Vor 90 Jahren kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht – in Schramberg kam es dagegen zu einer Großdemonstration der Sozialdemokraten und Kommunisten.
Die Demonstration am 6. Februar 1933 – heute wie damals ein Montag zu Beginn der Arbeitswoche – war eines der bis heute größten stadtgeschichtlichen Ereignisse. Nach Feierabend zog ein großer Teil der Arbeiterschaft mit Kampfliedern von den Betrieben in die Innenstadt, um sich dort zu zwei aufeinander folgenden Kundgebungen der SPD und der KPD einzufinden.
Generalstreik: ja oder nein?
Auf dem Rathausplatz waren schließlich etwa 2500 Menschen mit Fahnen und Transparenten zusammengeströmt, auf denen mehrfach ein Generalstreik gegen die Hitler-Regierung gefordert wurde, zu dem die KPD bereits aufgerufen hatte. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) gab dieser Forderung aber nicht nach – aus Sorge vor den Risiken in einer ohnehin bereits bürgerkriegsartigen Situation inmitten der damaligen Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit.
Die von der Polizei beobachtete Großdemonstration verlief abgesehen von kleinen Rempeleien ruhig. Die Stimmung war jedoch auf das Äußerste angespannt, zudem einige Nationalsozialisten umherschlichen, von denen einer unverhohlen „den Wunsch aussprach, ein Maschinengewehr zu besitzen, damit er in dieses Gesindel hineinfeuern könne.“
Auch wenn es im Deutschen Reich einige solcher Demonstrationen gab, vor allem in den Zentren der Arbeiterbewegung, kam es nur in einem einzigen Ort in Ansätzen zu einem Generalstreik – in der Gemeinde Mössingen zwischen Hechingen und Tübingen. Aber auch in Schramberg mit seiner starken sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterschaft lag ein Generalstreik in der Luft.
Am 6. Februar 1933 verbreitete sich in der Umgebung das Gerücht, „daß der Generalstreik in Schramberg ausgebrochen sei.“ Ein eigenständiges Vorgehen ohne gewerkschaftliche Rückendeckung war in Schramberg aber keine Option: „Die Leute im Kinzigtal mögen sich beruhigen. Der Generalstreik wird seinen Ausgang nicht von Schramberg nehmen.“
„Die letzten politischen Ereignisse haben in dem sonst so ruhigen Schramberg wie eine Bombe gewirkt. Überall stehen in den Straßen diskutierende Menschen, die das neue Kabinett nicht gerade liebenswürdig kommentieren“, schrieb die SPD-Zeitung „Schwarzwälder Volkswacht“ am 31. Januar 1933 über die örtliche Stimmung, nachdem einen Tag zuvor Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte. Mehrfach gingen in dieser Zeit auch die zahlreichen Arbeitslosen in Schramberg auf die Straße.
SPD und KPD gemeinsam
Nachdem sich Sozialdemokraten und Kommunisten als „feindliche Brüder“ zuvor hart bekämpft hatten, wurde allerdings auch in Schramberg klar, was jetzt die Stunde geschlagen hatte. Die „Schwarzwälder Volkswacht“ schrieb: „Mit Kritik und Faust in der Tasche ist heute nichts getan, jetzt heißt es, geschlossen und in breiter Front zum Angriff übergehen. Die Rechte des deutschen Volkes, die Rechte der deutschen Arbeiterklasse sind so ernstlich bedroht, daß es über die eingeschlagene Taktik keine Meinungsverschiedenheiten mehr geben darf. Einigkeit und Geschlossenheit ist der oberste Grundsatz, wenn die Abwehrbewegung gegen die Reaktion mit Erfolg geführt werden soll.“
Vor diesem Hintergrund beschloss am 31. Januar 1933 eine Betriebsrätevollversammlung den „Massenaufmarsch“ der Arbeiterschaft. Die Einladung der SPD zu einer gemeinsamen Demonstration wurde indes von der KPD abgelehnt, die stattdessen im Anschluss an die Kundgebung der „Eisernen Front“ mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Albert Pflüger (1879 bis 1965) aus Stuttgart eine eigene Kundgebung mit dem KPD-Landtagsabgeordneten Otto Vollmer (1894 bis 1978) aus Stuttgart ansetzte.
Beide Kundgebungen ergaben aber letztlich doch ein einheitliches Bild und waren von einer bemerkenswerten gegenseitigen Annäherung geprägt: „Der Wunsch ist, dass diese Einigkeit im kleinen Format sich auf das Ganze übertragen möge und in ganz Deutschland eine Arbeiterbewegung entsteht, die geschlossen und einig zum Kampf bereit ist, zum Kampf, der auch unser Sieg sein wird.“
Kurz darauf fiel aber der Vorhang – und es wurde finster in Deutschland und in Schramberg, als der Nationalsozialismus eine beispiellose Gewaltherrschaft errichtete. Es ehrt die Schramberger Arbeiterschaft bis heute, dagegen bis zuletzt gekämpft zu haben.
Die Fotografik zu diesem Bericht gibt es als Stiftung eines alten Schrambergers auch als Postkarte. Sie ist gegen eine Spende für das Stadtmuseum Schramberg ab morgen dort erhältlich.