Mit einem offenen Brief gegen die Streiks der Erzieherinnen, abgedruckt im Gemeindeblatt, hat sich Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich am Dienstag Kritik aus dem Gemeinderat eingehandelt.
Deißlingen (mm). „Ich bin schockiert über diesen Artikel“, erklärte SPD-Rätin Anja Stumpf, selbst Sozialpädagogin und Mutter zweier kleiner Kinder. „Hier werden die Mitarbeiterinnen an den Pranger gestellt“, sagte sie.
Ulbrich hatte sich angesichts der Tatsache, dass auch die Mitarbeiterinnen dreier Deißlinger Kindergärten am Dienstag gestreikt hatten, im Deißlinger Anzeiger an die betroffenen Eltern gewandt und unter anderem betont, dass die Gehälter der Erzieherinnen seit dem Jahr 2009 teilweise um bis zu 33 Prozent gestiegen seien, „während für die übrigen Beschäftigten der Kommunen die Steigerungsrate weniger als halb so hoch liegt.“ Zwischen 2590 und 3750 Euro lägen die Gehälter jetzt, Leiterinnen bekämen bis zu 4750 Euro im Monat, steht da zu lesen.
Zahlen, die nicht nur Anja Stumpf aufregten, sondern auch ihren Kollegen Alex Röhrle von der DUL. Er sei von vielen Leuten darauf angesprochen worden, dass diese Veröffentlichung auch als Anklage aufgefasst würde. Immerhin verdiene im ganzen Landkreis niemand die letztgenannte Summe, da es keine so großen Einrichtungen gebe. „Eine 50-Prozent-Kraft verdient netto 600 Euro im Monat“, stellte Röhrle fest.
Er habe mit dem Schreiben das Vorgehen der Gewerkschaft Verdi anprangern wollen, verteidigte Ulbrich die Veröffentlichung. „Der Streik zu dem Zeitpunkt war falsch“, legte er sich fest.
So steht es auch im Anzeiger: Man halte die Forderungen nach weiteren Steigerungen um bis zu 20 Prozent Gehaltserhöhung für „völlig unrealistisch“, und fordere die Gewerkschaften „zu ernsthaften und zielgerichteten Gesprächen“ auf. Solche Gehaltserhöhungen würden bedeuten, dass an anderer Stelle gespart oder die Gebühren oder Steuern erhöht werden müssten.
Anja Stumpf wiederum fand es „unsachlich, die Arbeit einer Erzieherin mit der im Bauhof zu vergleichen“ und forderte, den Deißlinger Erzieherinnen ebenfalls Platz im Anzeiger zur Verfügung zu stellen, um sich entsprechend rechtfertigen zu können. Den bekommen sie auch, versprach Bürgermeister Ulbrich.