„Schleckig“ steht groß auf der Einbandseite, und „schnaikig: Der „Kleine Sprachatlas“ des Landkreises Rottweil wurde heute der Öffentlichkeit vorgestellt. Es zeigt nach eigener Angabe „die heutigen mundartlichen Verhältnisse von Aichhalden bis Zimmern.“
Herausgeber ist der Landkreis, aber dazu geforscht und geschrieben haben es Mitarbeiter des Ludwig-Uhland-Instituts in Tübingen. Vor allem Rudolf Bühler. Er hat in mehreren Monaten mit 250 Menschen gesprochen – und zwar in 70 Städten und Ortschaften, wie er und sein Co-Autor, Prof. Dr. Hubert Klausmann, Leiter der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“, bei der Vorstellung im Landratsamt berichteten.
Um vergleichbare Werte zu bekommen, hat Bühler die ausgewählten Personen nach bestimmten Wörtern befragt. „Das ist keine Kleinigkeit“, betonte der (seit Kurzem pensionierte) Kreisarchivar Bernhard Rüth. Für Vielfalt sorgte auch, dass die Probanden aus verschiedenen Generationen stammten: Nicht nur Ältere, sondern auch junge Erwachsene wurden befragt; Letztere kamen meist über Musikvereine. Über die Interviews in Deißlingen haben wir aktuell berichtet.
„Das Buch ist ein Grundlagenwerk“, erklärte Klausmann, der bereits einen Sprachatlas für Baden-Württemberg geschrieben hat. Das Hochdeutsche, „ein Kunstprodukt“, dringe in die Dialekte ein. „Die Leute halten das Norddeutsche für des Richtige, das Süddeutsche für das Falsche“, hat er nicht nur aus eigener Anschauung vielerorts festgestellt (was er übrigens eindeutig als falsch bezeichnet). Dennoch: „Es stimmt nicht, dass der Dialekt verschwindet.“ Ein Teil, nämlich der landwirtschaftliche Wortschatz, sei zwar verschwunden. Aber es gebe neue Begriffe, die problemlos dem Schwäbischen angepasst würden.
Auch auf einen anderen Vorteil des Sprechens von Dialekt und Schriftdeutsch für die Menschen wies er hin: „Die Mehrsprachigkeit ist gut fürs Gehirn und hervorragend, um Fremdsprachen zu lernen.“
„Der Dialekt ist ein erhaltenswertes Kulturgut“, sagte der in Schwenningen geborene und aufgewachsene Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel. Die dem Buch zugrunde liegende Forschung räume mir „der Mär“ auf, dass Alemannisch nur im Rheintal gesprochen werde. Die Sprache mache nicht an jetzigen oder früheren Grenzen Halt. Im Südteil des Kreises werde eher alemannisch gesprochen, im Norden Schwäbisch, und dazwischen gebe es Übergangsformen. Er lobte die Gemeindeverwaltungen, die für Bühler die Kontaktpersonen ausgesucht haben. Und hob auch den früheren Rottweiler Archivar Dr. Winfried Hecht hervor, auf dessen Anregung das Buch zurückgehe.
Lob erhielt Michel von Klausmann: „Es gibt wenige Landräte, die das verwirklichen, was sie vor Publikum versprechen“, sagte er. Landrat Michel verteidigte seine Kollegen: „Mehr als Sie denken.“ Doch Klausmann hatte nicht auf die allgemeine Glaubwürdigkeit der obersten Kreis-Beamten angespielt, sondern nur auf die geringe Anzahl an Kreis-Sprachatlanten.
Und um die eingangs erwähnten Begriffe „schnaikig“ und „schleckig“ zu erklären: Im Norden des Kreises sind die Leute „schleckig“; in großen Teilen wie auch in Deißlingen und Lauffen „schnaikig“ oder „schnäukig“. Nur in Rottweil hat der Forscher beides festgestellt.
Natürlich gibt es so ein Werk nicht für lau- Die Honorarkosten für die Durchführung der Erhebungen und für die Veröffentlichung der Ergebnisse belaufen sich laut Rüth auf 44.700 Euro. Hiervon wurde der Teilbetrag von 14.500 Euro aus Fördermitteln des Zweckverbands Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) finanziert. Und der Kreis hat auch 300 Exemplare des Buchs aufgekauft und dafür etwas über 4299 Euro hingeblättert.
Rudolf Bühler/ Hubert Klausmann: Kleiner Sprachatlas des Landkreises Rottweil, herausgegeben vom Landkreis Rottweil, 176 Seiten. Verlag Regionalkultur, Preis 19,90 Euro. ISBN 978-3-95505-358-1.