Die stetig steigenden Infektionszahlen und auch steigende Zahl von Patienten, die intensivmedizinische Betreuung benötigen, machen weitere Einschränkungen erforderlich, damit sich das Virus nicht weiter unkontrolliert und explosionsartig verbreitet. So heißt es in einer Veröffentlichung der Landesregierung Baden-Württemberg am Mittwoch. Bund und Länder haben sich daher heute auf weitere harte Einschnitte, aber auch Hilfen für die betroffenen Gewerbe geeinigt.
Die Corona-Lage habe sich in den vergangenen Tagen und Wochen weiter dramatisch zugespitzt, so die Landesregierung. Obwohl wie in Baden-Württemberg seit Mitte Oktober wieder strengere Regeln gelten, steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter an. Inzwischen liegt ganz Baden-Württemberg bei einer 7-Tage-Inzidenz von knapp 96 – Tendenz steigend. Vor einem Monat lag die landesweite 7-Tage-Inzidenz noch unter 15. Inzwischen haben 15 Stadt- und Landkreise eine 7-Tage-Inzidenz von über 100 – auch hier werden es von Tag zu Tag mehr.
“Deshalb müssen wir noch mehr Anstrengungen unternehmen, um die Ausbreitung des Virus wieder zu verlangsamen”, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwoch. Es sei naiv zu glauben, dass die Entwicklung in Deutschland anders verläuft, “wenn wir jetzt nicht weitere Anstrengungen unternehmen, um die Verbreitung einzudämmen. Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen verdoppelt sich derzeit alle acht Tage. Wenn wir diese Entwicklung nicht bremsen, dann sind die Intensivstationen in Deutschland bis zum Nikolaustag voll“, warnte der Ministerpräsident.
„Die aktuelle Lage zwingt auch uns zu weiteren harten Maßnahmen. Dabei ist für uns klar, dass wir unsere Kitas und Schulen offen halten und die Wirtschaft am Laufen halten wollen“, so Kretschmann weiter.
Die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen
Ab dem 2. November treten in ganz Deutschland zusätzliche Maßnahmen in Kraft. Die Maßnahmen sind zeitlich befristet und gelten bis Ende November. Nach zwei Wochen werden sich Bund und Länder erneut beraten und die Maßnahmen beurteilen und gegebenenfalls anpassen. Die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes sollen auf ein absolut nötiges Minimum reduziert werden. Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet.
Kontaktbeschränkungen
- Im öffentlichen Raum dürfen sich nur noch Personen aus zwei Haushalten treffen, höchstens aber zehn Personen.
- Feiernde Gruppen zuhause, in privaten Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen sind inakzeptabel.
- Verstöße gegen die Kontaktbeschränkungen werden entsprechend von den Ordnungsbehörden sanktioniert, dafür verstärken Bund und Länder die Kontrollen.
Private Reisen
Die Bürgerinnen und Bürger sollen auf private Reisen sowie Besuche von und zu Verwandten, Bekannten und Freunden verzichten. Das gilt auch im Inland und für überregionale touristische Ausflüge. Für Reisen ins Ausland gelten weiter die Reiswarnungen der Auswärtigen Amts und die Liste der Risikogebiete im Ausland des Robert Koch-Instituts sowie die Verordnung Einreise und Quarantäne.
Übernachtungsangebote sind nur noch für notwendige und nicht touristische Zwecke gestattet.
Kultur, Sport und Freizeit
Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen müssen schließen. Dazu zählen:
- Theater, Opern, Konzerthäuser und ähnliche Einrichtungen
- Messen
- Kinos
- Freizeitparks
- Anbieter von Freizeitaktivitäten drinnen und draußen, etwa Indoor-Spielplätze, Escape Rooms, Laser-Tags etc.
- Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen
- Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen wie SM-Studios, Swinger-Clubs oder Sex-Clubs
- Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen. Davon ausgenommen ist der Sport alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand.
- Profisportsveranstaltungen können nur ohne Zuschauer stattfinden.
- Schwimm- und Spaßbädern, Thermen und Saunen
- Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen
- Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt
Gastronomie
- Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen müssen schließen.
- Restaurants und Gaststätten müssen ebenfalls schließen. Davon ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zuhause.
- Betriebskantinen können unter Auflagen weiter geöffnet bleiben.
Körpernahe Dienstleistungen
- Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden geschlossen.
- Medizinisch notwendige Behandlungen wie etwa Physiotherapie, Ergotherapie oder medizinisch indizierte Fußpflege ist weiterhin möglich.
- Friseursalons bleiben unter den bestehenden Hygieneauflagen geöffnet.
Einzelhandel
- Der Einzelhandel bleibt unter Hygieneauflagen geöffnet.
- Die Einzelhändler müssen den Zutritt so steuern, dass Wartschlangen vermieden werden.
- Es darf sich nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche im Geschäft aufhalten.
Arbeitsplatz
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben eine besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Infektionsketten im Betrieb müssen sie schnell identifizieren. Jedes Unternehmen in Deutschland muss aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung und der betrieblichen Pandemieplanung ein Hygienekonzept umsetzen. Dabei müssen sie bisherige Hygienekonzepte in Anbetracht der Infektionszahlen anpassen.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen wo es möglich ist überall Home Office ermöglichen.
Nicht erforderliche Kontakte der Belegschaft und mit Kundinnen und Kunden gilt es zu vermeiden. Die Betriebe müssen allgemeine Hygienemaßnahmen umsetzen und besondere Hygienemaßnahmen bei erforderlichen Kontakten ergreifen: AHA+L-Regel
Schutz von Risikopatienten
Es braucht besondere Schutzvorkehrungen für Krankenhäuser, Pflegeheime, Senioren- und Behinderteneinrichtungen. Dabei sollen die Regelungen nicht zu sozialer Isolation der Betroffenen führen. Hierfür sieht die Teststrategie des Bundes unter anderem regelmäßige SARS-CoV-2-Schnelltests für Patienten/Bewohner und ihre Besucher sowie das Personal vor.
Finanzielle Hilfen und Entschädigungen
Für die von der temporären Schließung betroffene Unternehmen, Betreibe und Selbständige erhalten eine Nothilfe vom Bund, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der Erstattungsbetrag soll bei Unternehmen bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pauschalisiert die Fixkosten abdecken und beträgt bis zu 75 Prozent der Umsätze des Vorjahresmonats. Weiter Details wird die Bundesregierung in den kommenden Tagen bekannt geben.
Der Bund wird seine Hilfsmaßnahmen für Unternehmen verlängern und die Konditionen für die hauptsächlich betroffenen Branchen verbessern.
“Entscheidungen auf Basis von Fakten”
Auch wenn sich viele für härtere Maßnahmen aussprächen, seien einige der Einschränkungen überdrüssig. „Das verstehe ich“, sagte Kretschmann in seinem Statement nach der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Mir ist auch bewusst, dass wir Ihnen mit den Maßnahmen, die wir heute beschlossen haben, viel abverlangen. Ich versichere Ihnen, solche Entscheidungen treffen wir nicht leichtfertig. Und wir treffen sie nicht auf Basis von Emotionen, sondern auf Basis von Fakten“, so Kretschmann weiter.
Es sei eine gesicherte Erkenntnis, dass sich das Virus vor allem in engen persönlichen Situationen in geschlossenen Räumen besonders schnell verbreiten kann. „Deshalb müssen wir jetzt diese geselligen Kontakte konsequent einschränken – auch wenn uns das als gesellige Wesen besonders schwer fällt“, sagte Kretschmann. Nur so sei die zweite Infektionswelle zu brechen und nur so könne man vor allem die Schwächeren schützen: Ältere, Schwangere und viele Menschen mit chronischen Krankheiten.
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Die Schulklassen zu halbieren wäre noch eine gute Idee gewesen.