Rottweil (gg). Die Narrenzunft Rottweil ist in diesen Tagen mit einer Menge von Vorwürfen konfrontiert. Der vielleicht schwerwiegendste: in ihrer Regulierungs- und Reglementierungswut vergäßen die Zunftchefs die Belange der Narren und würden die Fastnacht an sich schädigen. Das allerdings stimmt so nicht.
Der Teufel steckt im Detail. Etwa im abgebrochenen Schneidezahn eines Musikers. Sinnbild des Gedränges vor und während jedes Narrensprungs oberhalb des Schwarzen Tores. Schmerzhaft für den Musiker und ein Wendepunkt für die Veranstalterin der Sprünge, die Zunft. “Als einem Blasmusiker mal ein halber Schneidezahn abhanden kam, war Schluss”, erzählt Zunftschreiber Prof. Frank Huber der NRWZ. Passiert sei das, als zur Teilung des Sprungs an einem Fastnachtsdienstagnachmittag eine Musikkapelle und die Rössle ins Gedränge eingefädelt worden sind. “Narren stießen an das Musikinstrument und daraus ergab sich das Malheur”, so Huber.
Deshalb könne die Dienstagsmittags-Teilung auch nicht mehr herhalten als Vorlage für eine Teilung etwa der künftigen Montagssprünge, um deren Dauer wesentlich zu verkürzen. Außerdem “wollten immer alle d`Stadt nab und keiner den langen Weg bei geringen Zuschauerzahlen d’Stadt hinaus”, erklärt Huber. Der geteilte Sprung also: ein unbeliebter. So hatte die Zunft auch “mehrmals die unglückliche Situation, dass Kindernarren von den Eltern getrennt wurden und die Kleinsten das nicht sofort bemerkten. Über die Jahre hatten wir immer mindestens ein oder mehrere heulende Kinder hinterm Tor. Die Narrenzunftmannen als Dienstleister fanden zwar jeden Vater wieder, aber das muss alles nicht sein”, sagt der Zunftschreiber und Öffentlichkeitsarbeiter.
So verhält es sich auch mit anderen möglichen Varianten. Der Stauss’schen, zum Beispiel, nach der Einzelhändler Jörg Stauss folgendes vorschlägt: “d’Stadt nab bis zum Spittel, über Johannsgasse/Grafengasse wieder hoch zur Hochbrücktorstraße, von dort dann wieder zum Friedrichsplatz.” Für Narrenmeister Christoph Bechtold deshalb nicht machbar, weil sich in der Grafengasse zwischen Volksbank und Hochbrücke ein gefährlicher Propf bilden könnte – bei herauf drängenden Narren, die oben auf Zuschauer und wartende Narren stoßen. Mit einer Panik bricht dort sofort ein gefährliches Chaos aus.
Die Stau’ssche Variante ist vor zwei Jahren getestet – und dann verworfen worden, berichtet Bechtold der NRWZ. Stauss, damit konfrontiert, aber antwortet wiederum: “Als diese Variante getestet wurde, war ich auch in diesem Stück im Stau gefangen. Genau so darf es natürlich nie mehr organisiert werden. Am schwarzen Tor wird reguliert und klappt es auch. Man könnte die Narren gesteuert bereits ab Badhotel das Nadelöhr passieren lassen. Oder auch über Grafengasse und gleichzeitig über die Kameralamtsgasse in den Sprung einleiten. Nur eine Sache der Organisation! Übrigens: In so einem steilen Stück wie der Grafengasse falle ich bei Glatteis lieber den Berg nuff als nab! Die geplante Variante Grafengasse runter halte ich für extrem gefährlich!”
Dann ist da die Archie-Armleder-Variante. Demnach jucken die Narren beim Montagssprung zunächst wie bisher bis zum Spital hinunter. Dann würden sie sich durch das Koroko-Viertel, zwischen Dominikaner-Museum und „Rosaroter Kirche” zur neuerlichen Aufstellung vor dem Neuen Rathaus zusammenfinden. “Nun stelle man sich den Blick von der Hochbrücktorstraße aus vor, wenn sich der Narrensprung neuerlich in Bewegung setzt, um die Ecke auf den Friedrichsplatz einbiegt und sich nun über die Hauptkreuzung in Richtung Hochbrücke weiter bewegt”, so Reiner “Archie” Armleder in einem Leserbrief.
Dem hält Zunft-Vorsitzender Bechtold entgegen: Oberhalb des Friedrichsplatzes, im Bereich des Neuen Rathauses gebe es keinen ausreichenden Strauraum. Die Narren stauten sich schnell bis zum Kreisel am Kriegsdamm – bis zu dem bislang der Straßenverkehr fließt. Und der Hang zum Dominikanermuseum hin und Richtung Neckartal ist stark abschüssig und nicht abgeschrankt. “Was, wenn Narren dort stürzen?”, fragt Bechtold rhetorisch.
Es wird klar: Bleiben wie bisher kann’s nicht, das hat die Zunft entschieden. Werden, wie sie es beschlossen hat, aber soll es nicht, sagen die Gegner der Zunftlösung, die anscheinend immer mehr werden. Für die Alternativen aber gibt es jeweils gute Gründe – und aus Sicht der jeweiligen Gegner auch K.O.-Kriterien.
Und so bleiben beide Seiten bei ihrer Sicht der Dinge. Die Zunft, weil sie einen legitimen und einstimmigen Beschluss vorweisen kann. Die Gegner, weil sie mit diesem so gar nicht zufrieden sind. Letztere machen mobil, denken darüber nach, Infoblätter an die Rottweiler Haushalte zu verteilen und freuen sich über eine vom “Schwarzwälder Boten” gestartete TED-Umfrage. Die Zunft dagegen bereitet sich intensiv auf die am 23. Januar anstehende Hauptversammlung vor, in der die Anliegen der Gegner vorgetragen werden, und hofft parallel darauf, dass sich die Situation bis dahin befriedet. Über die TED-Umfrage freut sie sich nicht.
An dieser Stelle sei, weil’s so schön passt, an einen großen und leider verstorbenen Freund der Fasnet erinnert: Karl Lambrecht. Als er zuletzt durch das Fasnetskonzertprogramm der Rottweiler Stadtkapelle führte, schlug er, typisch für ihn, eine ganz eigene Führung des Montagssprungs vor: “d’ Stadt nab, unta in d’ Wirtschaft und anschließend malerisch über alle vier Straßenzüge des Hauptkreuzes verteilen – fertig! Dann wär’s maximal Elfe und alle hättet was davo.”