ROTTWEIL – Statt eines Verbots der Corona-Spaziergänge fordert die Stadt Rottweil ihre Bürger auf, nicht an solchen Versammlungen teilzunehmen (siehe auch gesonderten Bericht). Der Appell soll im Internet und in der örtlichen Presse veröffentlicht werden – also hier. Am Rathaus setzt die Stadt zudem mit einem Banner ein Zeichen für die Corona-Schutzimpfung.
Wie in vielen Städten und Gemeinden waren auch in Rottweil Menschen dem Aufruf in den sozialen Medien gefolgt, ihrem Unmut über die Corona Maßnahmen durch vermeintliche „Spaziergänge“ Ausdruck zu verleihen. „Dabei handelt es sich jedoch um Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz, die im Vorfeld bei den Behörden angemeldet werden müssen“, so die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung. Sofern dies nicht erfolge, würden die „Spaziergänge“ rechtlich betrachtet einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellen und können aufgelöst werden.
„Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut“, so die Stadtverwaltung weiter. Vor einer Auflösung sei die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme abzuwägen. Die Stadt hat nach ihren Angaben die Zusammenkünfte zusammen mit der Polizei von Anfang an kritisch beobachtet und sich stets weitere Maßnahmen vorbehalten. Da die „Spaziergänge“ bislang friedlich verlaufen sind, sei ein Eingreifen oder eine Auflösung insbesondere nach der Prämisse der Verhältnismäßigkeit nicht geboten gewesen. Die Entwicklung der Teilnehmerzahl bereitet der Stadt jedoch nach eigenen Angaben zunehmend Sorge, zumal Masken- und Abstandsregeln nicht eingehalten werden.
Anmeldung führt nicht zum Verbot
Es wäre bereits viel erreicht, wenn die „Spaziergänge“ durch die Organisatoren angemeldet würden, argumentiert die Verwaltung weiter. Auch wenn das Versammlungsrecht verfassungsrechtlich einen hohen Stellenwert innehat, sei dieses Recht nicht schrankenlos. Dazu gehöre eben die Anmeldung einer Versammlung spätestens 48 Stunden vor Versammlungsbeginn, damit etwa die Wegeführung mit Polizei und Ordnungsbehörde abgestimmt oder auch mögliche Gegendemonstrationen zur Sicherheit der Teilnehmer, aber auch unbeteiligter Dritter koordiniert werden können. „Mit der Untersagung einer ordnungsgemäß angemeldeten Versammlung ist nicht zu rechnen“, verspricht die Verwaltung.
Verbot scheitert an Verfügbarkeit von Einsatzkräften
„Wir haben im Hause ein Verbot von unangemeldeten Versammlungen geprüft und mit der Polizei diskutiert. Dabei sind auch die Erfahrungen von Städten eingeflossen, die bereits Versammlungsverbote über eine städtische Allgemeinverfügung ausgesprochen haben. Berücksichtigt haben wir auch die Städte, die keine Allgemeinverfügung erlassen haben und dennoch Schauplatz von unangemeldeten Spaziergängen sind“, so Oberbürgermeister Ralf Broß laut der Pressemitteilung. „Selbstverständlich könnten wir jederzeit ein Verbot aussprechen. Ein Verbot ist jedoch so lange nutzlos, wie es nicht auch von den Kräften der Landespolizei umgesetzt werden kann und hier liegt der Knackpunkt“, so der OB weiter.
Stadt und Polizei befürchten, dass sich trotz Versammlungsverbot weiterhin „Spaziergänger“ einfinden werden. Für diesen Fall hätte die Polizei keinen Handlungsspielraum und müsste die Versammlung auflösen. „Die Erfahrungen der Kollegen aus anderen Städten machen jedoch zweierlei deutlich: Zum einen, dass der Einsatz von Polizeikräften zu diesem Zweck nicht zu einer friedlichen Auflösung führt. Im Gegenteil. Widerstand gegen die Auflösung und tumultartige Szenen sind dann vorprogrammiert. Zum anderen, dass nicht genügend Polizeibeamte zur Verfügung stehen.“
„Für den Fall der zu erwartenden Auflösung der Versammlung sind wir darauf angewiesen, dass zum fraglichen Zeitpunkt genügend Einsatzkräfte der Polizei vor Ort verfügbar sind“, macht Broß weiter deutlich. „Da in vielen Städten zeitgleich demonstriert wurde, war dies in den vergangenen Wochen nicht möglich und auch für die Zukunft kann das Polizeipräsidium Konstanz die erforderliche Personalstärke nicht sicherstellen. Auch das Innenministerium, mit dem wir Kontakt aufgenommen haben, macht da keine Hoffnung. Daher müssen wir davon ausgehen, dass ein städtisches Versammlungsverbot vom Land nicht durchgesetzt werden kann und ins Leere läuft. Das ist eine ernüchternde Erkenntnis. Insofern verstehe ich jeden Unmut und die Enttäuschung all derjenigen, die angesichts der unangemeldeten ,Spaziergänge‘ ohne Maske und Abstand ihr Unverständnis zum Ausdruck bringen.“
Rottweil zeigt anderen Weg auf
Rottweil will nach Angaben der Stadtverwaltung einen anderen Weg aufzeigen und setzt auf den gesunden Menschenverstand der Bürgerinnen und Bürger. „Mein Dank gilt all denjenigen, die besonnen und geduldig die Corona-Schutzmaßnahmen mittragen, auch wenn diese uns alle auf eine harte Probe stellen“, sagt der OB. Angesichts der sich aktuell aufbauenden Omikron-Welle appelliert die Stadt erneut eindringlich an alle Bürgerinnen und Bürger, sich gegen eine Teilnahme an jenen „Spaziergängen“ und für Werte wie Solidarität, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein zu entscheiden.
Noch vor dem Wochenende will die Stadt Rottweil ein erstes Zeichen im Rahmen ihrer Kampagne pro Infektionsschutz und Coronamaßnahmen setzen: Am Alten Rathaus wirbt dann ein großes Transparent für die Corona-Schutzimpfung. Weitere Informationen und der komplette Appell finden sich ab Samstag auf www.corona-ist-kein-spaziergang.de.
Broß abschließend: „Wir alle sind gefordert, für unsere Demokratie und die Einhaltung demokratisch verfasster Spielregeln einzustehen. Denn nur miteinander, als Gesellschaft, die zusammensteht, werden wir diese Pandemie überwinden können.“
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