Die privaten Eigentümer von fünf sanierten historischen Gebäuden wurden heute mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Mit der alle zwei Jahre vergebenen Anerkennung würdigen die Auslober – der Schwäbische Heimatbund und der Landesverein Badische Heimat – deren Vorbildcharakter, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Zu den Ausgezeichneten gehören auch Hans-Jochem Steim und seine Kinder.

„Eines der wichtigsten Anliegen der Landesdenkmalpflege ist es, eine gute und sinnvolle Nutzung für Kulturdenkmale zu finden und diese vor Leerstand oder Zerfall zu bewahren. Die Denkmalpflege berät fachlich und gewährt Zuschüsse über unser Denkmalförderprogramm“, so Staatssekretärin Katrin Schütz. „Allerdings wirken unsere Angebote nur im Zusammenspiel mit dem Engagement privater Denkmaleigentümer. Ohne die Leidenschaft, ein Kulturdenkmal nicht nur für sich, sondern auch sichtbar für die Öffentlichkeit zu erhalten, liefe die staatliche Denkmalpflege weitgehend ins Leere. Die Preisträger des Denkmalschutzpreises 2018 haben mit hervorragenden Nutzungskonzepten, mit großem persönlichen und finanziellen Einsatz kulturelle Schätze des Landes bewahrt und wieder mit Leben erfüllt“, betonte die Staatssekretärin.

Mit dem bereits zum 35. Mal vergebenen und mit jeweils 5.000 Euro dotierten Preis, der unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht, wurden die Eigentümer eines bis ins Mittelalter zurückgehenden Hauses in Ulm, des über 400 Jahre alten Rebleutehauses des Klosters Salem in Sipplingen, eines Handwerkerhauses aus dem späten 18. Jahrhundert in der Stuttgarter Leonhardsvorstadt, eines ehemaligen Backhauses mit Uhrenturm in Forchtenberg sowie des markanten Terrassenbaus Junghans von 1916 in Schramberg ausgezeichnet. Auch die beteiligten Architekten erhielten eine Anerkennung.
Leuchttürme in der Denkmallandschaft
Für Josef Kreuzberger, Vorsitzender des Schwäbischen Heimatbundes, zeigen „die denkmalgerecht sanierten Objekte „beispielhaft die Vielfalt und den Reichtum der Denkmallandschaft in Baden-Württemberg. Doch nur die dauerhafte Nutzung stellt auch für die Zukunft die Bewahrung des baulichen Erbes sicher“, betonte er vor rund 250 Gästen in Ulm. Die Preisträger nannte er „Vorbilder für unsere Bürgergesellschaft, die einen Preis wie diesen mehr als verdient haben“.

Der hochrangig besetzten Jury unter dem Vorsitz von Dr. Gerhard Kabierske, Wissenschaftler am Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau in Karlsruhe, waren bei der Auswahl der Preisträger besonders die Einbindung neuer Nutzungen sowie die Verknüpfung von historischer Substanz mit angemessenem Weiterbauen in aktuellen Formen und Materialien wichtig.
Der Vorstandsvorsitzende der Wüstenrot Stiftung, Joachim E. Schielke, zeigte sich besonders erfreut darüber, dass mit dem Terrassenbau in Schramberg ein „herausragender Industriebau des frühen 20. Jahrhunderts“ ausgezeichnet wurde, was die Intention der Wüstenrot Stiftung unterstreicht, Wertschätzung für junge Denkmale zu schaffen, die nicht im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen. Dr. Volker Kronemayer, stellvertretender Vorsitzender des Landesvereins Badische Heimat, zeigte sich tief beeindruckt, wie viele Bürger in diesem Bundesland den Gedanken des Denkmalschutzes mit ihren eigenen finanziellen Mitteln und ihrer jeweils persönlichen Einstellung mittragen.
Terrassenbau der Uhrenfabrik Junghans in Schramberg
2009 kauften die aus Schramberg stammenden Unternehmer Hans-Jochem und Hannes Steim die bekannte Firma Junghans, den einst weltgrößten Uhrenproduzenten. Nach einer Phase des Niedergangs läuteten sie ein neues Kapitel für das seit 1861 bestehende Schramberger Traditionsunternehmen ein.

Neben zahlreichen Fabrikgebäuden auf dem stadtteilgroßen Firmengelände wurden die Steims auch Eigentümer des sogenannten Terrassenbaus. Das Gebäude, das sich in neun Etagen eindrucksvoll den steilen Hang hinaufstaffelt, zählt zu den Inkunabeln des deutschen Industriebaus im frühen 20. Jahrhundert. Typologisch ist es singulär, bedingt durch die beengten Grundstücksverhältnisse der Fabrik im engen Schwarzwaldtal und aufgrund des Bedarfs an großen Sälen für die feinmechanische Montage.
Lange Werkbänke sollten direkt an Fenstern stehen. Planer war der bedeutende Stuttgarter Industriearchitekt Philipp Jakob Manz, der hier mit einer rationalen Betonskelettkonstruktion die funktionale Ästhetik der Zwanziger Jahre vorwegnimmt, ohne dabei auf ein gewisses Pathos zu verzichten, das von der Symmetrie der Anlage herrührt, aber auch vom Kontrast der strengen Flachdacharchitektur der terrassierten Arbeitssäle zum Stakkato der Walmdächer auf den seitlich flankierenden Pavillons den Hang hinauf.

Im Innern bieten die langgestreckten, talwärts weitestgehend in Glasfronten aufgelösten Säle sowie die seitlichen Treppenhäuser, die einen Höhenunterschied von über 21 Metern zu bewältigen haben, bei aller Funktionalität auch Perspektiven von geradezu theatralischer Raumwirkung. Bautechnik, Materialität und die Gestaltung der Details vermitteln größte Solidität – „Wertarbeit“ im sprichwörtlichen Sinn.
Doch stellt das Bauwerk nicht nur aus gestalterischen, sondern auch aus historischen Gründen ein Kulturdenkmal dar. Errichtet 1916–18 mitten im Ersten Welt-krieg, ist es wie andere Manz-Bauten dieser Jahre ein aussagekräftiges Zeugnis für die damaligen Anstrengungen von Politik und Industrie, die Waffenproduktion für die verheerenden Materialschlachten in nie gekannte Ausmaße zu steigern. Und Junghans spielte damals als Lieferant von feinmechanischen Teilen eine kriegswichtige Rolle.

Im Frieden tat der Bau gute Dienste für die Junghans’sche Uhrenfabrikation, bis veränderte Produktionsbedingungen und die Geschäftsentwicklung zu immer stärkerem Leerstand und mangelnder Bauunterhaltung führten. In den 1980er-Jahren war die denkmalgerechte Reparatur der Dächer zwar eine den Bau sichernde Maßnahme. Die fehlende adäquate Nutzung ließ die weitere Existenz des Gebäudes indes als unsicher erscheinen.
Es war ein Glücksfall, dass die neuen Eigentümer – neben Dr. Hans-Jochem Steim auch dessen Kinder Cathrin Schroer, Annette Steim und Hannes Steim – die Qualitäten des Terrassenbaus erkannten und ihn zum Museum für ihre durch Erwerbungen erweiterte bedeutende Uhrensammlung bestimmten. 2016 bis 18 erfolgte unter Leitung der Schramberger Architekten Jürgen Bihlmaier und Arkas Förstner eine denkmalpflegerisch rundum vorbildliche Sanierung der Bausubstanz, die in allen Bereichen unter dem Vorzeichen behutsamer Reparatur und befundorientierter Wiederherstellung stand.

Besonders kreativ gelöst erschien der Jury das Problem der behindertengerechten Erschließung des Gebäudes mit seinen vielen Geschossen. Ein Substanz schonender, außen liegender Schrägaufzug vor der Südseite vermittelt nun zwischen den neun Museumsebenen. Dort wurde ohne große Eingriffe mit dem Anbau eines Glasfoyers auch der neue Besucherzugang geschaffen.
Dr. Hans-Jochem Steim: „Anerkennung für alle Beteiligten“
„Der Preis ist eine Ehre und Anerkennung für alle, die an diesem Projekt mitgewirkt haben“, betonte Dr. Hans-Jochem Steim nach der Übergabe. Mit der Auszeichnung werde die große Leistung der Planer, Handwerker und Designer gewürdigt, das verlassene Gebäude vor dem weiteren Verfall zu retten und den Junghans Terrassenbau zum Wahrzeichen der Stadt zu machen. „Jetzt sind wir alle stolz darauf, dass dieses einmalige Industriegebäude in neuer Blüte erstrahlt“, sagte Dr. Steim.

Ausführliche Informationen zu den ausgezeichneten Objekten und zu allen bisherigen Preisträgern gibt es im Internet unter www.denkmalschutzpreis.de.