Nachdem am vergangenen Sonntag coronabedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Tennenbronner Ortsvorsteher einen Kranz am Kriegerdenkmal in Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt niedergelegt hat, macht dieser Geschichtsspurenbericht von unserem Gastautor Robert Hermannn auf drastische Weise die Grauen des Krieges ein weiteres Mal sichtbar:

Seit Veröffentlichung des Buches „Das Leben im Nationalsozialismus in Tennenbronn“ werden immer wieder bisher unbekannte Zeugnisse aus dieser Zeit dem Tennenbronner Heimathaus zur Verfügung gestellt. So auch ein Brief, der vom schlimmen Tod des Sohnes des ersten Tennenbronner Fotografen Heinrich Martin berichtet. Der Brief vom 22. Oktober 1941, der an die Mutter des Kriegsfotografen gerichtet ist, wurde von einem Kriegskameraden aus dem Kampfgeschwader 55 geschrieben.
Heinrich Martin junior war während des Zweiten Weltkrieges als „Kriegsbild-Berichterstatter“ bei mehreren Einsätzen der Luftwaffe an Bord von Aufklärungsflugzeugen und Bombern. Er war vor allem über Frankreich und England eingesetzt und ist beim Abschuss seines Flugzeuges in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1941 ums Leben gekommen:
Liebe Frau Martin, ich war also bei der 1. Gruppe des Geschwaders, dem Heiner zuletzt angehört hat. Mit dem noch einzigen lebenden Offizier aus Heiners Gruppe habe ich lange gesprochen. (…) Zwei der Männer von Heiners Besatzung, der Oblt. Lumma und der Bordmechaniker Kretschmann sind an der holländischen Küste angespült und beigesetzt worden. Der Staffel selbst ist nicht mehr als diese Tatsache mitgeteilt worden.
Über das Schicksal der anderen Besatzungsmitglieder herrscht nach wie vor Ungewissheit. So schwer es mir fällt, muss ich Ihnen jedoch sagen, dass diese Ungewissheit für die Männer der Staffel zwischenzeitlich durchaus zur Gewissheit geworden ist, nämlich, dass die Kameraden und Ihr Heiner nicht mehr wiederkommen. Das Flugzeug ist mit anderen zu einem Bombereinsatz über dem Ärmelkanal Richtung England gestartet, hat aber keine Abwurfmeldung mehr abgegeben. Da zwei Flieger der Besatzung angespült wurden schließt die Staffel, -unter Zugrundelegung aller Erfahrungen-., dass das Flugzeug beim Anflug von einem englischen Nachtjäger angegriffen und abgeschossen worden ist. Da die schwere Maschine sich beim Absturz nicht auf dem Wasser halten kann muss man annehmen, dass sie sofort in den Fluten verschwunden ist. Durch die beim gewaltigen Aufprall zerstörten Scheiben sind wohl zwei der toten Kameraden aus der Maschine herausgespült worden und dann später an der holländischen Küste angetrieben worden. Das ist mit dürren Worten der Tatbestand, so, wie man ihn heute mit ganz großer Sicherheit annimmt.
Oft wird hier im Kameradenkreis auch von Heiner gesprochen. Gerade vorgestern wurde in abendlicher Runde von einem Streich Heiners berichtet. Frohes Lachen herrschte und ich musste plötzlich daran denken, dass jetzt Heiner wieder richtig unter seinen Kameraden weilte, unter Kameraden, die ihm immer sehr nahestanden. Ich habe ihn auch nur froh mit munterer Laune kennengelernt und so lebt er unter seinen Kameraden weiter.

Ich weiß, liebe Frau Martin, dass ich Ihnen mit dieser Mitteilung die letzte Hoffnung raube. Das ist hart für eine Mutter, das Schwerste, was der Herrgott jemand bestimmt. Heiner ist für sein Vaterland gestorben und darum ist sein Tod nicht sinnlos. Gewiss sagen Sie sich, dass dieser Tod nicht hat sein müssen, dass der ganze Krieg unnötig wäre. (…) Aber dem ist nicht so. Wenn ich hier noch Zweifel gehabt hätte, dann wären sie mir bei meinem Einsatz hier in Russland vergangen. (Fortsetzung folgt)
Im zweiten Teil des Briefes kommende Woche wird vor allem die Wirkung der Propaganda sichtbar und welcher Verblendung die Soldaten damals ausgesetzt waren.