand reichen.”
Beide Herren tun das nicht, ohne nochmal kurz nacheinander zu treten. Theobald mit einem Rot-verdächtigen Foul: Die Stadt habe 87.000 Euro in die Hand genommen, um ihr Ziel zu erreichen, das Gefängnis auf dem Esch. Das erklärte er am Dienstag, zwei Nächte nach dem Bürgerentscheid. Broß hätte das unerwähnt gelassen. Er hat zunächst nur von “unlauteren Mitteln” gesprochen, die die Bürgerinitiative angewandt habe. Doch dann hat Stadtrat Dieter E. Albrecht insistiert. Auf dessen Bitte hin nahm sich Broß des Themas an – und begründete Theobalds Aussagen damit, dass diesem eventuell das Verständnis für die Sache fehle. Dass dieser das deshalb “verquer und falsch” darstelle.
Broß konnte die knapp 90.000 Euro erklären: Mit Kosten für den Bürgerinformationsabend samt Moderator, für den Runden Tisch, an dem auch die Esch-Gegner saßen, für die Informationsbroschüre und die Informations-Website, an denen sie mitwirken konnten. Geld, das auch in den teuren Bürgerentscheid geflossen sei, der vorneweg 20.000 Euro verschlingt für Organisation, Anzeigen, Wahlzettel und Helfer. Geld auch, das die Landesregierung in weiten Teile erstatten will, weil sie Rottweils Einsatz für die Demokratie zu Recht als Vorbildlich erachtet. Ohnehin, auch das sind unsinnige Vorwürfe, ist kein privates Geld in Plakate etwa der Stadt geflossen. Und hat die Stadt nicht die Aktion der Stadträte finanziert, bei der diese ihr Gesicht für die Justizvollzugsanstalt in Rottweil zeigten.
Bleibt noch der grüne Nachtreter. Er heißt Reiner Hils. Er verwies auf das “entlarvende Ergebnis” beim Bürgerentscheid “aus den Bergdörfern”, wie er Zepfenhan und Neukirch nannte. Unabhängig von den Wählern dort aber hat er einen anderen Bösewicht im schlimmen Ränkespiel um das Landesgefängnis ausgemacht, und überraschte und verwirrte damit: den allseits geschätzten “Projektberater” Alfons Bürk. Auf den müsse man aufpassen, mahnte Hils in der Gemeinderatsausschusssitzung, damit dieser keine Vetterleswirtschaft betreibe, er kenne ihn ja schon lange. Da fragte man sich , ob die fleißigen Helferinnen der Stadtverwaltung vor Sitzungsbeginn Herrn Hils etwas anderes hingestellt hatten als Saft, Kaffee und Sprudel. Nachvollziehbar ist diese an sich auch diskreditierende Äußerung jedenfalls nicht. Aber sie kann schon mal passieren – in der allgemeinen Enttäuschung nach dem Bürgerentscheid, auch drei Nächte danach.
Alle anderen: von formidabler Betriebstemperatur. So lobte Günter Posselt (CDU) ausdrücklich das Engagement der Stadtverwaltung, die ja schon Lob vom Verein “Mehr Demokratie” und von der Landeregierung eingestrichen hatte. Eine “ausgezeichnete Bürgerbeteiligung” habe die Stadt auf die Beine gestellt, sagte etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Ein Satz, der sicher ins Wahlprogramm von Herrn Broß für die zweite Amtszeit aufgenommen gehört. Falls Broß dann ein Wahlprogramm braucht. Aus heutiger Sicht traut sich sicher kein ernsthafter Kandidat, gegen den Turm- und Gefängnis-OB anzutreten.
Es sei “wichtig, dass sich eine Bürgerinitiative gegründet hat, die dann den Bürgerentscheid anstrengte”, erklärte auch Hermann Breucha (Freie Wähler). Zwar sei es beruhigend, dass die Mehrheit hinter dem Gefängnisbau stehe, aber die 40 Prozent der Gegner müsse man im kommenden Prozess ebenfalls mitnehmen.
Wieder so eine ausgestreckte Hand. Die reichte wörtlich auch Posselt. Breucha verstieg sich zudem gar zu der These, dass der erste Bürgerentscheid der Stadt nur eine “erste Übung” gewesen sei, dass weitere Bürgerbeteiligung folgen könne.
Ob das so wahrscheinlich ist? Und ob es wahrscheinlich ist, dass die unterlegenen Vertreter der Bürgerinitiative nun mit der Stadtverwaltung zusammenarbeiten, wo sie das im Vorfeld zwar an sich konnten, dennoch aber immer wieder eigene Wege beschritten – etwa mit dem Druck eigener Konkurrenz-Broschüren, in denen sie denselben Inhalt verbreiteten, wie in der städtischen (es bloß nicht wahrhaben wollten)? Ob die Teilorte Richtung Zollernalbkreis, deren Bürger nun keine Freigänger an jeder Straßenecke befürchten müssen, zur Ruhe kommen werden? Ob der Arnegger von der NRWZ sich einkriegt, weil Jochen Baumann ihm die Leviten gelesen hat? Oder ob einzelne Zepfenhaner wieder die NRWZ aus den Briefkästen ihrer Nachbarn holen und ihre Mitmenschen mit Flugblättern dazu aufrufen, das Blatt zu boykottieren, wie anfangs der Bitzwäldle-Diskussion geschehen?
Unklar. Klar ist: Jeder muss sich hier die Leviten lesen lassen, der eine mehr, der andere weniger. Womit es sein Bewenden haben sollte. Demnächst.