REGION (pm) – „Bei der Wettbewerbsfähigkeit stehen wir am Standort Tuttlingen, in Baden-Württemberg und in Deutschland vor einer gewissen Zäsur. Die Lohnkostenschere zwischen dem Standort Deutschland und internationalen Produktionsstandorten klafft immer weiter auseinander und wird auch in Tuttlingen spürbar sein“, mahnte Prof. Dr. Hanns-Peter Knaebel, Vorstandsvorsitzender der Aesculap AG, beim Informationsbesuch der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Kerstin Andreae, in der Innovation Factory von Aesculap in Tuttlingen laut IHK-Pressemitteilung an.
Andreae, die auch Stellvertretendes Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages ist, kam auf Einladung von Aesculap und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg in die Region. Mit der kürzlich vom Bundeskabinett verabschiedeten Reform der Erbschaftsteuer werde es gerade dem Mittelstand und den vielen Familienunternehmen in der Region noch schwerer gemacht, den ohnehin mit vielen Problemen behafteten Generationenwechsel zu meistern, so IHK-Präsident Dieter Teufel.
„Die Erbschaftsteuer bewegt viele Betriebe“, berichtete Teufel aus seiner unternehmerischen Praxis. Nach einer IHK-Analyse seien rund 230 regionale Unternehmen mit rund 38.000 Arbeitsplätzen von wesentlichen Mehrsteuern und damit Substanzverlusten bedroht. „Eigentlich sollte es nur zu minimal-invasive Korrekturen kommen. Der Gesetzentwurf ist dagegen maximal-administrativ“, so Teufel. Eine Auffassung die Kerstin Andreae teilt: „Der Entwurf ist sehr kompliziert und es ist fraglich, ob die angepeilten Ziele wirklich erzielt werden.“ „Wir brauchen ein Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland und das ist kein Widerspruch zur grünen Wirtschaftspolitik“, so Kerstin Andreae.
Um im Wettbewerb bestehen zu können, müsse mehr in Bildung sowie in Forschung und Entwicklung investiert werden. Sie verwies dabei auf eine Initiative der Grünen-Fraktion, kleine Unternehmen mit einer Steuergutschrift bei ihren Forschungsbemühungen zu unterstützen. Dass eine gute Industriepolitik dringender denn je ist, unterstrich Prof. Dr. Knaebel angesichts der immer besseren Auslandsprodukte, die teilweise nur zu einem Bruchteil der Kosten gefertigt werden. „Das Gesicht unseres Industriestandortes wird sich perspektivisch ändern“, so Knaebel. „Es besteht die Gefahr, dass wir die Produktion an das Ausland verlieren und immer mehr zu einem nur administrativen Standort werden.“
Dass mit einer guten Verkehrsinfrastruktur schon viel gewonnen ist, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez. Angesichts der Neuauflage des Bundesverkehrswegeplanes warb Albiez bei Andreae dafür, nicht nur die überregionalen Verkehrsknoten beim Ausbau zu berücksichtigen, sondern vor allem die Defizite im ländlichen Raum zu beseitigen.
Die Bundestagsabgeordnete sprach sich für eine nüchterne Betrachtung der einzelnen Verkehrsprojekte aus: „Ich plädiere für eine ehrliche Verkehrspolitik: Der alte Bundesverkehrswegeplan ist vielfach überzeichnet, es braucht eine klare Priorisierung entlang nachvollziehbarer Kriterien statt der alten Spatenstichpolitik.“