Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus lädt Oberbürgermeister Thomas Herzog auch in diesem Jahr die Bürgerschaft wieder zu einer Gedenkfeier ein. In einem anschließenden Vortrag wird Ehrenbürger Herbert O. Zinell in Zusammenarbeit mit Carsten Kohlmann vom Stadtarchiv und Stadtmuseum Schramberg über Oberbürgermeister Eugen Ritter berichten. Kohlmann erläutert dazu:
„In der berühmten Satirezeitschrift „Simplicissimus“ erschien in der Ausgabe vom 21. März 1927 eine Karikatur von Thomas Theodor Heine (1867-1948) über die Weimarer Republik, die in vielen Geschichtsbüchern zu sehen ist, weil sie wie kein anderes Bild prägnant für das tragische Schicksal der ersten deutschen Demokratie steht, die in der Erinnerung oft als „Republik ohne Republikaner“ bezeichnet wird.
Die einzelnen Figuren stehen für unterschiedliche Gruppen und Lager der damaligen Zeit, die sich oft sehr feindlich gegenüberstanden, so dass Thomas Theodor Heine unter seine Karikatur die besorgte Frage schrieb: „Sie tragen die Buchstaben der Firma – aber wer trägt den Geist?!“
In der Industriestadt Schramberg, geprägt von den Parteien der „Weimarer Koalition“ aus Deutscher Demokratischer Partei (DDP), SPD und Zentrum, hatte die erste deutsche Demokratie dagegen in der Bürgerschaft einen starken Rückhalt. An der Spitze der Stadtverwaltung repräsentierte der parteilose Stadtschultheiß und (seit 1927) Oberbürgermeister Eugen Ritter (1880-1940) den Geist der Weimarer Republik. Unter dem ausgezeichneten Verwaltungsjuristen mit langjähriger kommunalpolitischer Erfahrung machte die Stadtentwicklung große Fortschritte, obwohl die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oft außerordentlich schwierig waren.
In der Weltwirtschaftskrise machte sich aber auch in Schramberg eine zunehmende politische Radikalisierung bemerkbar, die am 6. Dezember 1931 zur Wahl des Kommunisten Oskar Andreas Wössner (1898-1942) und der beiden Nationalsozialisten Karl Flaig (1895-1976) und Ernst Rümelin (1892-1967) in den Gemeinderat führte, mit deren links- und rechtsradikaler Agitation sich die Stadtverwaltung seitdem auseinandersetzen musste.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Oberbürgermeister Eugen Ritter im Lauf des Jahres 1933 zunächst aus „gesundheitlichen Gründen“ beurlaubt, am Ende jedoch letztlich nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus politischen Gründen entlassen.

In der Präsentation wird Herbert O. Zinell im ersten Teil die bisher noch nicht aufgearbeiteten Konflikte von Eugen Ritter mit den Kommunisten und Nationalsozialisten darstellen. Im zweiten Teil wird Carsten Kohlmann auf der Grundlage eines umfangreichen Manuskriptes von Eugen Ritter über seine Amtsenthebung berichten. Die herausragende Quelle wird erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und ist weit über Schramberg hinaus von landesgeschichtlicher Bedeutung.
Info: Die Gedenkfeier beginnt am Montag um 18.30 Uhr mit der Gedenkrede und Kranzniederlegung von Oberbürgermeister Thomas Herzog am Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus am Mühlegraben. Die anschließende Präsentation „Oberbürgermeister Eugen Ritter – Vor- und Nachgeschichte seiner Amtsenthebung in der NS-Zeit“ findet um 19 Uhr in der Mediathek statt. Der Eintritt ist frei. Lehrer und Schüler werden zu dieser Geschichtsstunde in Kooperation mit der Organisation „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ besonders eingeladen.
Bildtexte:
(1) Karikatur über die Weimarer Republik von Thomas Theodor Heine in der Zeitschrift „Simplicissmus“ vom 21. März 1927.
(2) Oberbürgermeister Eugen Ritter in seinem Dienstzimmer im Rathaus der Stadt Schramberg auf einem Foto um das Jahr 1930.
Fotos: Stadtarchiv Schramberg