Ein 28-Jähriger Afghane steht derzeit vor dem Rottweiler Landgericht. Ihm wird vorgeworfen, am 7. Juli letzten Jahres in einer Spaichinger Flüchtlingsunterkunft einem 52-jährigen Mitbewohner eine Grillgabel zweimal in den Kopf gestoßen zu haben. Der Mann wäre deshalb fast verblutet, so die Anklage. Seit der Tat sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft.
Dem Streit vorausgegangen war offenbar ein Krach wegen der Kinder der beiden Männer. So habe der Sohn des Angeklagten immer wieder die Kinder des Älteren geschlagen. Der Mann, ebenfalls Afghane, erzählte, wie die beiden Familien, die sich Bad und Küche teilten, anfangs gut miteinander ausgekommen seien. Doch dann war es wegen des Sohnes des Jüngeren immer wieder zu Ärger gekommen. Am Tattag, da war in Spaichingen verkaufsoffener Sonntag und man traf sich am Marktplatz, habe der Bub wieder grundlos auf das jüngere Mädchen des 52-Jährigen eingeschlagen.
Er habe ihn daraufhin zur Rede gestellt, ihm die Wange dabei gestreichelt, aber keineswegs geschlagen. Später sei die Mutter des Buben zu ihm gekommen und habe ihn lautstark angeschrien, ihn beleidigt mit Ausdrücken, die er vor Gericht nicht wiederholen wollte, aber musste. Am Abend dann hatten sich die beiden Väter darüber unterhalten. Das Opfer erzählte, man habe sich erst geeinigt, doch dann habe der Jüngere ihm vorgeworfen, seine Frau angegriffen zu haben, und dann losgeprügelt.
Ein anderer Mitbewohner sei dazwischen gegangen, die Security kam, doch dann sei der 28-Jährige plötzlich auf ihn zugerannt und habe ihm etwas in den Kopf gestochen. Blutüberströmt rannte der Mann dann offenbar zu einer Polizeiwache. Im Krankenhaus musste man ihn mit einer Blutkonserve behandeln, so die Staatsanwältin, so viel Blut habe er verloren. Das Gericht bekam auch seine Narben zu sehen, die der Mann bereitwillig vorzeigte.
Der 28-jährige Angeklagte betonte immer wieder, er habe den Älteren auf keinen Fall töten wollen, es habe ihm gleich nach der Tat leid getan, als er das viele Blut sah, da habe er auch gleich von ihm abgelassen.
Das Gericht ließ sich ausführlich die Geschichte des Angeklagten erzählen, der in einem Dorf in Afghanistan groß wurde. Der Vater war ein Unterstützer von Ahmed Schah Massoud, dem Anführer des afghanischen Widerstands gegen die Taliban und ist, so erzählte der 28-Jährige, kurz nach dessen Ermordung 2001 ebenfalls umgebracht worden. Der Angeklagte war damals etwa zehn Jahre alt. Daraufhin floh die Mutter mit den Kindern in den Iran, wo sie auch heute noch mit den jüngeren Schwestern lebt. Er selbst habe den Iran wieder verlassen müssen, weil er keine Papiere hatte.
Er habe sich dann ein Auto gekauft und habe damit einen Taxiservice zwischen dem Heimatort seiner Frau und Kabul aufgebaut. In seine Heimatprovinz habe er nicht zurückkehren wollen, da man ihn dort erkennen könnte. Eines Tages habe er dann eine hochschwangere Frau nach Kabul gebracht, unterwegs hätten ihn schwerbewaffenete Talibankämpfer angehalten, seinen Ausweis gefunden und ihn als Sohn seines Vaters identifiziert. Er sei zusammengeschlagen worden, und nur weil die Frau im Auto inzwischen starke Wehen bekommen habe, hätten sie ihn weiterfahren lassen. Aber ihm gedroht, dass sie ihn beim nächsten Mal umbringen würden.
Also habe er in Kabul sein Auto verkauft, einen Schlepper besorgt und sei mit seiner Frau und den kleinen Kindern in den Iran geflohen. Teils mit Autos, teils zu Fuß ging es von dort über die Türkei nach Griechenland bis Mazedonien, wo sie schließlich mit Bussen nach Deutschland gebracht wurden.
Der Prozess wird am 7. Februar fortgesetzt.