Wenn die Amerikaner von einem „Selfmademan“ sprechen, dann schwingt da immer ein hohes Maß an Respekt mit: Aus eigener Leistung etwas geschaffen zu haben, darauf kann man stolz sein. Joachim Glatthaar aus Waldmössingen ist ein solcher Selfmademan. Aus dem Seedorfer Maurerlehrling wurde der Chef von Deutschlands Marktführer im Fertigkellerbau. Aber Glatthaar ist noch viel mehr: genialer Tüftler, vorausschauender Unternehmer und ambitionierter Bergsteiger. Jetzt hat er seine Lebensgeschichte geschrieben und den Medien vorgestellt.
„Mein Geschäftsführer Reiner Heinzelmann hat mich vor fünf Jahren angeregt, ich solle doch mal aufschreiben, wie das entstanden ist. Vom Ein-Mann-Betrieb vor 40 Jahren zum Marktführer mit 500 Beschäftigten.“ Mit Unterstützungen von drei Autorinnen und später auch von Thomas Weilacher habe er Zeitzeugen von damals interviewt und alte Unterlagen gewälzt. „Da ist wieder einiges herausgekommen, was im Hinterstübchen verschwunden war“, meint Glatthaar schmunzelnd.
Neben Anekdoten von damals enthalte sein Buch aber auch Tipps für junge Leute, die sich selbständig machen wollen: „Jede Zeit ist reif für Unternehmertum.“
Leidenschaften: Bergsteigen und anpacken
Die zweite starke Prägung für Glatthaars Leben kommt vom Bergsteigen. Diese zwei Stränge, so Weilacher habe man im Buch verfolgt: Joachim Glatthaar, der an die Grenzen geht, in Namibia auf Expeditionen oder in den Bergen. Und Glatthaar, der erfolgreiche Unternehmer, der nach dem Ausstieg aus dem operativen Geschäft eine kreative Idee nach der anderen entwickelt.
Glatthaar kommt 1953 zur Welt, wächst in Seedorf auf, macht seinen Hauptschulabschluss und lernt bei Moosmann im Ort. Sein damaliger Lehrer habe die Eltern bekniet, den Joachim auf eine weiterführende Schule zu schicken. Aber das wäre nichts für ihn gewesen. „Ich kann nicht auf der Schulbank sitzen.“ Sein Motto: „Learning by doing.“ Im Laufe seines Berufslebens erwirbt er drei Meisterbriefe als Maurer, als Straßenbauer und Stahlbetonbauer. Eines allerdings bedauert Glatthaar dann doch, nämlich keine Fremdsprachen in der Schule gelernt zu haben.
Große Ziele
Nach der Lehre wechselt Glatthaar zu einem großen Baukonzern in Wangen im Allgäu und arbeitet sich rasch zum Vorarbeiter hinaus. Im Allgäu beginnt auch seine liebe zum Klettern und Bergsteigen. „Am Wochenende ging‘s in die Berge.“ Mit 18 fasst er einen großen Entschluss: „Ich will in meinem Leben alle 4000er der Erde besteigen.“ Das sind immerhin 63 – und tatsächlich, er schafft es. Vor drei Jahren war die 63 voll.
Manche der 4000er Berge hat er auch mehrmals bestiegen, etwa den Montblanc. Der höchste Gipfel war 1998 der Aconaqua in Argentinien mit 6.962 Metern. Eine echte Schinderei mit vielen Wochen Vorbereitung. „Ab 5000 Meter macht‘s keinen Spaß mehr“, bekennt Glatthaar.
Als Bergsteiger wie als Unternehmer komme es drauf an, auf sein Ziel fokussiert zu sein. Alles berge Gefahren, deshalb müsse man Sicherungen einbauen. Ohne Sicherung mit Karabiner und Haken wäre Glatthaar einmal 400 Meter abgestürzt. Wichtig sei auch, dass man eine Tour abbreche, wenn man merke es ist nicht zu schaffen. „Oder man muss eben seitlich eine andere Route gehen.“ Auch als Unternehmer gebe es Rückschläge. Die seien wichtig, um geerdet zu bleiben: „Ohne Rückschläge fängt man an zu spinnen.“

Unternehmer im Unternehmen
Im Umgang mit seinen Mitarbeitern sei es wichtig, ein „Wir-Gefühl“ zu vermitteln. „Du musst die Leute zu Unternehmern im Unternehmen machen.“ Wichtig sei auch, die Mitarbeiter an Entscheidungen zu beteiligen und selbst vorzuleben, was man fordere. Glatthaar beteilige die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg und rekrutiere die Führungsleute aus den eigenen Reihen.
Manchmal müsse man aber auch etwas wagen, so Glatthaar. Um einen Großauftrag erfüllen zu können, habe er auf seinem Werksgelände eine Brücke verbreitern müssen. Das war nicht in den Plänen so vorgesehen, der Bau also illegal. Er habe es dennoch gemacht und die Strafe danach klaglos gezahlt: Die Alternative wäre Kurzarbeit für seine Leute gewesen. Sei Fazit: „Du musst kreativ sein, gute Ideen und einen Arsch in der Hose haben.“
„Traut euch was“
Vor etwa zehn Jahren war Glatthaar aus dem operativen Geschäft ausgestiegen – und hat gleich ein neues Unternehmen gestartet: Starwalls – Fertigbetonwände mit einem Schmuckvorsatz. Aber dabei ist es nicht geblieben. Eine ganze Reihe weiterer kreativer Ideen hat Glatthaar aufgegleist. „Solche Ideen kann man sich nur losgelöst vom Tagesgeschäft machen. Inzwischen hat Joachim Glatthaar mehr als 30 Patente gesammelt. Bei seinen Neugründungen war ihm wichtig, dass er nicht die guten Leute aus der Hauptfirma abgezogen hat.
Ulrike Schmider, die zusammen mit Rolf Bouchama das Buch gestaltet hat, berichtet von der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Glatthaar habe ihnen „tiefe Einblicke in die Firmengeschichte und private Aktionen“ gewährt. Entstanden sei so „eine unterhaltsame und zum Nachdenken anregende Lektüre“, ergänzt Weilacher.
Nun ist Glatthaar auch Buchautor und ein bisschen stolz auf sein Buch. Sein Rat an andere, mögliche Selfmademen und Seldmadewomen: „Traut euch was!“
Info: Das Buch hat den Titel „Joachim Glatthaar der Gipfelstürmer – Mit Ideen und Mut zum Marktführer bei Fertigkellern“. Es ist erschienen im Verrai Verlag ISBN 13: 978-3-948342-21-8 und kostet 24,90 Euro. Es ist erhältlich an mehreren Verkaufsstellen in Dunningen, Seedorf und Waldmössingen sowie über den Buchhandel.