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„Warum steht der Anhänger da (so im Weg)?“, Veröffentlicht: Donnerstag, 3. September 2020, 7.27 Uhr

Warum steht der Anhänger da (so im Weg)?

Seit ein paar Wochen steht ein Wohnanhänger in der viel befahrenen Tuttlinger Straße in Rottweil. An sich nicht meldenswert, an sich ein chinesischer Sack Reis – aber er parkt halt schon ganz schön im Weg. Tausende Auto- und vor allem Lkw- und Busfahrer müssen wegen der Kiste bremsen. Wir wollten wissen, warum der Anhänger da so steht.

Wem das Gefährt gehört? Das ist schnell geklärt, schon im Vorbeifahren. Denn es steht drauf: einem gewissen Dieter E. Albrecht. Darauf weist eine auf dem Hänger abgedruckte Internetadresse hin. Und das Nummernschild erzählt davon, was der Anhänger offenbar mal gewesen ist: ein Werbemobil für die Freien Wähler anlässlich der Landtagswahl 2016. Sie holten damals landesweit 0,9 Prozent der Stimmen. In Rottweil rangieren sie unter „Sonstige“, ihre Kandidatin, Carmen Spiegelhalder-Schäfer, schaffte es auf überdurchschnittliche 1,2 Prozent der Stimmen. Aber wir schweifen ab.

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Der Anhänger, hübsch sauber gegenüber einer Tankstelle an den Gehwegrand geparkt, behindert auf der viel befahrenen Tuttlinger Straße durchaus den Verkehr. Fast alle, die jedenfalls während der Rushhour gegen 16 Uhr an diesem Mittwoch stadteinwärts vorbeiwollen, müssen bremsen und ausweichen, viele auf die Gegenspur, über den Mittelstreifen. Und die entgegenkommenden müssen Platz machen.

Einer scheint das genau so zu wollen: Dieter E. Albrecht. Man kennt ihn in der Stadt: 54 Jahre alt, Unternehmer, Ex-Stadtrat der Freien Wähler und Ex-Bürger- und Oberbürgermeisterkandidat. Nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat und seinem Rückzug aus dem ehrenamtlichen öffentlichen Leben 2015 ist es ruhig um ihn geworden. Würde da nicht immer wieder dieser Anhänger im Weg stehen und an ihn erinnern.

Zunächst einmal zur Gesetzeslage

Wir haben ihn gefragt, warum der Wohnwagen da so abgestellt worden ist. Albrecht zeigt sich gewappnet. Er antwortet ausführlich und zunächst zum Hintergrund:

Vorausgeschickt: Es handelt sich um ein zugelassenes, versteuertes und versichertes Fahrzeug, welches als Hänger in der Gewichtsklasse unter 2 Tonnen 14 Tage ohne Zugfahrzeug davor (mit unbegrenzt und unbeleuchtet) beleuchtet an jeder innerstädtischen Straße geparkt werden darf, wo es nicht verboten ist, sofern 3,05 Meter zum nächsten Fahrbahnrand, zur nächsten durchgezogenen Linie bzw. zum nächsten Fahrzeug noch an Durchfahrt etc. frei bleiben bzw. es nicht auf Schachtdeckeln oder auf der Höhe von Richtungspfeilen steht, um die wesentlichen Bedingungen für einwandfreies Parken mal herauszustellen. Siehe auch StVO mit Kommentaren.

Dann wäre das mal klar.

Wie lange steht der Anhänger schon da?

Die NRWZ hatte vermutet, dass das Ding so schon monatelang in der Tuttlinger Straße steht. Das weist Albrecht zurück: „Der Wohnwagen parkt nicht monatelang in der Tuttlinger Straße“, sagt er. „Er parkt dort seit wenigen Wochen und wird spätestens alle 14 Tage ‚umgestellt’“ (was sich von den Zeitangaben her ein bisschen beißt, Anm. des Verfassers). Albrecht erwägt aber, das Gefährt dort stehenzulassen, „da mir der Parkplatz gefällt und mutmaßlich keine Anwohner sich gestört fühlen.“ Das wäre ihm aber egal, denn es wäre nach seinen Worten „rechtlich irrelevant“.

Vorher parkte der Wohnwagenanhänger laut Albrecht wochenlang in der Schramberger und der Hausener Straße. Davor parkte er jahrelang in der oberen Heerstraße. Die NRWZ erinnert sich: oben, auf Höhe des Schulzentrums, stand der Anhänger. Lange. Das stimmt.

Ein Synonym für Parkplatznot?

Das fiel auch der Ordnungsbehörde auf. Die habe Albrecht „nach Jahren gebeten, die obere Heerstraße möglichst nicht mehr zu nutzen, da mein Fahrzeug im Stadtrat wohl zum Synonym für die Parkplatznot an den Schulen wurde, nachdem das Edith-Stein-Institut dort geöffnet hatte“, wie er erzählt. Er habe also für einen Stellplatzmangel gesorgt. „Das ist natürlich ein Witz, denn das eine Fahrzeug macht diese Not nicht“, antwortet der Ex-Stadtrat.

Albrecht, der frühere Kommunalpolitiker, sieht das so: „Es handelt sich wohl eher um eine verfehlte Verkehrs- und Parkraumpolitik des Rates. Man kann nicht mit grüner Ideologie keine Parkplätze wollen, um die Menschen in den ÖPNV oder auf das Fahrrad zu zwingen und verkennen, dass dies die erwachsenen Schüler wie auch die Lehr- und Verwaltungskräfte, teils von auswärts, auch mit ungünstigen ÖPNV-Anbindungen, einfach nicht tun.“ Da sei es einigen Räten der CDU und von den Grünen „gerade recht“ gewesen, mit dem Finger auf sein Fahrzeug zeigen zu können, „um vom eigenen politischen Versagen ablenken zu können.“ Also „idealerweise auch noch auf das vom ‚Dieter E. Albrecht’“, wie er ergänzt. Mutmaßlich wohl darum wissend, dass sich an ihm die Geister scheiden. Und das mit einem Lächeln in Kauf nehmend.

Stellplatz mit „hoher sozialer Kontrolle“ gesucht

Die Parkplätze für seinen Wohnanhänger sucht sich Albrecht nach eigenen Angaben danach aus, „wo viel Verkehr ist, damit eine hohe ’soziale‘ Kontrolle stattfindet.“ Das versuchen wir mal einzuordnen. Unter „sozialer Kontrolle“ versteht man „jene Prozesse und Mechanismen, mit deren Hilfe eine Gesellschaft versucht, ihre Mitglieder zu Verhaltensweisen zu bringen, die im Rahmen dieser Gesellschaft positiv bewertet werden.“ Soll der Anhänger den Verkehr bremsen? Raser behindern? Steckt also ein erzieherischer Aspekt dahinter? Das haben wir Albrecht gefragt.

Nichts mit Raser bremsen: Er suche „bevorzugt Parkmöglichkeiten“, bei welchen „möglichst wenig Behinderung und in der Regel Begegnungsverkehr gegeben ist“, erklärt Albrecht. „So auch in der Tuttlinger Straße, wo bequem zwei Busse, oder zwei Pkw zuzüglich Fahrradfahrer auf dem gegenüberliegenden Fahrradstreifen problemlos mit 50 Kilometern pro Stunde begegnend neben meinem Wohnwagen noch vorbeikommen“, ergänzt er. Pkws müssen nach seinen Worten „noch nicht einmal die Mittellinie beim Vorbeifahren überfahren“. Viele tun’s.

„Soziale Kontrolle“ meint demnach, dass der Wohnwagen de facto fast immer unter Kontrolle oder Beobachtung steht, entweder durch Anwohner und/oder durch rund um die Uhr vorbeifahrende Fahrzeuge. „Damit minimiert sich die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls oder Einbruchs“, so Albrecht. „An üblichen Wohnwagenparkplätzen oder etwa auf dem Stadionparkplatz und sowieso in Gewerbegebieten“, ergänzt er, „ist das Risiko vielfach höher, auch wenn mein Wohnwagen mehrfach gegen Diebstahl gesichert ist“. Drinnen sei „außer etwas Kaffee, Nudeln, Pesto und einigen Gewürzen sowie Plastikgeschirr ohnehin nichts zu holen“, ergänzt Albrecht. Und trotzdem würden solche Fahrzeuge immer wieder Ziel von sinnlosen, nur Schaden verursachenden Einbrüchen.

„Hier war ich schon“

Der Anhänger weist übrigens auch darauf hin, wo Dieter E. Albrecht – das E steht für Edwin – beziehungsweise sein Anhänger überall schon gewesen ist. Orangefarbene Punkte zeigen auf einer stilisierten Europakarte vor allem Stellen in Frankreich, Italien, der Schweiz und Österreich. 

„Hier war ich schon“. Foto: gg

Er ist also viel unterwegs mit seinem Gefährt. Daher hat es die vergangenen Jahren nicht so sehr gestört. „Zu Corona-Zeiten fällt das Fahrzeug nun etwas mehr auf, da ich nicht auf meine durchschnittlichen 100 Tage Reisezeit komme“, so Albrecht. 

Darauf, dass sein Wohnanhänger aber kein Werbefahrzeug ist, legt der reisende Unternehmer Wert. „Hänger welche zu Werbezwecken im öffentlichen Raum abgestellt werden“, erklärt Albrecht, „benötigt der Besitzer eine Genehmigung zur Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsraumes. Ansonsten darf dieses Werbefahrzeug überhaupt nicht öffentlich geparkt werden.“ 

 

 

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