Zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe hat Richter Wolfgang Heuer am Montagnachmittag eine 29-Jährige Frau aus dem Raum Schramberg verurteilt. Sie hatte vier Mal ihrem Freund Gift unter ein Vesperbrot gemischt. (Wir haben berichtet.)
Nach Ansicht des Richters ist die Täterin in ihrer Persönlichkeit schwer gestört und muss sich unbedingt behandeln lassen. Heuer hat ihr eine vierjährige Bewährungsfrist auferlegt. Sie bekommt einen Bewährungshelfer, muss sich ein Jahr lang einmal pro Woche in psychiatrische Behandlung begeben, 200 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten und sich eine Arbeit suchen.
Schmerzensgeld?
Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages im Oberndorfer Amtsgericht hatte nochmals als Zeuge der ehemalige Freund und das Opfer der Giftanschläge ausgesagt. Heuer wollte wissen, ob dieser schon wegen Schmerzensgeld nachgedacht habe. Nein, habe er nicht. Heuer schlug vor, über einen Vergleich, 10.000 Euro von der Angeklagten einzufordern. Nach einer Bedenkzeit der Parteien, stimmte der Verteidiger der jungen Frau dem Vorschlag zu. Der junge Mann aber wollte lieber eine unabhängige Klage einreichen.
Der Neue
Als weiteren Zeugen befragte Heuer den jetzigen Freund der Angeklagten. Der 23-jährige Verkäufer gab an, er habe die 29-Jährige über ein Internetportal kennen gelernt und sie seien seit dem 11.11. 2017 zusammen. Sie habe ihm gleich von der Anklage berichtet und erklärt, es täte ihr leid, was sie da gemacht habe. Es sei eine Kurzschlusshandlung gewesen. Gefragt, ob er sich denn keine Gedanken mache, vielleicht auch mal ein Giftopfer zu werden, meinte der junge Mann: „Ich vertraue ihr.“
Die Plädoyers
Die Staatsanwältin schilderte noch einmal die vier Taten und kam in ihrer Bewertung zu dem Schluss, dass für die vier Fälle gefährliche Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder lebensgefährdende Behandlung eine Strafe von zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung angemessen wäre. Falls das Gericht sich für eine Bewährungsstrafe entscheide, müsse die Angeklagte aber eine mindestens zweijährige Therapie machen. Das Verfahren wegen des illegalen Waffenbesitzes hatte sie zuvor eingestellt, weil die Strafe im Vergleich zu den anderen Vorwürfen eher gering ausfallen würde.
Der Verteidiger Ulrich Müller-Arenz schloss sich den Ausführungen der Staatsanwältin an. Er sprach von „psychischer Abartigkeit“ seiner Mandantin. Ihre Waffensammlung zeuge von eingeschränktem Selbstbewusstsein. Auch er forderte die psychiatrische Behandlung und wünschte ihr einen „Bewährungshelfer, der ihr auf die Finger schaut“. In ihrem letzten Wort schloss sich die Angeklagte ihrem Anwalt an.
Das Urteil
In seiner Urteilsbegründung erklärte Richter Heuer, es sei eine Verantwortung, die seinesgleichen suche, die er mit dem Urteil übernehme. Eine Fehleinschätzung seinerseits „kann zum Tod eines Menschen führen“. Anders als der psychiatrische Gutachter sei er zu dem Schluss gekommen, dass die Angeklagte eine gestörte Persönlichkeit habe und damit möglicherweise nur eingeschränkt steuerungsfähig war. „Wie kann ich eine Person, die ich liebe, so quälen“, fragte er. Die Taten seien „heimtückisch, kaltblütig und menschlich niederträchtig“ gewesen. Er habe sich gefragt, was treibt einen Menschen, so etwas zu tun. Laut ihrer Aussage habe sie ihr damaliger Freund versetzt, dafür sollte er bestraft werden. Ihre Taten ließen sich nur mit einer gestörten Persönlichkeit erklären.

Heuer erinnerte an den Vorfall wenige Monate vor den Vergiftungen in der Berufsschule. Da habe die Angeklagte „intimste Dinge“ über das Internet verbreitet und schließlich gefragt: „Gibt es keine anständigen Männer, die es gut mit mir meinen?“ Das sei ein Hilferuf gewesen. Die Polizei habe korrekt gehandelt bei der Aktion in der Schule und bei der Angeklagten zuhause. Später hätten die Beamten aber nicht überlegt, ob die Frau einem Arzt vorgeführt oder in eine Psychiatrie eingewiesen werden sollte. Stattdessen habe die Polizei die Stadt Schramberg informiert – und dann sei nicht mehr passiert.
„Völlig unreife Person“
Das Verhalten der Angeklagten im Gerichtssaal zeige ihm, „dass sie eine völlig unreife Person“ sei. „Sie haben es mit 29 Jahren zu nichts gebracht, Sie sind nichts“, herrschte er sie an. „Sie müssen sich behandeln lassen oder Sie gehen in den Knast“, machte er ihr unmissverständlich klar. Dasselbe gelte, wenn sie die 200 Stunden gemeinnützige Arbeit nicht, wie von ihm auferlegt, nämlich 20 pro Woche, ableiste. Damit solle sie sich wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen. Danach müsse sie eine Arbeit, auch als Hilfsarbeiterin annehmen. „Sie müssen auf den Boden der Tatsachen kommen.“
Während ihr Anwalt das Urteil sofort annahm – „Was besseres kann nicht rauskommen“ – will die Staatsanwältin es zunächst noch prüfen.
Wenige Minuten nach dem Urteilsspruch lagen sich die Angeklagte und ihr neuer Freund auf den Zuschauerplätzen in den Armen und knutschten.