Rottweil (gg). Ernüchterung nur einen Tag nach der großen Gala zur Grundsteinlegung für den neuen ThyssenKrupp-Aufzugstestturm: Die Stadtverwaltung hat den Haushaltsentwurf für 2015 vorgelegt. Kämmerer und Bürgermeister Werner Guhl geht im Moment von einem Defizit in Höhe von 1,14 Millionen Euro aus, bei einem Gesamtvolumen von 59,32 Millionen. Die Folge: nicht allzu lange Gesichter, denn Guhl hatte diese Situation immer wieder vorausgesagt. Und Oberbürgermeister Ralf Broß wusste Rat: Er will die Investitionen überdenken und “gegebenenfalls neue Prioritäten setzen”, weshalb der Gemeinderat kommendes Jahr in Klausur gehen solle. Es gehe um nicht weniger als “die Nachhaltigkeit des städtischen Haushalts”, sagte Broß am Mittwoch.
Guhl wägt ab
Nachdem er sich rhetorisch – denn ein Kämmerer und vor allem Guhl ist immer für eine gemäßigte Ausgabenpolitik – mit der Frage beschäftigt hatte, ob es richtig sei, zu investieren oder falsch, sich zu verschulden, nannte der Bürgermeister die Gründe für das Defizit. Aufgrund der Steuereinnahmen der Vorjahre – die auf Rekordniveau gewesen sind – erhöhten sich zwangsläufig die Transferaufwendungen, es steigen also die Summen, die die Stadt etwa an den Kreis zu zahlen hat und ans Land. Hinzu kämen geringere Schlüsselzuweisungen wiederum an die Stadt.
Außerdem, so Guhl weiter, stiegen die Personalkosten stärker als bislang angenommen. Das liege an Tariferhöhungen und daran, dass zusätzliche Stellen zu besetzen seien.
Situation kommen sehen
Doch komme das alles nicht überraschend, “dies war uns bekannt, darauf haben wir hingewiesen”, sagte Guhl im Namen der Verwaltung an die Stadträte gerichtet. Und die Mehrausgaben beim Personal gehen auf Gemeinderatsbeschlüsse zurück. Sie betreffen etwa die Kinderbetreuung, die Ganztagesschule, die Schulsozialarbeit, Folgerungen aus dem Tourismusleitbild und die Wirtschaftsförderung.
Weiterhin ist die Stadt schuldenfrei. Das aber verführe dazu, “Geld auszugeben, das man gar nicht hat”, warnte Guhl. Zuletzt seien die Aufwendungen sofort der sich verbessernden Einnahmesituation angepasst worden. So seien die Ausgaben in den vergangenen vier Jahren von 53 auf nun mehr als 59 Millionen Euro angestiegen. Guhl nannte dies “mutig für eine Stadt mit nach wie vor mittelmäßigen Steuereinnahmen.” Hinzu kämen Kostensteigerungen in einigen Bereichen von mehr als 30 Prozent in den vergangenen drei Jahren. “Nicht nur in den Schulen und den Kindergärten laufen uns die Aufwendungen davon”, so Guhl.

Investitionen sind nicht rentierlich
Im laufenden Betrieb erziele die Stadt nichts. Die eigentlich dringend notwendige Zuführungsrate vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt, sie bleibt aus. Zugleich leistet sich die Stadt namhafte und teure Projekte, Guhl nannte den Neubau des Feuerwehr-Gerätehauses mit Gesamtkosten von 6,3 Millionen Euro, wovon 1,7 Millionen noch 2015 zu Buche schlagen werden. Oder den Straßenbau mit Kosten von 2,7 Millionen im kommenden Jahr.
Größter Posten im kommenden Jahr: das geplante Parkhaus im Süden der Innenstadt, in der Ruhe-Christ-Straße. Allein dafür plant die Stadt 3,3 Millionen Euro ein, will aber etwa mit dem dazu nötigen Abriss des Hauses Bahnhofstraße 1 noch zuwarten – Fördermittel winken.
Immerhin: Noch reiche das Geld, die Stadt sitze auf liquiden Mitteln von 20 Millionen Euro. Außerdem rechnet Guhl für 2016 schon wieder mit einem leichten Plus – dann aber, 2017 und 18 sackt der Haushalt vollends ins Minus. Guhl sieht die Steuereinnahmen auf einem Höchststand und damit sich künftig zurück entwickeln.
Verschmitzt sagte er zudem: “Ich habe nichts gegen Schulden” – sie sollten aber zu Mehreinnahmen führen oder zu Einsparungen. Das wären “rentierliche Schulden”. So sei das bei der ENRW, wen sie neue Versorgungsgebiete erschließe oder bei der Stadtbau, wenn sie Gebäude saniere. Solche Schulden aber seien im städtischen Haushalt die Ausnahme. Eine finanzielle Rendite gebe es bei den Ausgaben für die Feuerwehr, die Schulen, die Kindergärten und so weiter schlicht nicht.
Die Stadt gebe viel aus, 60 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren, und trotzdem zu wenig. “Es fehlen Spital, Breitband, Straßenbeleuchtung, Probelokal der Stadtkapelle und so weiter”, sagte Guhl. Und in die Innenstadtsanierung, Parkierungsanlagen, Schulsanierungen, Schulerweiterung, Straßensanierung und die künftige Turnhalle in Göllsdorf könne mehr Geld gesteckt werden, so Guhl.
Guhl fordert nachhaltige Finanzpolitik
Guhls Credo deshalb: Die Stadt solle sich zu einer nachhaltigen Finanzpolitik verpflichten. Ziel müsse mittelfristig ein ausgeglichener Ergebnishaushalt sein – schon allein, um die gesetzlichen Vorgaben einhalten zu können, erklärte Guhl. Investitionen müssten deshalb ohne Kreditaufnahme getätigt werden, immer die Foilgekosten im Blick. Andernfalls könnten es die Stadtverwaltung und der Gemeinderat auch mit der Rockgruppe BAP halten: “Was geht uns die Sintflut an, solang man hier noch tanzen kann.”
Broß ruft zur Sparpolitik auf
Wie das gehen soll, dass die Stadt aus den Miesen kommt, sagte Guhl nicht. Das ist auch eher eine politische Aufgabe, also die des Oberbürgermeisters. Er sagte die entscheidenden Sätze fast am Ende seiner Rede: “Gekürzt, gespart, geschoben”, könne wie 2011 schon der Leitgedanke für die nächsten Jahre sein.
Der Gemeinderat sei da in der Pflicht: Er müsse Schwerpunkte des städtischen Investitionsprogramms neu überdenken und Prioritäten gegebenenfalls neu setzen”, sagte Ralf Broß. Die zentrale Frage: “Sind wir bereit, uns für die Finanzierung wichtiger Zukunftsaufgaben zu verschulden?”
Eine Kreditaufnahme habe zwar den Vorteil, dass notwendige Steuererhöhungen oder schmerzhafte Ausgabenkürzungen “in der Gegenwart vermieden werden könnten”, so Broß, Diese Entlastung aber wirke nur kurzfristig. Längerfristig schränke eine städtische Verschuldungsquote “unseren finanziellen und politischen Handlungsspielraum ein.” Ein Kredit verschiebe die Last nur auf die kommenden Jahre und eventuell auf die kommenden Generationen.
OB redete Klartext
Und dann wurde Broß deutlich: “Die Rücklagen sind aufgebraucht. Die liquiden Mittel gehen zur Neige. Wir kommen um schmerzhafte Ausgabenkürzungen nicht herum.” Damit solle sich der Gemeinderat im kommenden Jahr in Sondersitzungen auseinandersetzen.wI