Samstag, 20. April 2024

Rottweil – Familienstadt? Das sehen einige Eltern anders

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Rottweil rühmt sich unter anderem, Familienstadt zu sein. „Rottweil kümmert sich aktiv um Kinder und ihre Eltern“, heißt es etwa, Familienpolitik wurde zu einem der Leitbilder erklärt. Mit vielen Millionen Euro habe die Stadt in Neu- und Umbauten von Kinderkrippen, Kindergärten, Schulen oder Mensen ganz gezielt in die Zukunft investiert. Die Dichte des Bildungs- und Betreuungsangebotes sei vorbildlich. Das sehen einige Eltern anders. Sie haben nun ganz konkrete Forderungen erhoben.

Wie steht es in Rottweil mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Kinderbetreuung ist teuer. Aktuelles Beispiel in Rottweil: der Um- und Ausbau des Kindergartens Bonaventura in der Predigerstraße. Ursprünglich waren Kosten von 2,46 Millionen Euro veranschlagt. Doch die Baukosten liefen davon, es wurden zusätzliche Kita- und Kindergartenplätze eingerichtet, und es kamen Maßnahmen hinzu, die vorher wohl nicht absehbar waren. Am Ende stehen jetzt für Baumaßnehmen und Ausstattung Kosten von 4,6 Millionen Euro. Davon trägt die Stadt allein 3,7 Millionen – also 1,5 Millionen mehr als vor drei Jahren veranschlagt. Und der Gemeinderat steht im Begriff, diese bittere Pille zähneknirschend zu schlucken.

Doch ist Kinderbetreuung und Bildung eines der zentralen Themen in Rottweil. Mit mehr als 30 Bildungseinrichtungen sieht sich Rottweil als „Großstadt“ im Bildungssektor. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde in den Kindertagesstätten sowie mit umfassenden Angeboten zur Ganztagsbetreuung an den Schulen sichergestellt. Unter dem Motto „kurze Beine – kurze Wege“ lege die Stadt Wert auf wohnortnahe Grundschulen, wirbt die Verwaltung. Hinzu kommen zahlreiche städtische Freizeit- und Ferienangebote für Kinder und Jugendliche wie der Rottweiler Ferienzauber und die Kinderspielstadt „Flottweil“. Nun – ersteres machen andere für die Stadt, zweiteres findet nur alle paar Jahre statt.

Ihre ganz eigene Sicht auf die Kinderbetreuung in Rottweil haben einige Eltern jetzt geschildert. Sie trafen sich am Donnerstag am Spielplatz im Stadtgraben. Um zu zeigen, dass sie viele seien, wie es im Vorfeld hieß. So haben die Initiatoren, drei Familien, festgestellt, „dass viele Menschen in Rottweil Probleme wegen der Kinderbetreuung haben“, wie es in der Einladung hieß. Es gehe nicht um Kritik an einzelnen Einrichtungen, es gehe allgemein darum, „zu zeigen, dass unter anderem die gewünschte Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht umsetzbar ist.“

Die Forderungen der Eltern

Zu zeigen, dass sie viele sind, die unter der Situation leiden, hat zunächst nicht geklappt. Eine der Organisatorinnen schildert es so: „Bereits vor der Aktion haben sich viele Eltern abgemeldet, da andere Termine im Weg standen. Manche haben sich schlicht weg nicht getraut. 20 Erwachsene und 18 Kinder haben es trotzdem geschafft.“ Dieser Protest hatte damit 76 Beine, lange und kurze.

Sie halten fest, es gebe …

  • wenig Flexibilität bei den Betreuungsmodellen.
  • in manchen Einrichtungen kein (gesundes) Mittagessen für die Kinder, das heißt, man holt dann zum 13 Uhr hungrige Kinder ab.
  • in Rottweiler Einrichtungen sehr viele Schließtage. Vor allem die lange Sommerpause sei für viele ein Problem. „Die Ferienbetreuung in einer der Rottweiler Einrichtungen möchten viele nicht in Anspruch nehmen, da die Kinder weder die Einrichtung noch das Personal kennen“, heißt es.
  • ein kompliziertes Anmeldeverfahren (vor allem für Menschen, die nicht mit deutscher Sprache und Bürokratie aufgewachsen sind).
  • einen Mangel an Ganztagsplätzen / durchgehende Betreuungszeiten
  • ein Problem nach einem Wechsel von z.B. einem Ganztagsplatz in der Krippe in einen Kindergarten, der nur bis 13 Uhr einen Platz für das Kind anbietet. Das b edeutre, dass oft ein Elternteil zwangsweise die Arbeit und entsprechend das Einkommen reduzieren müsse.
  • schwer zu vereinbarende Betreuungszeiten für U3, Ü3 und Schulkinder.

Es sei den Eltern „bewusst, dass Kinderbetreuung Geld kostet und in diesem Bereich massiver Personalmangel herrscht“, schreiben die Familien weiter. „Trotzdem fragen, wir uns, warum es eine Stadt wie Rottweil, die sich als ‚Familienstadt‘ bezeichnet, nicht schafft, eine dem Jahr 2022 angemessene Kinderbetreuung zu bieten. Viele Gemeinden machen es doch gut vor.“

Nun hoffen sie darauf, dass das Thema in der Stadt mehr Aufmerksamkeit erhält. „Und dass auch der Gemeinderat die Kommentare der Eltern berücksichtigt und kreative Lösungen gefunden werden.“ Seitens des Gemeinderats war Stadträtin Elke Reichenbach nach Angaben der Initiatoren bereits vor Ort und hat sich deren Wünsche angehört.

Bildergalerie: Kommentare von Eltern

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Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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