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„Bei Schweizer in Sulgen droht Massenentlassung“, Veröffentlicht: Donnerstag, 10. September 2020, 19.45 Uhr

Bei Schweizer in Sulgen droht Massenentlassung

Beim Sulgener Leitplattenhersteller Schweizer droht der Abbau von 100 der noch etwa 600 Jobs. In einem Flugblatt hat die IG Metall die Geschäftsleitung aufgefordert, bei einer Betriebsversammlung über die Pläne zu informieren und mit dem Betriebsrat ernsthaft zu verhandeln.

Am Donnerstagnachmittag verhandelten die beiden Seiten erneut. Auf Nachfrage der NRWZ war Nicolas Schweizer, der Vorstandsvorsitzende, nach dem Gespräch mit einer Delegation des Betriebsrats „optimistisch“, dass man eine Einigung erzielen könne. Sein Vorstandskollege Marc Bunz betonte, man sei „aufeinander zugegangen“.

IG-Metaller mahnen Fürsorgepflicht an

Die IG-Metallvertrauensleute halten Schweizer in ihrem Flugblatt vor, dass er vor Jahren bei einer Betriebsversammlung erklärt habe, er trage die Verantwortung für 700 Beschäftigte und ihre Familien. Dazu heißt es im Flugblatt: „Herr Schweizer, Ihre Fürsorgepflicht und Verantwortung für Ihre Beschäftigten hat jetzt Gültigkeit, es geht um jeden Arbeitsplatz im Verhandlungskampf mit dem Betriebsrat. Ihre Verantwortung für Ihre Beschäftigten hat auch dann Gültigkeit, wenn Sie daran festhalten 100 Mitarbeiter/-Innen zu entlassen!“

Die IG Metallbevollmächtigte Dorothee Diehm kritisiert auf Nachfrage der NRWZ, dass es „bisher keinerlei Erklärungen“ von Seiten der Geschäftsführung zu den Plänen gebe. Der Betriebsrat fordere einen Sozialplan mit Abfindungen  und eine Transfergesellschaft, wenn es zu Entlassungen käme. Die Entlassungen begründe das Unternehmen laut Diehm mit „konjunkturellen Schwierigkeiten“.

Dorothe Diehm. Archiv-Foto: him

100 Entlassungen trotz Kurzarbeit

Im Gespräch mit der NRWZ bestätigte Schweizer die Zahl 100, „sofern keine anderen Lösungen gefunden werden“. dazu gehöre etwa dass Mitarbeiter früher in Rente gehen oder ein Studium beginnen. Seit Monaten bereits verhandle man darüber mit dem Betriebsrat.

Nach Ansicht der IG Metall wäre es besser, wenn das Unternehmen durch das Fortführen der Kurzarbeit bis nächsten Sommer die Beschäftigung sichern würde. „Wir wollen die Kurzarbeit sogar bis Ende  2021 fortführen“, so Schweizer. „Das ist ein adäquates Mittel zur Beschäftigungssicherung.“ Allerdings müssten die 100 Arbeitsplätze dennoch abgebaut werden, ohne die Kurzarbeit für die restliche Belegschaft wäre die Zahl der  zu Entlassenen noch höher.

Abfindungen bei knapp 11 Millionen Verlust?

Laut Diehm weigerte sich Schweizer aber bisher, überhaupt über Abfindungen zu verhandeln. Im Flugblatt wird Schweizer zitiert mit den Worten: „Ich verhandle nicht über Beschäftigungssicherung.“ Diese Aussage sei inhaltlich nicht richtig. Bei Personalreduktionen würden immer Abfindungen bezahlt, man habe das auch angeboten und das wüssten die Flugblattschreiber, betont Nicolas Schweizer.

Nicolas Schweizer Archiv-Foto: him

Finanzvorstand Marc Bunz schränkte allerdings ein, Schweizer habe im ersten Halbjahr deutlich mehr als zehn Millionen Euro Verlust gemacht. Die Lage in der Automobilindustrie, von der Schweizer stark abhängig ist, sei 2019 „hochkritisch“ gewesen. „2020 ist katastrophal.“ Das Unternehmen habe nicht viele Töpfe, aus denen man Geld verteilen könne, das wäre grob fahrlässig. „Sie können einem nackten Mann nichts aus der Tasche ziehen.“

China-Investition zu Lasten Schrambergs?

In den vergangenen Jahrzehnten hätten die Schweizer-Beschäftigten etwa 20 Prozent unter Tarif verdient, kritisiert die IG-Metallbevollmächtigte Diehm. Das habe dem Unternehmen weit mehr als 100 Millionen Euro eingebracht. In diesem Zusammenhang kritisiert das Flugblatt auch die Investition in ein neues Werk in China Schweizers Aussage: „China sichert unseren Standort und unsere Arbeitsplätze“ sei wohl eine Lüge gewesen, wenn er jetzt Mitarbeiter entlasse, heißt es in dem Flugblatt.

Dazu versichert Schweizer, die Zwei-Standorte-Strategie stehe wie ein Felsen fest. Sein Unternehmen werde in diesem und im kommenden Jahr trotz Krise auch in Schramberg investieren. „Die Behauptung, wir wollten Schramberg strategisch verkleinern, ist falsch.“

Gespräche mit Betriebsrat „konstruktiv“

Man befinde sich mit den freigestellten Betriebsräten in konstruktiven Gesprächen, so Schweizer. Die Verfasser des Flugblattes repräsentierten nicht die gesamte Belegschaft und wollten „nur Stimmung machen“, meint Bunz.

Marc Bunz. Archiv-Foto: pm

Ziel der Verhandlungen sei es, so Schweizer, eine Balance zu finden zwischen einer sozialverträglichen Lösung für diejenigen, die das Unternehmen verlassen müssen, und andererseits nichts zu tun, was die Zukunft für das Werk in Schramberg gefährdet.

Am Freitag wird die Betriebsratsdelegation das bisherige Verhandlungsergebnis mit allen Betriebsratsmitgliedern erörtern. Danach wird weiter verhandelt.

 

 

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