ROTTWEIL – „Nie wieder Krieg“ Diesen Verzweiflungsruf kennt man, seit Käthe Kollwitz die Gräuel des 1.Weltkriegs auf ihrem Antikriegsplakat 1924 anprangerte. Dass der 2. Weltkrieg Elend und Zerstörung noch in gesteigertem Maße brachte und nun am europäischen Horizont ein Vernichtungskrieg – mit vielleicht nuklearen Mitteln- auftaucht, veranlasste die „Bürgerinitiative für eine Welt ohne atomare Bedrohung“ und sieben Mitveranstalter zu einer äußerst eindrücklichen literarisch-musikalischen Lesung im Festsaal des Alten Gymnasiums.
Prospekt der Woche
... zum Vergrößern und Durchblättern:Ursprünglich zum 36. Tschernobyl-Jahrestag mit dem Titel „Denk ich an Belarus…“ geplant, in der die herausragende Rolle der belarusischen Frauen in der Tschernobylbewegung und bei den Demonstrationen nach der gefälschten Präsidentschaftswahl im August 2020 im Mittelpunkt stehen sollte, wurde die Lesung der aktuellen kriegerischen Situation geschuldet, um Texte zur Situation in der Ukraine und Russland erweitert.
Das expressive Akkordeonspiel des aus Moldawien stammenden Musikers Dimitru Luca eröffnete die Veranstaltung virtuos, spritzig , sprühend: stampfende Soldatenstiefel und Kriegsfanfaren wurden hörbar.
Tatsiana Zeleniuk, in Rottweil ansässige belarussische Journalistin, stellte ihr Heimatland in dem Band „Belarus! Das weibliche Gesicht der Revolution“ vor. Die darin benannten Themen Gewalt, Verhaftung, Gefängnis, aber auch Solidarität und Stärke der Zivilgesellschaft trug sie in vier Gedichten vor und unterstrich diese noch mit der wehmütigen Volksweise „Kupalinka“ und einem fröhlichen Song in ihrer Muttersprache, die eine leise Zukunftshoffnung erahnen ließ.
Ebenso aktuell ist das zweite Buch „Die Jagd“ von Sascha Filipenko, ein in Belarus und Russland beheimateter Schriftsteller, der mittlerweile in den Westen floh und seine Erfahrungen von Terror, psychischem Druck und Verfolgung in beiden Ländern immer wieder thematisiert. Der in Südrussland geborene Sänger und Schauspieler Bagdasar Khachikyan, bekannt durch viele Auftritte im Zimmertheater, las Passagen daraus und sang dazu mit seinem ausdrucksstarken Countertenor aufwühlend und erschütternd.
Der Roman “Das Internat“ von Serhij Zhadan, geboren 1974 in Luhansk, ist das nun wieder brandaktuell gewordene Buch, obwohl es bereits 2018 erschien. Es schildert, wie sich die vertraute Umgebung des Donbass in ein apokalyptisches Territorium verwandelt. Schließlich mündet dieser Schauplatz in die Zerstörungen des gegenwärtigen Überfalls auf diese ukrainische Region, ein grausamer Krieg, der nicht als solcher bezeichnet werden darf. Elena Logunova stammt aus Russland und lebt seit 2004 in Deutschland. Sie ist Lehrerin und war acht Jahre lang Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Rottweil. Sie las drei Abschnitte aus Zhadans erschütterndem Roman.
Das Echo im vollbesetzten Festsaal des Alten Gymnasiums war groß, auch erkennbar an dem prall gefüllten Spendenkorb – 1000 Euro gingen als Spenden ein. Die Spenden gehen zu gleichen Teilen an RAZAM, einem Hilfsfonds für politisch Verfolgte und deren Familien in Belarus und an REFUGIO, das interkulturelle Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge in Villingen.