Zeitlebens hat sich Rolf Linkenheil dazu bekannt, ein „echter Schramberger“ zu sein. Die Beiträge, die der Historiker und Journalist in 50 Jahren über Schramberg schrieb, sind stadtgeschichtliche Klassiker. Am Sonntag ist er im Alter von 83 Jahren in seiner Heimatstadt verstorben.
„Er kennt nicht wenige Städte auf verschiedenen Kontinenten. Schramberg liebt er.“ Mit dieser Liebeserklärung unter dem Titel „Kein Nachwort – ein Bekenntnis“ beendete Rolf Linkenheil im Jahr 1981 ein Buch über Schramberg, für das ihn der damalige Oberbürgermeister Roland Geitmann (1941-2013) als Hauptautor gewonnen hatte. Obwohl seine journalistische Karriere dazu führte, dass die bayrische Landeshauptstadt München zu seinem Lebensmittelpunkt wurde, blieb er auch seiner alten Heimatstadt im Schwarzwald mit einem zweiten Wohnsitz stets treu.
In seiner geliebten Heimatstadt ist der weltoffene Zeitgenosse am Sonntag nun auch überraschend verstorben. In seiner Jahrgangsfamilie und in seinem Freundeskreis trauert man um einen klugen Kopf, einen liberalen Geist, einen brillanten Schreiber, einen großen Kunstfreund, einen humorvollen Gesellschafter, einen warmherzigen Gastgeber und vor allem um einen liebenswerten Mitbürger, der sich um seine Heimatstadt verdient gemacht hat. Dabei blieb er immer bescheiden und war stets zur Stelle, wenn er als „echter Schramberger“ etwas für seine Heimatstadt tun konnte. Anstand, Charakter, Ehrlichkeit und Toleranz waren Grundzüge seiner authentischen Persönlichkeit.
Rudolf Linkenheil wurde am 6. Januar 1936 als einziges Kind des Katastergeometers Rudolf Linkenheil (1880-1939) und seiner zweiten Ehefrau Monika Linkenheil (1900-1987) in Rottweil geboren. Als „echter Schramberger“ hätte er immer lieber gerne den Namen der Heimatstadt in seiner Geburtsurkunde gesehen.
Sein Vater war seit seiner Niederlassung in Schramberg im Jahr 1904 als Katastergeometer eine der profiliertesten Persönlichkeiten der aufstrebenden Industriestadt, der maßgeblich die Stadtplanung beeinflusste, als Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei (FVP) und Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in der Landes- und Kommunalpolitik mitwirkte und zu den führenden Köpfen des Schwarzwaldvereins gehörte. In der Zeit des Nationalsozialismus war das Schicksal der Familie von der Amtsenthebung seines gesundheitlich ohnehin sehr angeschlagenen Vaters und seiner Einweisung in eines der ersten Konzentrationslager überschattet.
Im Alter von 39 Jahren verlor Monika Linkenheil ihren Mann und war seitdem mit ihrem Sohn alleine. Sie arbeitete als Lehrerin an der Oberschule und prägte mehrere Schülergenerationen, denen sie bis heute mit ihrer lebendigen Art in guter Erinnerung geblieben ist. In der Tradition ihres Ehemannes schloss sie sich beim demokratischen Neubeginn der FDP an und gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg als erste Frau von 1956 bis 1962 dem Gemeinderat der Stadt Schramberg an.
Nach seinem Abitur im Jahr 1954 wurde er gleich „Werkstudent“ im „Weckerbau“ der Uhrenfabriken Gebrüder Junghans. Bei der Akkordarbeit hatte er eine der wichtigsten Begegnungen seines Lebens, da ihm der Fabrikarbeiter Karl Männle (1920-1986) vermittelte, was „Solidarität“ bedeutet. In München studierte der junge Schramberger dann Neuere Geschichte, Mittlere Geschichte und Zeitungswissenschaft.
1956 gab ihm Gebhard Straub (1916-2001), der Verleger des „Schwarzwälder Tagblattes“, die Möglichkeit zu einem Zeitungsvolontariat in seiner Heimatstadt. Im Redaktions- und Verlagshaus in der Berneckstraße 20 lernte er bei dem damaligen Lokalredakteur und späteren Staatssekretär Theo Balle (1925-2015) das journalistische Handwerk von Grund auf und brachte es darin in seinem Berufsleben zu hoher Meisterschaft.
In dieser Zeit begann auch seine lebenslange Freundschaft mit dem Stahlbildhauer Erich Hauser (1930-2004), der von 1952 bis 1959 in Schramberg lebte. Unter dem Titel „Die Stadt eines Künstlers“ würdigte er 1995 in der „Stuttgarter Zeitung“ die „Symbiose“ zwischen Erich Hauser und Schramberg anlässlich der Neugestaltung der Katholischen Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt.
1962 promovierte er bei Franz Schnabel (1887-1966) in München mit einer Dissertation zur deutsch-französischen Geschichte im 19. Jahrhundert. Bei den Recherchen in Paris knüpfte er im Frühjahr 1958 im Auftrag von Bürgermeister Konstantin Hank (1907-1977) aus Schramberg die ersten Kontakte zu Bürgermeister Raymond Fischer (1898-1988) in Hirson und war damit einer der Geburtshelfer der noch im gleichen begründeten deutsch-französischen Städtepartnerschaft. Über ihre Entstehungsgeschichte hielt er zum 40-jährigen Jubiläum im Jahr 1998 eine Festrede, die als überzeugtes Bekenntnis zum Friedenswerk der europäischen Einigung ein bleibendes Vermächtnis darstellt.
Von 1962 bis 1964 lernte er bei einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Amman und in Tunis die arabisch-islamische Welt kennen. 1965 verheiratete er sich mit Marlene Blumberg aus Duisburg und gründete eine Familie, der zwei Töchter geschenkt wurden. Von 1966 bis 1968 war er Politikredakteur bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Leutkirch, bis er 1968 die Chance erhielt, deren Bayernkorrespondent in München zu werden. 1967 brachte er sich mit dem Beitrag „Unternehmergeist – Bürgerfleiss – Gastlichkeit“ in das Buch „Das ist Schramberg“ zum 100-jährigen Stadtjubiläum ein.
1978 wechselte er zur „Stuttgarter Zeitung“, für die er weiter aus Bayern berichtete, bis er 2001 in den Ruhestand gehen konnte. Der Landtag des Freistaates Bayern zeichnete ihn 1993 mit der Goldenen Verfassungsmedaille aus, der seltensten Auszeichnung dieses Bundeslandes, die bisher nur 355 Personen erhalten haben.
Seinen Ruhestand wusste er in München und in Schramberg zu genießen. 2008 schrieb er das Buch zum Dreier-Jubiläum der Schramberger Turnerschaft 1858 (150 Jahre), des Sportvereins Sulgen (100 Jahre) und der Spielvereinigung 08 Schramberg (100 Jahre).
Zum 150-jährigen Stadtjubiläum arbeitete er im Jahr 2017 zuletzt nochmals voller Leidenschaft für seine Heimatstadt an dem von Johannes Grimm herausgegebenen und von Rainer Langenbacher gestalteten Buch „Ansichtssache2. Spaziergänge durch Schrambergs Straßen“ mit. Kurz vor seinem Tod konnte er seine Schwarzwaldheimat noch einmal in der beginnenden Frühjahrsblüte erleben. Seine Freunde aus Schramberg werden auf sein Grab in München einen Tannenzweig legen.