ROTTWEIL – Zunächst hatten Rottweils Klimaschützer der Lokalen Agenda 21 im letzten Treffen Naheliegendes im Blick: Rottweils Dächer und Parkplätze. Und danach schlug Frank Sucker in seiner Präsentation eher vorweihnachtlich-nachdenklich Töne an und stellte die Öko-Denkschule Cradle to Cradle vor. Deren kühne Vision: der Mensch als Nützling und Teil der Natur, der keine Abfälle mehr produziert. Eine intensive Diskussion schloss sich an und schob das Sitzungsende weit weit nach hinten.
Sucht man in Rottweil nach Stätten für Photovoltaikanlagen, landet man wie von selbst auf Dächern oder Parkplätzen. Letztere sind dank ihres Mehrfachnutzens besonders interessant: als Schattenspender und Witterungsschutz. Der Arbeitskreis möchte deshalb mit einem Experten die wirtschaftliche Machbarkeit solcher Anlagen recherchieren. Doch in einem anderen Punkt herrschte schon Klarheit: auf Neubauten in Rottweil sind Photovoltaikanlagen so selbstverständlich wie eine Türklingel. Tübingen ging mit dieser Solarpflicht als Pionier voran und Umweltminister Franz Untersteller riet, diesem Beispiel zu folgen. Angesichts der Dramatik des Klimawandels sei der Einwand einer Bevormundung zweitrangig. Johannes Haug meinte: „Inzwischen akzeptieren alle, dass die Zeit der Glühbirne vorbei und LED angesagt ist.“
In der anschließenden Präsentation versuchte Frank Sucker, Neugier auf die innovative ökologische Denkschule Cradle to Cradle („Von der Wiege zur Wiege“) zu wecken. In großen Teilen der Umweltbewegung gilt der Mensch eher als Schädling, der sich durch Raubbau und Konsumsucht an der heilen Natur versündigt. Das macht die gängigen Appelle zum Verzicht und Ändern des Lebensstils verständlich, um diesen „negativen ökologischen Fußabdruck“ zu verringern. „Doch löst es wirklich unsere ökologischen Probleme, wenn wir nur weniger schlecht sind? Können wir nicht Nützlinge auf diesem Planeten sein?“, fragte der Referent.
Einen radikal neuen Lösungsansatz bietet Cradle to Cradle. Der Mensch ist darin Teil der Natur. Und statt mit aufwändigen Techniken die angerichteten Schäden in Luft, Wasser, Böden zu verringern, hat er ein anderes Wirtschaften im Sinn: mit der Natur statt gegen sie. Entscheidend dabei ist die neue Qualität der Produkte. Diese werden mit erneuerbaren Energien von Anfang an intelligent so gestaltet und hergestellt, dass die verwendeten Materialien sich später problemlos in technische oder biologische Kreisläufe zurückführen lassen. Der biologische Kreislauf umfasst kompostierbare Stoffe und der technische Kreislauf enthält beispielsweise Metalle. Die Natur dient als Vorbild: Ein Kirschbaum etwa ist verschwenderisch in seiner Blütenfülle und kennt doch keine Abfälle.
Öko-Träumereien? Sucker wies darauf hin, dass vor allem rationale Naturwissenschaftler wie der Chemiker Michael Braungart diese Denke vertreten. Und er zeigte das erste konsequent nach diesem Design hergestellte Buch – ohne Schwermetalle oder giftige Lösungsmittel. Immer mehr Firmen lassen sich von diesem Konzept anstecken. Mit den Rathaus in Venlo ist bereits ein stattliches Gebäude errichtet, das die Umwelt nicht belastet, sondern Luft und Wasser reinigt. Die Vision „Ein Haus wie ein Baum. Eine Stadt wie ein Wald“ wird Gestalt.
Sucker schlug vor, sich nicht nur in moralische Verzichtsappelle zu verbeißen, sondern sich genussvoll auf positive ökologische Fußabdrücke zu konzentrieren. Diese optimistische Perspektive spricht vor allem junge Menschen und kreative Geister an, die die darin schlummernde Innovationskraft wittern. Spannend waren in der anschließenden Diskussion diese Fragen: Ist innerhalb dieser Denkschule die Genügsamkeit hinfällig? Ist dieses neue Wirtschaften innerhalb des Kapitalismus möglich? Ist es nicht wünschenswert, neben den materiellen auch ideelle Bedürfnisse zu kultivieren?
Weitere Informationen dazu unter: https://c2c-ev.de
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