REGION ROTTWEIL – Trotz oder vielleicht auch wegen Corona nahmen sich über 30 Betriebs- und Personalräte sowie kirchliche Mitarbeitervertreter und -vertreterinnen einen ganzen Tag lang Zeit, um ihre Erfahrungen auszutauschen und einander Mut zu machen. Die Betriebsseelsorge Rottweil-Tuttlingen hatte sie wieder – wie in jedem Jahr – zu einem „Oasentag“ auf den Dreifaltigkeitsberg Spaichingen eingeladen.
Ein großer, goldener Schlüssel zierte die Mitte des Saales und erschloss den Teilnehmern das Motto: Die Leute in der betrieblichen Interessenvertretung seien „Schlüsselfiguren“ in der modernen Arbeitswelt, so Betriebsseelsorger Thomas Maile in seiner Begrüßung. Er konfrontierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleich mal mit der Frage: „Was hat euch denn bewogen, ein solches Mandat zu übernehmen?“ Oft war die eigene Erfahrung von Unrecht wie ein Schlüsselerlebnis: Willkür von oben, Ungleichbehandlung, Mobbing am Arbeitsplatz. Doch über kompetente Betriebsräte war da Abhilfe zu schaffen. Andere fühlten sich durch überzeugende Vorgänger ermutigt oder fühlen sich grundsätzlich dem christlichen Anspruch verpflichtet, sich für andere einzusetzen. „Handeln statt nur meckern“, das sei die Devise.
Aber welche Schlüssel hat eine Interessenvertretung denn wirklich in der Hand? Es sind die gesetzlich verbrieften Mitbestimmungsrechte in Wirtschaft, Verwaltung und Kirche. Sie gezielt anzuwenden, bedarf freilich hoher Kompetenz, die man sich vor allem über die Gewerkschaften aneignen kann. Weiterbildung, darüber waren sich alle einig, bleibt eine ständige Herausforderung.
Paul Schobel, der ehemalige Leiter der Betriebsseelsorge in der Diözese, empfahl den Anwesenden ein ganzes „Schlüsselbrett“. Betriebs- und Personalräte müssten zum Schlüssel greifen, der ihnen Einblick gibt in die Wirtschaftsweise des Kapitalismus. Der Gegensatz von Arbeit und Kapital zwinge die Interessenvertretung zu einem ständigen Kampf um Recht und Würde der Arbeit. Betriebsräte hätten aber auch die Schlüssel zur „Schaltzentrale der Mitbestimmung“ und zum „Kraftwerk der Solidarität“ in der Hand. So können sie Macht entfalten gegenüber reinen Kapitalinteressen. Vor allem aber, so der Betriebsseelsorger, hätte die Interessenvertretung Zugang zu den Herzen der Menschen, wenn sie ihnen das Ohr leihen, ihnen in die Augen schauen und sich für ihre Anliegen einsetzen.
Der Abschluss des Oasentages fand in der Wallfahrtskirche statt. „Macht euch die Interessenvertretung zur Herzenssache“, so die Betriebsseelsorger in der Schlussmeditation. „Das verbindet euch mit der Liebe des Jesus von Nazareth zu den Menschen“.