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Mohren: Wie umgehen mit Namen und Wirtshausschild?

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Dieser Tage hat sich die NRWZ mit dem Namen des früheren Gasthauses Mohren am Rathausplatz beschäftigt. David Kuhner hat anhand historischer Dokumente aufgezeigt, dass der Name ursprünglich wohl auf die Gattin des ersten Wirts dieses Gasthauses zurückgeht: eine geborene von Mohr.

Schramberg. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts mit dem Kolonialismus vergaß man die Namensgeberin und bezog den Namen des Gasthauses auf die „Mohren“. Das Wirtshausschild stammt aus der Zeit um 1900, als der deutsche Kolonialismus auf seinem Höhepunkt war.

Heute gilt der Begriff „Mohr“ als rassistisch, das Wirtshausschild mit seiner klischeehaften Darstellung eines Afrikaners ebenso. Aber wie soll man mit diesem historischen Erbe umgehen?

Die Meinungen schwanken zwischen: „Das gehört zur Stadt, man sollte es unter Denkmalschutz stellen“, wie eine Passantin kürzlich meinte, und der Frage eines Lesers auf facebook: „Warum man darüber diskutieren muss, statt rassistische Sch…e einfach abzuhängen…?“
Ist es wirklich so einfach? David Kuhner ist der Frage nachgegangen. (him)

Enfernen oder erklären?

Bis vor 20, 30 Jahren wäre wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, man könnte an dem Schild Anstoß nehmen. Doch im Zuge der Debatte um Kolonialismus und Rassismus ist die Gesellschaft sensibler geworden. Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage, wie mit dem Wirtshausschild umgegangen werden sollte.

Ich sehe zwei Möglichkeiten: Entweder man entfernt das Schild vom Gebäude oder man erklärt auf einer Hinweistafel die geschichtlichen Hintergründe des Gebäudenamens und des dazugehörigen Wirtshaus-Schildes. Einfach alles so lassen, wie bisher, scheidet wohl auf längere Sicht aus, um sich nicht möglicher, berechtigter Kritik auszusetzen.

Sorge vor “Bildersturm”

Die erste Lösung, Schild entfernen, wäre radikal-aktivistisch. Sie könnte bei den Bürgern als „Bildersturm“ verstanden werden. Bei einer Schramberger Bürgerschaft, die sich mehr als 200 Jahre lang nicht gegen den Namen „Mohren“ ausgesprochen hat. Das Abhängen würde das Thema in den Medien und der Gesellschaft nur polarisieren.

Erinnert sei an einen Streit in Konstanz, als Unbekannte das „M“ der dortigen Mohrenapotheke 2021 kurzerhand abhängten und so die „Ohrenapotheke“ erschufen.

Die Mohrenapotheke in Konstanz Sie hieß wohl auch mal Möhrenapotheke, schließlich nur noch Ohrenapotheke. Allerdings hat ein “Mohr” mit Baströckchen und Speer weiter das Gebäude bewacht. Aufnahme aus dem Jahr 2021. him

Außerdem ist der Gastronomiebetrieb des Schramberger Hotels seit mehr als 60 Jahren eingestellt. Der Name lebt faktisch nur durch die mündliche Überlieferung fort und ist schon längst als Schriftzug am Gebäude getilgt. Das Wirtshausschild ist das einzige Überbleibsel, das an das Hotel erinnert. Da es weit oben über der Hauptstraße hängt, dürfte es den meisten Bürgerinnen und Bürgern bisher gar nicht aufgefallen sein.

Wer liest Hinweistafeln?

Die zweite Lösung, Hinweistafel am Gebäude, böte die Möglichkeit, den Gasthausnamen und die früher übliche Bezeichnung der afrikanischen Bevölkerung in den historischen Kontext zu stellen und sich kritisch mit dem „Mohrenschild“ auseinanderzusetzen.

Auch könnte man die Geschichte des Gasthauses darstellen, die ja eng mit dem Namen verknüpft ist. Und das, ohne in das typische Bild des Gebäudes eingreifen zu müssen.

Wie zweckmäßig solche Tafeln sind, ist allerdings auch zu hinterfragen, denn sie finden leider häufig kaum Beachtung.

Es gäbe noch etliche andere anrüchige Relikte

Sinnvoller als der „Kampf“ gegen alte, heute anrüchige Begrifflichkeiten und Gegenstände erscheint mir deshalb der Einsatz für eine stereotypfreie Gesellschaft. Andernfalls wäre die Liste der zu beseitigenden „traditionsreichen Artefakte“ in Schramberg sehr lang.

Im Rathaus hängt dieser Leuchter im kleinen Sitzungssaal. Foto: him

Zu denken wäre an die Gemälde im Foyer des Schramberger Rathauses oder den Runen-Leuchter im kleinen Sitzungssaal. Auch ein Bild im Trauzimmer des Rathauses stammt aus der NS-Zeit, ein Feld mit einem Hakenkreuz hat man nach dem Krieg schlicht geschwärzt.

Und schließlich wäre an die Fasnet und die 1936 entstandene Bach-na-Fahrt zu denken – aber bevor wir dieses Fass aufmachen…..

David Kuhner (dk)
David Kuhner (*2002) geboren in Rottweil und aufgewachsen in Schramberg. Nach dem Abitur am Gymnasium Schramberg im Jahr 2020 absolvierte er ein FSJK im Stadtarchiv und Stadtmuseum Schramberg. Sein großes Interesse gilt der Lokalgeschichte seines Heimatortes Schramberg. Seit dem Wintersemester 2021/22 studiert er an der Eberhard Karls Universität Tübingen Geschichtswissenschaft im Hauptfach und katholische Theologie im Nebenfach.

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