Am Ende des Bürgerinformationsabends waren sie sich soweit einig: In Stetten, in der Mariazeller Straße, soll kein Bau mit 14 Wohneinheiten entstehen. Angesichts großen Drucks aus der Bevölkerung hat der Investor nachgegeben, schon mal drei Wohneinheiten aus den bisherigen Plänen heraus gestrichen.
Der Investor korrigierte seine Pläne nach unten, obwohl das Recht eigentlich auf seiner Seite wäre, er bauen könnte, wie er wollte, jedenfalls im gesetzlichen Rahmen. Es sei ein Projekt nach Paragraf 34 Baugesetzbuch, verriet Zimmerns Bürgermeister Emil Maser der NRWZ. Das sei vom Ortschafts- und Gemeinderat eigentlich nicht zu verhindern. Vielleicht mit einer Veränderungssperre, aber nur vorübergehend.
Doch so ein gerammelt voller, schwül-heißer und mit ausgesprochen diskussionslustigen Leuten aus Zimmern und einem sehr bürgernahen, ja phasenweise geradezu heißblütigen Bürgermeister besetzter Mehrzweckraum eines Feuerwehrhauses kann offenbar einen Sinneswandel bewirken. Auch bei jungen Geschäftleuten, die die Witterung nach dem großen Geld im Immobiliengeschäft aufgenommen haben.
Der Reihe nach. Es ist 19.50 Uhr, die NRWZ kommt zu spät, hat die falsche Anfangszeit im Kopf. Die Diskussion im Stettener Feuerwehrhaus läuft längst. St. Florian prangt gemalt an der Wand, ein Dunst aus Bier und, ja, auch Schnaps hängt in der stickigen Luft. Stetten braucht wirklich eine richtige Wirtschaft, auch wenn die Feuerwehr ihr Bestes gibt. Aber es geht an diesem Mittwoch Abend um etwas anders.
Der Raum, vielleicht 35 Quadratmeter groß, beherbergt doppelt so viele Menschen, was man durchaus als “gestopft voll” bezeichnen kann. Das Interesse der Zimmerner – aus Stetten, aber auch aus Flözlingen – ist riesig. Sie haben sich vorgenommen, ihrem Ortschaftsrat die Leviten zu lesen und sie haben sich ein Ziel gesetzt: Den “Koloss”, so der interne Arbeitstitel eines in der Mariazeller Straße geplanten Neubaus, zu verhindern.

Womit wir schon beim entscheidenden Thema wären: der Planung. Oder vielmehr der Frage: Was ist eigentlich geplant? Eine Frage, auf die Zimmerns Bürgermeister Emil Maser von einem professionellen Investoren für einen Neubau eine klare, konkrete Antwort erwartet. Bekommt er die nicht, und merkt er zudem, dass seine Wähler, die Zimmerner, diese Antwort eigentlich auch wollen, dann kann er richtig stinkig werden.
“Ich fühle mich von Ihnen aufs Kreuz gelegt! Sie haben nicht mit offenen Karten gespielt! Sie waren uns gegenüber nicht offen, nicht ehrlich, nicht fair!” Hand aufs Herz: Wer hat Emil Maser schon mal so streitlustig erlebt? Vor allem: einem Investoren gegenüber, der gerade ein Grundstück samt Bauernhaus darauf gekauft hat, und nun einen Neubau errichten möchte?
Da war’s 20.25 Uhr am selben Abend, und es war schon High Noon und irgendwie kurz davor, dass Maser den Investoren, den Kontrahenten, zum Duell auffordert. Mit Leib und Seele Zimmerner, der Mann, zwei Jahre vor dem Amtsende mehr denn je.
Was war passiert? Der Investor hatte schlicht etwas unprofessionell agiert. War an den Stettener Ortschaftsrat herangetreten mit einer farbigen Zeichnung von einem Mehrfamilienhaus und der Frage, ob man sich eine solche Bebauung in der Mariazeller Straße vorstellen könne. Der Ortschaftsrat befand zukunftsorientiert: Ja, das hat die volle Unterstützung.
Dem Zimmerner Gemeinderat ist daraufhin von den Investoren – übrigens ein noch ganz junger Verbund aus einem Bau-Projektplaner, seiner Mutter, einem Freund und einer neuen, gemeinsamen Firma – ebenfalls gefragt worden, ob er sich eine solche Bebauung vorstellen könne. Im Gespräch mit der NRWZ bezeichnet es Maser dann als durchaus nicht ungewöhnlich, dass jemand, auch Bauherrengesellschaften, eine einfache Zeichnung vorlegt und fragt, ob das auf dem richtigen Weg sei. Ob der Gemeinderat bei sowas mitmacht. Das wird dann ernsthaft, aber rechtlich nicht bindend, diskutiert und beantwortet. Im Falle der Stettener Geschichte positiv. Wobei Maser Wert legt auf die Feststellung, dass es sich um eine Anfrage gehandelt habe. Nicht etwa um eine Bauvoranfrage. Also um eine ganz formlose und unverbindliche Geschichte.
Masers Zorn am abendlichen Mittwoch im alkoholgeschwängerten Stettener Mehrzwecksaal entzündete sich an einer unbedachten Aussage eines der Investoren, Alex Kropatschew. Der sagte, durchaus schon über Architekten-Pläne für das 14-Einheiten-Haus zu verfügen, diese aber nicht vorgelegt zu haben. “Ich frage mich, was dahintersteckt”, wenn ein Investor seine Pläne gegenüber der Gemeinde zurückhält, donnerte Maser daraufhin.
Da gab der Investor glatt klein bei. Er bat um Entschuldigung, bezeichnete es später als Fehler, erklärte: “wir wollten nichts vertuschen.” Doch befeuerte das gerade die Stettener Ressentiments und Befürchtungen: Baut hier einer etwa extra kleinteilig, lockt er am Ende sozial Schwache, die wenig oder gar kein Geld haben, in den idyllischen Ort an der Eschach?
Das bleibt so ein bisschen unklar und wirkt unausgegoren. Die in der Mariazeller Straße geplanten Wohnungen sollen etwa 150.000 Euro aufwärts kosten. Das ist an sich kein Pappenstiel. Der Quadratmeterpreis aber liege absichtlich unter dem regionalen Niveau, erklärte ein Vertreter der Geschäftsführung der Bauherren, Alexander Engraf, im Gespräch mit der NRWZ, der selbst mit seiner Familie vor einigen Jahren nach Stetten gezogen ist und sich dort sauwohl fühlt, wie er beteuert. Was also wollen die Jungs, beide weit entfernt vom Alter eines gemachten Geschäftsmannes? Eine Frage, die am Mittwoch unbeantwortet geblieben ist, eventuell auch deshalb, weil sie selbst die Antwort darauf nicht genau wissen.
Eine Antwort gaben die Investoren aber doch: Sie werden neue Pläne vorlegen. Und die Zahl der Wohnungen von 14 auf 11 reduzieren (dass sie bauen werden, ist klar, das Grundstück ist gekauft, sie werden was damit anfangen). Bürgermeister Maser erklärte, diese Pläne dann wiederum in Form einer Informationsveranstaltung den Bürgern präsentieren zu wollen – was dann besser sei, als eine Infoveranstaltung, bei der es eigentlich nichts konkretes vorzustellen gebe.
Allen am Verfahren Interessierten dürfte dann auch klar sein: Die Bürger Stettens – aber auch etwa Flözlingens, weil bei all den Bauernhäusern auf dem Land ein solches Drama noch öfter droht – werden sich beteiligen und gegebenenfalls die Stimme erheben. Bürgermeister Maser hat das begriffen, sich auf die Seite seiner Bürger gestellt, sich als erster Bürger Zimmerns positioniert und präsentiert.
Die Leute von der Mariazeller Straße, die für ihre Sache öffentlichkeitswirksam geworben haben, geben insofern auch ein Beispiel. Bürger wollen gehört werden. Dass sie sich dann unter dem gemalten St. Florian treffen, kann sinnfällig sein, aber manchmal auch nur Zufall.