Dienstag, 28. November 2023
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Rottweil

Erwartete Kritik und unerwartetes Lob für OB Ruf

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Ein „Haushalt auf Rekordniveau“, wie CDU-Fraktionschefin Monika Hugger sagte. Knapp 85 Millionen im Ergebnishaushalt. Investitionen. Umgestaltungen in der Stadt. Landesgartenschau. Aber auch das geplante Ende der schuldenfreien Zeit: Der letzte städtische Haushalt, den Rottweils Kämmerer Herbert Walter verantwortete, hat es in sich. Gestern Abend wurde er einstimmig vom Gemeinderat beschlossen. Dennoch wurden bei den Haushaltsreden der Fraktionen neben Lob auch kritische Anmerkungen laut.

Die geplanten Ausgaben der Stadt 2023.

SPD+FfR

„Gute Arbeit gibt einem ein gutes Gefühl, besonders gute Arbeit ein besonders gutes Gefühl“, sagte Arved Sassnick, Sprecher der Fraktion SPD+FfR. „In großen Zügen bleibt festzuhalten, dass in Rottweil sorgsam gewirtschaftet wird und aller Voraussicht nach ein zustimmungsfähiger Haushaltsentwurf vorliegt.“ Bei vielen Vorhaben gebe es im Zuge der Landesgartenschau „gewaltige Zuschüsse“, das werde die weiteren Vorhaben leichter machen. Nachhaltige Finanzpolitik solle verhindern, dass zukünftige Generationen über Gebühr belastet werden. Bei der Vitalisierung der Innenstadt setzt er auf „Priorisierung des Fußgängers, Radfahrers und Busbenutzers um das Hauptstraßenkreuz herum“. Also: „Weniger Pkw, weniger Lärm, weniger Gestank, mehr Aufenthaltsflächen fürs Sitzen und Schauen helfen, das Bummeln in Rottweil angenehm zu gestalten.“

Gesellschaftlicher Zusammenhalt sei ein bedeutender Faktor. „Wenn jene Leute absolute Minderheit bleiben, die diesen Staat ablehnen, die Missachtung gegenüber seinen Vertretern – ob Abgeordnete, Richter oder Polizisten – äußern, Vertreter der Wissenschaft besserwisserisch verhöhnen und Hilfskräfte bei ihren Einsätzen behindern: Wenn diese Leute die absolute Minderheit bleiben, dann sich wir noch auf der sicheren Seite.“

CDU

Ein „weiteres besonderes Jahr“ sieht Monika Hugger, Fraktionssprecherin der CDU, vor der Stadt: „Unser mit Abstand wichtigstes Projekt, die Landesgartenschau, nimmt nun endlich Fahrt auf.“ Die Ergebnisse aus dem Wettbewerb „machen Lust auf die Umsetzung im Kernbereich. Die CDU freut sich darauf.“ Sie hat einen weiteren Knackpunkt ausgemacht: Die Gestaltungssatzung. Die historische Innenstadt ist uns ein besonderes Anliegen. … Mit der Gestaltungssatzung sind wir für die Rahmenbedingungen mitverantwortlich. Die heutige Fassung ist am 1. Januar 2002 – vor über 20 Jahren – in Kraft getreten und gehört an die Gegebenheiten angepasst. Der Abgleich mit Verordnungen des Landes ist notwendig, wie die Diskussion um PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden zeigt. Die Satzung muss angepasst werden, damit sie nicht zum Hemmschuh wird.“

Ein weiterer Punkt: „Eine Mammutaufgabe, die einen immer größeren Anteil unserer Einnahmen bindet, sind Schulen und Kindergärten. Mit einem Nettoressourcenverbrauch von fast 15 Millionen Euro erreichen wir ein neues Rekordniveau. Zum Vergleich, 2013 lag dieser Wert bei 5,9 Mio. Euro. Fast eine Verdreifachung innerhalb von zehn Jahren! Die Steuereinnahmen kommen hier nicht mit. Diese sind im gleichen Zeitraum nur um rund 33 Prozent gestiegen. … Dass Schulträger künftig Kosten für digitale Endgeräte, Wartung etc. zusätzlich übernehmen sollen, macht uns ratlos. … Hier kann es nur eine Lösung durch das Land geben, ansonsten sehen wir die ernsthafte Gefahr, dass uns diese Aufgabe haushalterisch überfordert.“

Freie Wähler

Mit einem dicken Lob für den neuen Oberbürgermeister begann Dr. Peter Schellenberg seine Rede für die Freien Wähler: „Nicht einmal drei Monate sind Sie im Amt, aber bereits jetzt kann man sagen, Sie machen einen sehr guten OB-Job, als ob Sie das schon seit vielen Jahren machen. Ihre ausgeglichene, unaufgeregte, frische und ruhige Art, die sich nur an der Sache und am Projekt orientiert, ist sehr wohltuend und tut dieser unserer Stadt sehr gut…. Sie hent die richtig Kuttel für des Gschäft.“

Dass die Schulden der Stadt in den nächsten Jahren von null auf 30 Millionen Euro steigen sollen, bedeute eine jährliche Zins-Ausgabe von einer Million. „Schuldenmachen war für unsere Fraktion nie eine Option“, aber Ruf habe nachvollziehbar dargelegt, dass der Einstieg in die Verschuldung gerechtfertigt sei.

Kritik kam von ihm aber, weil zwar der Neubau des Hallen- und Freibads anstehe, aber im Haushalt noch nichts darüber drin stehe. Bei Investitionskosten von 15 bis 25 Millionen  Euro „steht die Frage im Raum, ob man sich das bei der geplanten Neuverschuldung von 30 Millionen Euro überhaupt noch leisten kann“. Bei der Kinderbetreuung sei der Kostendeckungsgrad von 20 Prozent bei weitem nicht erreicht worden (14 Prozent). Für ihn ist ein Kostenmanagement für Kinderbetreuungseinrichtungen notwendig.

Grüne

Rottweil wird zwar wieder Schulden machen. Aber „das ist gut angelegtes Geld, rentierliche Schulden, denn wer die Zukunft für sich gewinnen will, muss sie gestalten“, sagte Ingeborg Gekle-Maier für die Fraktion der Grünen. In einem Punkt vermisse sie jedoch „eine starke Handschrift“ des neuen Oberbürgermeisters. „Deshalb wird Klimaschutz in Rottweil Chefsache und die Stelle eines Klimaschutzmanagers direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt sein“, zitierte sie aus dem Wahlkampf-Aussagen von Ruf. „Wir verbinden große Hoffnungen mit dieser Stelle, bedauern aber gleichzeitig, dass es zu einer ausgebremsten Version kam. Nur wenn die Förderzusage vorliegt, ein Bewerber mit technischem Profil sich auf die auf zwei Jahre befristete Stelle in Rottweil bewirbt und für geeignet befunden wird, werden wir im FB 5 einen Klimaschutzmanager begrüßen können. Keine Stabsstelle beim Oberbürgermeister!.. Klimaschutz scheint in Rottweil immer noch nicht Chefsache zu werden.“

„Im Haushalt 2023 fehlt uns insbesondere eins: ein klares Konzept in Puncto Umwelt- und Klimaschutz!“ Rottweils letzte Energie und CO2-Bilanz stamme vom November 2015, mit Daten teilweise von 2013. Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und der damit einhergehenden Versiegelung fordern die Grünen mehrgeschossiges Bauen oder Aufstocken im Bestand, bei Bedarf mit Gauben,… auch da, wo das bisher laut Bebauungsplan nicht möglich war. Ein wunderbares Beispiel für flächenneutrales Bauen ist der geplante „Rucksack-Kindergarten“ in der Schramberger Straße auf dem Dach eines Lebensmittel-Einzelhändlers. Und: „Wir wäre es mit einem klimaneutralen Ferienzauber?“ Bei den Kindergärten forderte sie, „einkommensabhängige und damit sozial gerechtere Betreuungsgebühren“ zu prüfen.

FDP

Daniel Karrais, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, bedauerte die hohe Steigerung von Energie- und Baukosten, die eine Planung immer unsicherer machen. „Für uns als Gemeinderat bedeutet das, dass wir eine Umkehr im Denken brauchen. Neue Ausgaben müssen genauer geprüft werden. Wir müssen uns bei Entscheidungen über Mehrkosten immer fragen: Ist es das dann noch wert; oder sollten wir dann nicht doch lieber an der einen oder anderen Stelle auf Dinge verzichten? Wir glauben, es gibt keine schlechten Vorschläge. Es gibt viele Dinge, die schön wären, wenn man sie hätte. Trotzdem müssen wir der Realität ins Auge sehen, dass unsere Fähigkeiten als Stadt Dinge zu finanzieren, die nicht unsere Kernaufgaben betreffen, endlich sind. Wir müssen uns stark darauf konzentrieren, was wir wirklich brauchen.“ Als Beispiel nannte er die Forderung der Grünen „nach einem neuen Fördertopf für Balkonsolaranlagen“.

Bei der Kinderbetreuung schlug er eine Partnerschaft mit der  Wirtschaft vor. „Warum sollten wir denn nicht darüber reden, künftig statt Kirchen einen Zusammenschluss von Arbeitgebern in die Partnerschaft zu nehmen? Das Interesse unter den Arbeitgebern ist da. Das wäre eine Win-Win-Win-Situation für alle drei Seiten, und da sollten wir uns vertieft mit auseinandersetzen in diesem Jahr.“

Auch zur Arbeit des Gemeinderats hatte er Kritik: „Immer wieder hören wir im Rat, wie Vorschläge zerredet werden. Nicht, weil sie schlecht sind, sondern weil sie mutig sind. Die Gegenargumente sind meist völlig banal und zeugen von fehlender Vorstellungskraft und fehlendem Mut, der Bürgerschaft Veränderungen zu erklären. Wollen wir Rottweil voranbringen, brauchen wir Mut zur Veränderung und Offenheit alte Zöpfe abzuschneiden.“

Wolf-Dieter Bojus
... war 2004 Mitbegründer der NRWZ und deren erster Redakteur. Mehr über ihn auf unserer Autoren-Seite.

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