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„Rottweil: Fitnessbranche unter Druck“, Veröffentlicht: Mittwoch, 16. November 2022, 18.35 Uhr

Rottweil: Fitnessbranche unter Druck

Das eine Fitnessstudio kommt den Kundinnen und Kunden mit einer kurzfristigen Preiserhöhung, ein zweites schließt gleich ganz, ein drittes musste bereits Insolvenz anmelden: Die Fitnessbranche in Rottweil ist – wie überall – unter Druck. Erst Corona, jetzt steigende Energiepreise sind offenbar verantwortlich. Wir hätten das gerne genauer gewusst. Allerdings mauern die Studiobetreiber, reagieren nicht auf unsere Anfragen. Fast alle.

Beispiel „Aktiv Fit“ in der Königsberger Straße: Seit 7. November ist das Studio geschlossen. In einer Erklärung auf der Facebook-Seite heißt es wörtlich: „5,5 Jahre habe ich gekämpft und zwei Lockdowns überstanden, aber in den letzten Monaten haben ich und mein Team noch mehr als jemals versucht hier weiter machen zu können.“ Doch sei die Entscheidung unumstößlich: Das Studio wird geschlossen, die Verträge werden fristlos gekündigt. „Hätten wir gekonnt, hätten wir euch gerne mehr Vorlaufzeit gegeben, aber das lag leider nicht in unserer Hand“, so das Fazit.

Beispiel „Aktifit“ in der Tuttlinger Straße: Ähnlicher Name, anderes Studio. Dort kam der endgültige Todesstoß bereits Anfang Oktober. „Durch Beschluss des Amtsgerichts Rottweil vom 01.06.2022 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Gesellschaft ist durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst“, heißt es in den Insolvenzbekanntmachungen. Eröffnet wurde das Insolvenzverfahren im März. Das Unternehmen ist bereits vom Markt verschwunden. Im Coronajahr 2020 machte es einen Verlust von 456.000 Euro und war offenbar nicht mehr zu retten.

Beispiel „Body&Soul“ im Neckartal: „Eine Ära geht zu Ende.“ So leiteten die Betreiber des „Body&Soul“ ihre Nachricht ein, mit der sie im Februar 2022 ihre Kunden informierten. Im Januar 2006 hätten sie sich voller Zuversicht und Enthusiasmus ihren Traum vom eigenen kleinen Fitnessstudio erfüllt. Es war ein Nebenerwerb, so Mit-Betreiberin Gabi Temesberger seinerzeit auf Nachfrage der NRWZ. Das Studio sei nie wirklich profitabel gewesen. Sie hätten es dennoch nicht einfach aufgeben wollen. Und dann kam Corona: „Das hat uns den Rest gegeben“, so Temesberger. Lange hätten die beiden versucht, den Widrigkeiten zu trotzen, haben nach eigenen Angaben alles dran gesetzt, dass es weitergeht. Sie hätten „aber letztendlich nichts mehr tun“ können (wir haben berichtet).

Beispiel „AKA Fitness“ unter anderem in Zimmern: Die Betreiber haben am Montag ihre Kundinnen und Kunden angeschrieben. Demnach plant man eine „Tarifumstellung“, die Abschaffung der günstigeren „Basic“-Tarife. Künftig sollen die Kunden den „All-Inklusive-Tarif“ bezahlen, der gegenüber den Basistarifen noch Massagen und den Zugang zum Spa-Bereich und an zwei der drei Standorte Duschen und Sauna beinhaltet. Zehn Euro mehr wollen die Betreiber haben. Und das ab 1. Dezember 2022 bereits, also in knapp 14 Tagen. „Alle alten Tarife“ würden zu diesem Zeitpunkt umgestellt. Ob das rechtlich so möglich ist, bleibt unklar. Die Verbraucherzentrale, die unlängst schon erfolgreich gegen weiterlaufende Mitgliedsbeiträge während der Coronaschließungen gekämpft hatte, rät in ähnlich gelagerten Fällen, Widerspruch einzulegen. AKA Fitness hat diese mutmaßliche Möglichkeit des Widerspruchs beziehungsweise der Sonderkündigung im Zuge der faktischen Preiserhöhung in seinem Schreiben an die Kundinnen und Kunden nicht erwähnt.

Eine Anfrage der NRWZ bei „AKA Fitness“ zu dieser Kundenmail wird beantwortet, als ginge sie an einen Kunden. In dieser Antwortmail steckt dann allerdings der Verweis auf ein Sonderkündigungsrecht auf 30. November 2022. Weiter heißt es in der Mail: „Leider ist es uns, wie dem Rest der Wirtschaft, nicht möglich, unser Geschäft auf die bisherige Weise weiter zu halten. Deshalb bitten wir um Verständnis, dass auch wir uns der aktuellen Wirtschaftslage und den steigenden Energiepreisen leider beugen müssen.“

Es gibt einige weitere Studios in Rottweil, etwa „clever fit“ in der Tuttlinger Straße: Die Betreiber richten sich aktuell mit besonderen Angeboten an sogenannte Studiowechsler. Die Offerte: ein Nachlass bei der Anmeldegebühr und im ersten Jahr der Mitgliedschaft für die Beiträge.

„clever fit“ ist ein Franchisekonzept. Die Zentrale in Landsberg am Lech adressiert die aktuellen Probleme – etwa die Energiekrise. „Insbeson­dere Branchen, die einen erhöhten Bedarf an Wärme und Licht haben, ringen damit“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Dazu zählten auch die bereits von Corona stark betroffenen Fitnessstudios mit ihren 11,7 Millionen Mitgliedern im Land. Sie seien durch ihren Flächenbedarf an Wärme und Licht erneut stark betroffen. Das Dachunternehmen startete daher einen „Aufruf für mehr Unterstützung und für eine angemessene Wahrneh­mung der Sportstudio­gemeinschaften, die als Dienstleister an der Gesellschaft einen großen Beitrag zur körperlichen und mentalen Gesundheit der Menschen in Deutschland leistet.“

Die Branche benötige wie viele andere auch einen Preisdeckel für Gas, Strom, Wärme. „Wir machen die Preise nicht, aber die gesamte Fitness-Familie muss damit leben können“, stellt etwa Florian Kündgen fest, stellvertretender Geschäftsführer des DSSV, dem Arbeitgeberverband der deutschen Fitness – und Gesundheitsanlagen. Mit einer großen Energieeinsparungs-Kampagne zu den Themen Wärme, Licht, Lüftung, Beratung und Förderung unterstütze der Verband bereits seine Mitglieder aktiv mit relevanten Informationen. Denn die Branche treffe die erneute Energiekrise zum jetzigen Zeitpunkt hart, habe sie doch immer noch mit den Folgen mehrerer Lockdowns wegen Corona mit Mitgliederschwund und Fachkräftemangel zu kämpfen. Bis Mitte 2021 habe die Branche knapp 25 Prozent  weniger Mitglieder und einen wirtschaftlichen Schaden von 24,5 Prozent zum Vorjahr 2019 davongetragen.

Alfred Enzensberger, CEO des Franchise-Fitnessanbieters clever fit GmbH, der mit 511 Studios international zu Europas größten Studioanbietern der Branche gehört, geht noch einen Schritt weiter. Er sieht den Beitrag der Fitness-Branche für die Gesundheit der Menschen als systemrelevant: „Ich werde nicht müde, immer wieder auf die Denkweise hinzuweisen, dass es gerade in den jetzigen Zeiten darum geht, den Kopf oben zu halten. Angesichts der vielen negativen Nachrichten, wie Klimakrise, Corona, Ukraine-Krieg, Inflation und jetzt auch noch der Energiekrise braucht es ein Äquivalent, um Entlastung für die stark angestrengte Psyche zu schaffen. Wir als Fitness-Franchisegeber bieten für unsere fast 1 Million Mitglieder eine Auszeit von bedrückenden Ereignissen – eben körperliche und mentale Entspannung.

Auf eine Anfrage der NRWZ vom Montagabend hat der lokale Franchisenehmer in Rottweil bislang nicht geantwortet.

„bodyloft“ in der Königstraße: Man habe Kapazitäten frei, heißt es dort, biete diese für günstiges Geld an. Gerade, wer glaube, keine Zeit zum Trainieren zu haben, sei in diesem Studio richtig, so die Botschaft.

„Ja, wir haben unter der Coronapandemie gelitten“, sagt Studioleiter Jens Strohmaier auf Nachfrage. „Während der zehn Monate der kompletten Schließung haben wir Mitglieder verloren, aber konnten keine Neumitglieder gewinnen. Jetzt sind wir wieder dabei, den Mitgliederstamm zu erhöhen.“

„bodyloft“ sei ein Microstudio von knapp 120 Quadratmetern. „Der Vermieter hat vor kurzem die Heizung umgebaut, weshalb uns die Energiekrise bis jetzt nicht so stark trifft wie möglicherweise größere Studios“, ergänzt Strohmaier.

Im Vergleich zu früher achte man noch mehr darauf, „wie wir die Strom- und Heizungskosten niedrig halten können.“ Andere Maßnahmen seien bis jetzt nicht geplant.

„Fitness Rottweil“ auf der Saline: Gegen den Trend wird hier in diesen Tagen eine Stelle ausgeschrieben, man sucht einen Physiotherapeuten (m/w). Zudem macht eine Veröffentlichung auf der Facebook-Seite des Studios von vor wenigen Tagen Hoffnung. Darin werden „zahlreiche Neumitglieder“ begrüßt. „Das Mitgliederwachstum ist wichtig und Voraussetzung dafür, dass wir trotz gestiegener Preise die Beiträge auf einem sehr fairen Niveau ohne eine Beitragserhöhung halten können“, heißt es weiter.

Hinweis: Wir waren uns sicher, an alle genannten Studios am Montagabend unsere Fragen gesandt zu haben. Nicht jedoch an „Fitness Rottweil“. Wir haben dies nun nachgeholt und reichen hier die Antworten entsprechend nach.

„Injoy“ auf der Saline: Auch dort wird eine Stelle angeboten. „Für Empfang und Rezeption suchen wir in Halbtagsstellung Service-Mitarbeiter m/w/d“, heißt es.

Ansonsten: Die Krise scheint gemeistert – im April 2020 sind die Betreiber Georg Breitenreuter, Romina Kopp und Reinhilde Fink noch an die Öffentlichkeit getreten, haben in einem Schreiben unter anderem an Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel die Erlaubnis zum Weiterbetrieb während des Coronalockdowns gefordert. Die Gesundheit der mehreren Tausend Mitglieder erfordere das. Der regelmäßige Fitnessstudiobesuch sei hilfreich gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, hohe Triglycerid-Werte, fehlende Muskulatur (die zu tödlichen Stürzen führt) und anderem. Außerdem drohe eine Insolvenzwelle, argumentierten sie damals. Gehör fanden sie nicht.

Wir wollten wissen, wie es den Studiobetreibern heute geht. Eine E-Mail vom Montagabend blieb bislang unbeantwortet.

„Pearl Fitness“ in der Wilhelmstraße: Dieses Studio bietet ebenfalls aktuell freie Stellen an: Fitnesstrainer, Kursleiter, Reinigungskräfte (m/w). Überdies postet das Unternehmen online etwa Kurspläne. Eine Anfrage der NRWZ vom Montag blieb bisher unbeantwortet. Von „Pearl Fitness“ wie von allen anderen wollten wir wissen: „Leiden Sie, leidet Ihr Studio unter der Coronapandemie und der Energiekrise?“ Und: „Welchen Weg gehen Sie, um steigenden Kosten entgegenzutreten?“

„Seal Fitness“ im Neckartal: Hier scheint etwas Ruhe eingekehrt zu sein, der letzte Facebook-Eintrag stammt vom Januar, der zweitletzte wünscht ein frohes neues Jahr 2022. Eine Anfrage der NRWZ vom Montagabend blieb unbeantwortet.

„Mrs Sporty“: Diesen Frauenfitnessclub gab es in Rottweil schon. In der Königstraße. Das Konzept geht auf Steffi Graf, die Tennislegende zurück, wird im Franchisesystem betrieben. Aktuell kann man/frau sich um die Wiedereröffnung bewerben – das nötige Startgeld und die gewünschten Eigenschaften vorausgesetzt.

Vielleicht sind in Berlin, in der Zentrale des Franchisebetriebs, in der dortigen Pressestelle, alle damit beschäftigt, sich fit und gesund zu halten. Eine Anfrage der NRWZ vom Montagabend blieb bisher jedenfalls unbeantwortet.

 

 

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