Ziemlich genau vor 25 Jahren, nämlich am 12. Oktober 1995 hat der damalige Stadtpfarrer Georg Egle der „Schutzmantelfrau“ des Bildhauers Siegfried Haas den kirchlichen Segen erteilt. Nun, zum „silbernen Jubiläum“ hat sich eine junge Frau intensiv mit dem Werk beschäftigt. Aus einem ganz persönlichen Grund.

Der Rottweiler Bildhauer Haas hatte die Figur 1987 geschaffen und an verschiedenen Orten ausgestellt. Ilse und Albert Bäumer waren von dem Werk tief beeindruckt, haben es von Siegfried Haas erworben und der Stadt als Leihgabe zur Verfügung gestellt. In Zusammenarbeit mit der Stadt Schramberg und Siegfried Haas wurde der Standort bestimmt und hergerichtet. Statt einer Säule haben die Bäumers ein großer Buntsandstein vom Sulgen als Sockel ausgesucht. Dadurch wird die Nähe der Figur zum Betrachter und zur Natur erhalten, und das Meer ist als Kapitell erkennbar.
Mittelalterliche Tradition
Albert Bäumer erinnert sich noch gut an die Einweihung: „Mehrere Redner sprachen über das, was sie bei diesem Ereignis gedanklich und emotional empfanden.“ Unter anderem sei darauf hingewiesen worden, dass der Schutzmantel in der alten germanischen Tradition nicht einfach Schutz vor Regen oder Kälte bedeutet. Vielmehr sei er die öffentliche Bekundung der Übernahme eines Patronats. „Der Schutzmantel ist Symbol für die Aufnahme in eine Schutzgemeinschaft unter der Leitung eines Patrons oder Patronin.“ Solche Figuren fanden sich häufig an mittelalterlichen Kirchen oder auf Brunnen. Sie gelten als Leitsymbole der menschlichen Sehnsucht nach Sicherheit und Rettung aus Lebensgefahr.
Die Bronzefigur von Siegfried Haas sei als Sinnbild nicht einfach eine weitere Madonna oder Matrona als mächtige Schutzherrin in einem fest gefügten Ordnungssystem. „Diese Frau ist im Seesturm selbst bedroht, aber sie schafft es, mit Mut und Entschlossenheit Ertrinkende zu retten“, so interpretiert Bäumer das Werk. Sie ist, so steht es am Sockel der Figur, „gewidmet den Menschen in Not und denen, die ihnen Schutz gewähren“.
Inspiration für besonderes Geschenk
Nun hat eine Enkelin der Bäumers, Ronja Bihlmaier, sich ebenfalls mit Haas‘ Schutzmantelfrau beschäftigt. Anlass war der 80. Geburtstag Ilse Bäumers vor wenigen Tagen. Man habe überlegt, wie die Familie dieses Ereignis trotz Corona festlich gestalten könnte. „Wir überlegten, welche Geschenke uns allen besondere Freude machen würden“, berichtet Albert Bäumer. Die Familie kam auf die Idee, die Schutzmantelfrau malen zu lassen. Und zwar von Enkelin Ronja: „Ronja hatte schon in der Schulzeit Freude daran, Porträts zu malen und solange daran zu arbeiten, bis sie mit der Ausdruckskraft des Bildes zufrieden war“, erinnert sich Opa Bäumer.

Ihr gefiel die Idee, sich auf diese Art und Weise einmal mit der Schutzmantelfrau auseinanderzusetzen. „Für mich persönlich steht die Statue in gewisser Weise auch für meine Großeltern, die ihr Leben lang, insbesondere durch die Haiti-Hilfe, versucht haben, Menschen in Not zu helfen.“ Sie habe das Bild nicht aus einer künstlerischen Intention heraus gemalt, sondern um ihren Großeltern eine Freude zu bereiten. Beim Malen habe sie versucht, von ihrer fotorealistischen Malweise abzugehen und ein etwas abstrakteres Werk zu schaffen, erzählt sie.
Appell an die Menschlichkeit

In der Schutzmantelfrau von Haas, die die Großeltern noch vor ihrer Geburt der Stadt als Leihgabe zur Verfügung stellten, sieht Ronja Bihlmaier auch einen Appell an andere: „Unabhängig davon, ob man den Umgang der Menschen mit der Flüchtlingskrise oder den Einsatz der Menschen im Kampf für Menschenrechte und Meinungsfreiheit in Belarus betrachtet, die Statue repräsentiert all diejenigen, die sich aktiv für Menschen in Not einsetzen.“