Der sogenannte Kabisball in Rottweil-Altstadt, der am Samstag stattgefunden hat, steht für einen erfolgreichen Generationswechsel. Von der Veranstaltung berichtet Reiner „Archie“ Armleder.
Kurzer Rückblick auf das Jahr 2018: Nach 25 Jahren schien der Zeitpunkt günstig, um das Feld, beziehungsweise die Bühne den Jungzünftlern zu überlassen. So wurde mit dem letztjährigen, 26. Kabisball eine neue Ära eingeläutet. Trotz einiger Kritik nach dem Ball, warfen die Neuen die Flinte nicht ins Korn. Sie hatten vielmehr nur das eine Ziel – und zwar den 27. Kabisball am vergangenen Samstag, den Kabisball 2020. Und wie sie zurückkamen: Wie Phönix aus der Asche. Sie begeisterten das Publikum bereits ein Jahr nach dem Generationenwechsel mit bärenstarken Nummern. Doch dies war an diesem Abend nicht das Einzige, was wie Phönix aus der Asche kam, dazu später mehr.
Pünktlich um 18.30 Uhr öffneten die Pforten der Altstädter Turnhalle und innerhalb von nur zehn Minuten hatte die Mehrzahl der knapp 300 Besucher ihren Platz eingenommen. Von nun an waren sieben Zweierteams unterwegs, um die Gäste möglichst schnell mit Getränken und Speisen zu versorgen. Ein bestens eingespieltes Küchenteam um Neunarrenmeister Bernd Ganter versorgte die Bedienungen im Sekundentakt.
Während ein Teil der Besucher sich noch dem leiblichen Wohl hingab, schunkelten die anderen schon nach den Melodien von Caros Coverband. Ruckzuck waren die 90 Minuten bis zum Programmbeginn verflogen.
20 Uhr: Der Startschuss zu einem unvergesslichen Ballabend fiel in diesem Jahr nicht mit dem Narren-, sondern mit dem Altjägermarsch. Der Musikverein Frohsinn Altstadt zog, angeführt von Dirigent Axel Zimmermann, in die Halle ein. Diesmal nicht gefolgt von Rottweiler Narren, sondern von einem guten Dutzend Bajasse. Zwei von ihnen ritten sogar auf Scheineseln, nochmal zwei Bajasse trugen ein riesiges Ei in einem überdimensionalen Eierbecher auf die Bühne.
Die wild umherhüpfende schwarz-gelbe Horde war kaum noch aus der Halle zu bewegen, aber es war halt au so schee.
Nun stand es da, das Riesenei, ganz alleine auf der Bühne, und wurde von hunderten Augenpaaren beäugt. Als die Spannung förmlich zum Greifen war, trat der Neuconférencier Tobias Seeger in die Bütt und begrüßte das närrische Publikum. Auch er zeigte sich verwundert über das Ei, das neben ihm stand, und nun hörbar zu bersten begann. Eine noch zaghafte Stimme drang aus dem Ei und bat darum, doch den Deckel endlich abzunehmen und dem Wesen darin heraus zu helfen.
Den Deckel abgehoben, erblickte Tobi erstaunt eine Henne im Ei. In Gedichtform forderte die Henne ihn abermals auf, sie endlich unter den Hintern zu fassen und sie aus dem Ei zu holen. Tobi meinte nur, sich doch gar nicht zu getrauen, dort hinzufassen. Darauf meinte die Henne: „Bei de Fraue an deArsch, i woiß es genau, do langsch sonscht au na, du alte Sau! Drum hol mi etzt aus dem Ei heraus, und dia Leit begriaßet mi mit viel Applaus!“
Von da an war das Eis gebrochen und eine sicht- und hörbar neue Bühnenfreundschaft geschlossen. Die noch namenlose Henne war von nun an bei sämtlichen Programmansagen an der Seite von Tobi und gab immer wieder in gereimter Form Neuigkeiten oder Wissenswertes etwa auch aus dem benachbarten Gölliland preis.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Es folgte eine Showtanzeinlage, gespickt mit jeder Menge Akrobatik, der Jungmusikerinnen des MV Frohsinn, die die Besucher, unter der Regie von Kathrin-Anna Efinger, in die Unterwasserwelt entführten. Dort traf unter anderem der Taucher (Nicolas Günthner) auf die Meerjungfrau (Benny Seemann). Kathrin-Anna Efinger legte mit ihren Mittänzern und -tänzerinnen Axel Zimmermann, Tobi Flaig, Jan Bernhard, Sabrina, Sophie und Rebecca Wiedemann, Cara Barth, Antonia Thesing und Johanna Orawetz eine furiose Tanzshow aufs Parkett, die natürlich in einer Zugabe endete.
Es folgten vier Sketcheinlagen, die beweisen sollten, dass es auch kurz und zackig geht. Etwa mit Fabian Ernst als lästige Fleischmuck‘ und Kajetan Spreter als kompromissloser Kammerjäger. Ein 40-Snickers-Sketch mit Alexander Selinka und Dominik Vogel – oder waren vielleicht doch Sneakers in Größe 40 gemeint? Die Wasabi-Geist-Nummer mit Geist Adrian Grießer und Aram-sam-sam-Animateur Dominik Vogel. Und zum Abschluss der kurz-und-knackig-Reihe noch die Friesennummer mit dem klärenden Dialog zwischen abermals Dominik Vogel und dem brilliant aufspielenden Alexander „Brezele“ Selinka in einer Paraderolle.
Nach einer eingeschobenen Tanzrunde stand die alljährliche Ausschussnummer an. Dass der Narrenmeisterwechsel noch am Mittag vor der Generalversammlung fast eine unverhoffte Wende genommen hätte, zeigten dann in den beiden Arbeitszimmern Ute Sauter (Tobi Seeger), amtierende Frau Narrenmeister, und Sonja Ganter (Benny Seemann), amtierende Narrenmeisterin in Lauerstellung.
Während Narrenmeister Helmut Sauter (Klaus Hezel) sich bei Sonja noch die Fußnägel richten ließ, ging Bernd Ganter (Kajetan Spreter), der in Zunftkreisen schon seit vielen, vielen Jahren NiLS (Narrenmeister in Lauer Stellung) genannt wird, noch zu Ute, um die Haare schneiden zu lassen. Kampf, Resignation und Verzweiflung beherrschten die Szenerie, die zu wahren Lachsalven im Publikum animierten. Als am Schluss auch noch das Ehrenmitglied Klaus Bauer (gespielt von ihm selbst) und Igor Kabiskopf (Ralf “Hefe“ Armleder) sich um den Narrenmeisterposten bewarben, war das Chaos komplett und die Narrenmeisterfrage wurde mit einer Gesangseinlage, in die auch die gesamte Halle miteinstimmte, unbeantwortet beendet. „Das ganze Leben ist ein Quiz, wer wird Narrenmeister?“
Einen Höhepunkt an solch einem Abend herauszustellen, ist immer sehr schwer. Wenn man aber das Lachbarometer zugrunde legt, dann zählte die Bratpfannennummer von Benni Pfeiffer und Gerhard „Hufi“ Hipp zu den Favoriten. Spärlich bekleidet, um nicht zu sagen völlig hüllenlos, traten die beiden Akteure, nur mit jeweils zwei Bratpfannen in den Händen vor das tobende Publikum. Instrumental begleitet galt es nun, die vier Pfannen, die dazu noch unterschiedlich groß waren, auch bei Drehungen, so geschickt zu bewegen, dass keine Chance bestand, auch nur einen kleinen Blick unter das Bratgeschirr zu erhaschen.
Die Hoffnung und der Herzschlag der weiblichen Besucher stiegen jedoch, als beide Protagonisten jeweils eine Pfanne, ungeschickt wie sie nun mal waren, aus den Händen verloren. Doch die beiden, sehr an Pat und Patachon erinnernden Narrenzünftler, hielten im wahrsten Sinne des Wortes (Blick-)dicht und dies auch bei der vehement geforderten und erbrachten Zugabe.
Der Programmabend neigte sich ganz langsam dem Ende zu, doch es fehlte noch eine sehnlichst erwartende Nummer – nämlich das „Oldie-Ballett“. Und das Publikum wurde nicht enttäuscht. Sieben feurige Brasilianerinnen tanzten sich durch die Halle vor bis auf die Bühne und manch einer wähnte sich, aufgrund der funkensprühenden Handhebete der exotischen Wuchtbrummen (Axel Zimmermann, Benni Pfeiffer, Fabian Schüler, Marc Schinzel, Bernd Ganter) sowie den Wuchtbrümmelchen (Dominik Vogel und Benny Seemann) inmitten des Captain-Dinners.
Mit der von Iris Pfeiffer profimäßig einstudierten Choreographie bewegten sich die sieben Narrenzünftler nahezu elfenhaft über die Bühne und animierten das Publikum dadurch immer wieder zu frenetischen Beifallsstürmen. Auch hier sorgte erst die geforderte Zugabe der Ballbesucher für etwas Beruhigung in der Halle.
Das Ende eines furiosen Kabisball war erreicht. Tobi Seeger, der in seiner unnachahmlich dynamischen Art durch das Programm geführt hatte, bedankte sich zum Schluss noch bei den Programmakteuren, beim tollen Küchenpersonal, bei den fleißigen Bedienungen, bei Caros Coverband, die noch etliche Stunden für Stimmung in der Halle sorgte, im Voraus beim Barpersonal, dessen Arbeit nun erst begann, und vor allem beim Publikum. Dem Publikum, das den Narrenzünftlern die verdiente Chance gab, den Generationenwechsel zu vollziehen und das in Rekordzeit, so dass ganz sicher der 28. Kabisball im kommenden Jahr wieder ausverkauft sein wird.