ROTTWEIL, 27. Oktober (gg) – Mittels eines Fachanwalts für Bau- und Architektenrecht wehren sich die künftigen Nachbarn der drei geplanten Wohnhäuser am Turmweg gegen die Stadt. Sie planen ein Normenkontrollverfahren. Denn sie halten die bisherige Angrenzerinformation im Bebauungsplanverfahren für unzureichend, die vorhandene Straße für den künftigen Verkehr für zu schmal und das Projekt für zu groß dimensioniert. Bauamtsleiter Lothar Huber bringt das nach eigenen Angaben nicht in Bedrängnis.
Ich verstehe, was die Anwohner bewegt. Aber vielleicht sollte man die Sache mit etwas Abstand betrachten.’ Das rät Bauamtsleiter Lothar Huber den Menschen vom Turmweg. Auch jenen ist daran gelegen, die Emotionen, die in der Bürgerfragestunde der jüngsten Gemeinderatssitzung hochgekocht sind (wir berichteten) zurück zu stellen.
‘Uns geht es um die Fakten’, sagt völlig aufgeräumt am Montagmorgen Peter Androt im Gespräch mit der NRWZ. Der Effekta-Geschäftsführer wohnt am Turmweg, direkt gegenüber dem geplanten Neubauprojekt. Er kündigt für die kommenden Tage einen offenen Brief an Stadtverwaltung und Gemeinderat an, der zurzeit noch vom Baurechtsexperten geprüft werde, Rechtsanwalt Martin Wangler aus Villingen. Mit dessen Hilfe wollen die Leute vom Turmweg das Verfahren noch kippen und nach Androts Einschätzung ist das offenbar möglich.
Der Knackpunkt: ‘Es hat keine Angrenzerinformation stattgefunden’, sagt Androt, der nach eigenen Angaben für 95 Prozent derer spricht, die bereits am Turmweg wohnen. ‘Ich habe von der Stadt an einem Freitag einen Brief erhalten, in dem es um einen Bebauungsplan Tannstraße und Schramberger Straße ging. Den habe ich sofort weggeschmissen’, so Androt. Der Brief könne unmöglich etwas mit ihm zu tun haben, hatte er damals geglaubt. Und dennoch: ‘Tannstraße – Schramberger Straße’ heißt nun mal das Gebiet, um das es geht, und auf dem drei Mehrfamilienhäuser mit 22 Wohnungen geplant sind.
‘Es sind während der Offenlage wenig Anregungen eingegangen’, bestätigt Bauamtsleiter Huber der NRWZ. Klar – nachdem kein Mensch drauf gekommen ist, dass es sich um ein Gelände handelt, das ausgangs des Turmwegs links gleich vor dem Krankenhaus liegt. Doch Huber wendet ein: ‘Der Bebaungsplan heißt eben ‘Tannstraße – Schramberger Straße’, damit ist das Projekt korrekt öffentlich bekannt gemacht worden.’ Die Stadt habe außerdem einen Lageplan beigelegt, aus dem eindeutig hervorgegangen sei, dass es um das Turmweggrundstück geht. Und, er bestätigt die Berichterstattung der NRWZ, auch die lokale Presse habe seinerzeit den Bauplatz richtig verortet und das auch veröffentlicht.
Huber bestätigt: Anwalt Wangler will mit diesem Argument den Bebauungsplan kippen. Das Verfahren sei nicht richtig gelaufen, die Anwohner seien nicht richtig informiert worden. Sollten die Anwohner mit einem Normenkontrollverfahren Erfolg haben, kann im Extremfall der Bebauungsplan für unwirksam erklärt werden. Huber aber bleibt ganz gelassen: Er glaubt nicht, dass das passiert. Der Bebauungsplan sei rechtskräftig, er gehe auf Kreiskrankenhauszeiten zurück. Mit dem Verkauf durch Helios ist die frühere Expansionsfläche eben auf den Markt gekommen. Und ein Rottweiler Immobilienunternehmen hat zugeschlagen.
So sieht die Rechtslage aus:Die Gemeinde benachrichtigt nach der Landes-Bauordnung die Eigentümer angrenzender Grundstücke von einem anstehenden Bauvorhaben. Je nach Verfahren, haben die Angrenzer dann zwei oder vier Wochen Zeit, zu reagieren und Einwendungen vorzubringen. Die Einwendungen werden inklusive Stellungnahme der Verwaltung an die Baurechtsbehörde weiter geleitet. Diese prüft im Wesentlichen die Einhaltung von Normen zum Schutz Dritter – etwa der Nachbarn.
Das Problem: Sich durch Abgabe einer Stellungnahme zu beteiligen, dient nicht nur dazu, auf die Planung einzuwirken. Umgekehrt kann es zur Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrages auf Überprüfung des Bebauungsplans durch das Oberverwaltungsgericht beziehungsweise in letzter Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof führen, wenn man sich am Planaufstellungsverfahren nicht beteiligt hat. Was aber, wenn man sich nicht beteiligt hat, weil man nicht gewusst hat, dass man Betroffener ist? Das ist die spannende Frage.
In der ganzen Argumentationskette der Anwohner und ihres Anwalts findet Huber nach eigenen Angaben jedenfalls keinen Punkt, das das Projekt kippen könnte. Als da laut Huber wären: drei Bauten statt Natur. ‘Das ist nachvollziehbar, aber wir sind gehalten, den Innenbereich zu verdichten’, sagt Huber. Der Vorwurf, dass mehrstöckig gebaut werden dürfe, während die bestehenden Häuser am Turmweg nur 1,5 Stockwerke haben dürften. ‘Das geht auf den bestehenden Bebauungplan zurück’, so Huber, der für das Neubauprojekt eben nur geändert werden solle. Auf der Krankenhausfläche sei sogar fünfstöckiges Bauen erlaubt, die Verwaltung ginge mit dem neu vorgelegten Bebauungsplan extra auf zwei Stockwerke zurück. Da habe die eine Turmweg-Straßenseite schlicht nichts mit der anderen zu tun.
Und dann das Argument von der Verkehrsbelastung. Bereits heute sei es so: ‘Wenn ich dem Müllwagen hinterherfahren muss, dann komme ich zu spät ins Büro’, so der Effekta-Chef gegenüber der NRWZ. Vorbei komme er an dem Laster den ganzen Turmweg entlang nicht. So eng gehe es dort zu. ‘Wir gehen davon aus, dass die Leistungsfähigkeit der Straße den zusätzlichen Verkehr wird aufnehmen können’, antwortet Huber.
Doch Androt und mit ihm weitere namhafte Rottweiler wollen kämpfen. Er gibt unumwunden zu, dass es ihn auch stört, dass er einer von den drei Anliegern ist, der eine Tiefgaragenausfahrt vor die Nase bekommen soll. ‘Man kann das ganz anders planen’, glaubt er. Da scheint aber Konsens mit der Stadtverwaltung zu herrschen: ‘Wir sind bereits auf den Investor zugegangen’, bestätigt Huber der NRWZ. ‘Wir sind ja noch nicht am Ende, wir haben immer noch die Möglichkeit, etwas zu ändern.’ Huber spricht davon, dass die Baukörper vielleicht noch verschoben werden könnten, so weit wie möglich weg vom Turmweg – aber eben innerhalb des gewählten Grundstücks. Es könne auch ein Gehweg angelegt werden auf der Seite der drei Neubauten, noch ist dort keiner.
‘Wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand’, versichert Huber. Doch am Ende werde die Stadtverwaltung dem Investor Baufreigabe erteilen, wenn nicht ein Gericht das Verfahren stoppt. Dass das passiert, glaubt Huber, wie gesagt, nicht.