
Rottweil – Neue Handlungsräume finden in Zeiten der Wirrnis und Ohnmacht war das Ziel des 8. Forums der Bundesarbeitsgemeinschaft „Den Kindern von Tschernobyl“ (BAG) in Neuwied. Mit dabei waren neben Vertretern aus Belarus, ganz Deutschland und der Schweiz auch vier Mitglieder der Rottweiler “Bürgerinitiative für eine Welt ohne atomare Bedrohung“, die seit 1990 enge und vielfältige Kontakte nach Belarus pflegt.
Am Anfang des Forums standen zunächst Gratulation und Dank an Burkhard Homeyer, der lange Jahre Sprecher der BAG war und für seinen Einsatz um die Tschernobylkinder und sein engagiertes Eintreten für Versöhnung, Völkerverständigung und Frieden in Ost und West das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam. Homeyer kam 1989 mit einer Studentengruppe das erste Mal nach Minsk, in die damalige Sowjetunion, mit dem Gedanken vom „gemeinsamen Haus Europa“ und mit konkreter Hilfe für die Tschernobylgeschädigten Kinder.
Prof. Dr. Irina Gruschewaya berichtete in ihrer Laudatio von dieser ersten und weitreichenden Begegnung mit Burkhard Homeyer. Aus der Begegnung entwickelte sich die größte zivilgesellschaftliche Bewegung zwischen Ost und West mit einem internationalen Netzwerk und allein 250 Initiativen in Deutschland. Irina Gruschewaya sprach vom einem „Strom von Menschlichkeit, der die Angst vor dem Ausland und den Fremden abbaute“. Stand zunächst die humanitäre Hilfe für die Tschernobylkinder im Mittelpunkt, so wurden zunehmend weitere soziale Projekte für Alte, Behinderte und Jugendliche ins Leben gerufen. Mit Kindererholungen, Gastelternreisen, internationalen Jugendprojekten, gemeinsamen Frauenseminaren, Diabetesschulungen und vielen Spendenaktionen für die sozialen Projekte gestaltete auch die Rottweiler Bürgerinitiative diese Ost-West-Partnerschaft mit und dankte Burkhard Homeyer für die engagierte und besonnene Zusammenarbeit seit 34 Jahren.
Als die zivilgesellschaftliche Stiftung „Den Kindern von Tschernobyl“ vom Staat zunehmend unterdrückt und bedroht wurde, wurden die internationalen Partnerschaften zum Schutzschild und zeigten weiter Verlässlichkeit und Unterstützung. Homeyer betonte: „ Nichts fürchtet die Diktatur mehr als die Öffentlichkeit“. Nach der 2020 brutal unterdrückten Revolution „…liegt heute auf Belarus eine schwere Steinplatte, die alles unterdrückt. Aber unter dem Stein gibt es ein bisschen Leben und Hoffnung“, fasste Prof. Dr. Gruschewaya die aktuelle Situation in Belarus zusammen.
Welche Handlungsräume es für die Partnerschaftsinitiativen in Deutschland heute unter dieses schwierigen Bedingungen gibt, war dann das drängende Thema des Forums. „Es gilt neue Antworten auf neue Situationen zu finden und kreativ und mutig neue Projekte aufzubauen und gemeinsam solidarisch sein“, resümierte Gruschewaya. Konkrete Beispiele sind die Hilfen für Belarusen, die sich für Demokratie einsetzten und vor der Verfolgung in die Nachbarländer fliehen mussten oder jetzt als politische Gefangene in den belarusischen Gefängnissen einsitzen. Hilfen zeigen manche Gruppen auch durch Erholungsmaßnahmen für die Kinder der Geflohenen. Und für alle gilt unbedingt die alten, bestehenden Kontakte weiter aufrecht zu halten. „Das ist uns eine riesige emotionale Unterstützung und macht uns Mut“, berichteten die belarusischen Freunde.
Eine enge Zusammenarbeit planen die Initiativen außerdem mit dem Verein „Razam“, eine Interessenvertretung von in Deutschland lebenden Belarusen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, auf vielfältige Weise den Opfern der Repressionen und deren Familien in Belarus Hilfe leisten und die belarusische Kultur aufrecht zu erhalten.