ROTTWEIL – Die Münchnerin Dr. Peggy Schulte-Frohlinde kam über die genealogische Wissensdatenbank „Jüdische Familien in Baden-Württemberg“ bei ihren Familiennachforschungen auf Hinweise, dass sie in Rottweil weiter suchen muss. Mit Hilfe von Bettina Eger vom Kreisarchiv fand sie dann die Spur von Dr. Julius Hess, der ihr Urgroßvater ist und hier in Rottweil und Umgebung zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Arzt gewirkt hat.
Nachdem viele Informationen zwischen Rottweil und München ausgetauscht waren, folgte Peggy Schulte-Frohlinde, gemeinsam mit ihrem Gatten Prof. Dr. Ewert Schulte-Frohlinde, der Einladung von Bettina Eger, sich hier vor Ort ein Bild vom Lebensraum ihres Vorfahren zu machen. Dieser Besuch fand nun statt und viele Türen öffneten sich den Gästen. Die Räume der ehemaligen Synagoge wurden ihnen exklusiv vom jetzigen Besitzer Hartmuth Benk gezeigt.
In einem sich anschließenden Stadtspaziergang mit Bettina Eger und Vorstandsmitgliedern des „Verein ehemalige Synagoge Rottweil “, dessen Mitglied Schulte-Frohlinde inzwischen ist, wurden Blicke auf das Alte Rathaus mit dem historischen Ratsaal, die Hofgerichtsstube, das Haus Kaz und das Schwarze Tor geworfen. Im Münster begeisterten neben dem Sternenhimmel, der Nikolausaltar, die Stuhlwange Narrenmutter, Maria von der Augenwende, die Zunftlaternen und die Figur des heiligen Michael.
Die barocke Predigerkirche mit Bockshof und dem Lorenzort, der in früheren Stadtplänen auch als Judenort beschrieben ist, beeindruckten die Münchner Gäste ebenso. Sie konnten es sich nicht vorstellen, dass dieses beschauliche Ensemble womöglich bald von Besucherströmen gestört werden soll. Christoph Kirschler führte sie über den jüdischen Friedhof, auf dem der Urgroßvater von Peggy Schulte-Frohlinde seine letzte Ruhestätte hat. Abends wurden sie dann persönlich von Oberbürgermeister Ralf Broß bei der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Reichsprogromnacht im Konvikt begrüßt.
Auch Tatjana Malafy von der isrealitischen Gemeinde ließ es sich nicht nehmen, das Ehepaar durch die neue Synagoge zu führen. Stadtarchiv, Kreisarchiv und Vermessungsamt ermöglichten der Ahnenforscherin Einblicke in unterschiedliche Schriften zu ihrer Familiengeschichte. Dort, wie bei allen Treffen, entwickelten sich rege Gespräche, sodass die beiden bei ihrer Abreise Lust auf weitere Reisen in die älteste Stadt Baden-Württembergs bekundeten.