Wir Medienleute bemühen uns um korrekte Berichterstattung. „Fakten, Fakten, Fakten“, gab einst Helmut Markwort für sein Magazin „Focus“ als Motto aus. Auch der NRWZ ist es wichtig, dass die Fakten stimmen – und wenn wir uns mal getäuscht haben sollten, dann korrigieren und entschuldigen wir uns. Aber was macht man, wenn man korrekt berichtet hat und dennoch gebeten wird, eine Geschichte zu löschen, weil „dieser Eintrag für das berufliche Leben von Herrn Glatt * äußerst hinderlich ist“?
Die Bitte kommt von P. Schmitz, der für Deinguterruf.de arbeitet. Er schickt uns am 22. Oktober eine Mail: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich kontaktiere Sie im Namen unseres Kunden Peter Glatt*. Unser Webangebot deinguterruf.de hat sich zur Aufgabe gemacht die Onlinereputation unserer Kunden zu schützen. Konkret heißt das, wir suchen mit Hilfe einer speziellen Suchsoftware nach allen verfügbaren Einträgen über und von unseren Kunden im Internet.“
Deinguterruf.de
Deinguterruf.de hat auf unserer Website NRWZ.de einen Artikel gefunden, der Peter Glatt nicht gefällt: „Unserem Kunden ist es ein wichtiges Anliegen diesen Eintrag geprüft und hoffentlich um seinen Namen gekürzt zu sehen“ schreibt Schmitz.
Was steckt dahinter? Ein führender Manager eines großen Unternehmens aus der Handelsbranche** in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg verlässt seinen Arbeitgeber, weil sich die beiden Seiten bei Vertragsverhandlungen nicht einigen konnten. Dazu hat der Arbeitgeber eine freundliche, nichtssagende Pressemitteilung herausgegeben, die die NRWZ abdruckt, ergänzt um die Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden, es handle sich um einen „ganz normalen Vorgang“.
Abgang als Vorgang
Nun, viele Monate später schaltet sich Deinguterruf.de ein. Der nach eigenen Angaben „älteste Anbieter im Bereich Online Reputation im deutschsprachigen Raum“ bietet seinen Kunden seit zehn Jahren als Service an, „längst überholte Daten, diffamierende oder gar geschäftsschädigende Kommentare aus dem Internet“ los zu werden: „Sie registrieren sich und wählen einfach die Daten aus, die wir für Sie löschen sollen. Wir starten und steuern den Prozess und setzen uns weltweit für die Entfernung bei den Webseitenbetreibern ein.“
Das hat Manager Glatt offenbar auch gelesen und die 39.95 Euro investiert, um Artikel über sein Ausscheiden gelöscht zu bekommen. Geht man auf die Angebotsseite von deinguterruf.de, werden die Aussagen schon ein bisschen vorsichtiger. Da heißt es nur noch: „Wir setzen uns für Sie ein, um unerwünschte oder persönliche Daten aus dem Web zu entfernen.“ Und: „Wir drohen nicht mit Rechtsmitteln, sondern bauen auf die Kooperation mit den Webseitenbetreibern.“
Wie könnte Deinguterruf.de auch mit Rechtsmitteln drohen, wenn eine Zeitung lediglich eine Pressemitteilung abdruckt? Nichts Falsches oder gar Diffamierendes behauptet hat?

Anruf bei P. Schmitz. Es meldet sich Geschäftsführer Maik Pizzuro. P. Schmitz arbeite vom Homeoffice aus, ich möge doch bitte mit seinem Kollegen Christian Keppel sprechen, der auch für Presseangelegenheiten zuständig sei.
Mit sanfter Stimme erklärt Keppel, er erinnere sich an den Fall Glatt, schaue mal eben im System nach. „Da habe ich ihn. Sie sind nicht die einzige Site…“ Es gehe darum, mit den Betreibern ins Gespräch zu kommen, Kompromisse auszuloten, erläutert Keppel. „Stellen Sie sich vor, Sie suchen eine neue Stelle, und werden gar nicht erst eingeladen, weil nur negative Einträge bei Google auftauchen, wenn man Ihren Namen eingibt.“
Leuchtet ein. Aber wenn ein Manager aus einem Unternehmen ausscheidet, dann gibt es eine Pressemitteilung, die soll ja auch veröffentlicht werden? „Richtig, das ist völlig normal“, stimmt Keppel zu. „Es ist eine reine Kulanzfrage, wenn wir Sie ansprechen. Wir suchen für alle einen gangbaren Weg.“
Google liebt das Negative
DeinguterRuf.de behauptet, in 85 Prozent der Fälle schaffe man die Löschung von unerwünschten Daten. Das stimme auch, so Keppel, aber es gebe eben Fälle, die viel leichter zu regeln seien, als der von Herrn Glatt. Falsche oder überholte Telefonnummern beispielsweise oder nicht mehr aktive Profile. Bei Herrn Glatt sei das schon sehr viel schwieriger, er habe schon einige Löschungen erreicht, aber auch etliche Absagen erhalten.
Und tatsächlich, die örtlichen Tageszeitungen und auch ein regionaler Fernsehsender poppen weiterhin mit der Ausscheiden-Meldung auf, gibt man den Namen ein. Er rechne damit, dass im Fall Glatt weniger als die Hälfte der Einträge tatsächlich aus dem Netz genommen werden.
Schaffen die Leute um Keppel und Maik Pizzurro es nicht, die Betreiber der Sites zum Löschen zu bewegen, versuchen sie per „Reputation Management“ die negativen Geschichten durch positive Berichte über ihren Klienten abzulösen. Das Problem: Suchmaschinen wie Google lieben negative Berichte. „Wenn Sie den Namen Glatt eingeben, taucht Ihre Geschichte in der NRWZ als erstes auf“, stellt Keppel fest – und es stimmt. Die NRWZ hat sicher ein Dutzend Mal über den Manager und sein Unternehmen berichtet, überwiegend positiv. Aber die Geschichte von seinem Ausscheiden steht ganz oben.
Namen abkürzen?
Mit einem letzten Versuch von Keppel endet die sehr freundliche Unterhaltung: „Meinen Sie, Sie könnten den Nachnamen einfach abkürzen?“ Das scheint absurd, weil doch in allen anderen Berichten der volle Name auftaucht. Aus Suchmaschinensicht sei das natürlich anders, entgegnet Keppel: „Für Sie wäre das ein kleiner Schritt“, lockt er, „für uns ein Riesenerfolg.“
Aber den gönnen wir ihm nicht. Wenn ein Top-Manager aus einem Unternehmen ausscheidet, weil man sich nicht auf die Vertragsbedingungen einigen kann, dann ist das ein ganz normaler Vorgang. Einerseits. Andererseits: Dass ein potenzieller Arbeitgeber deshalb zurück zucken wird, logisch. Ein Spitzenverdiener wie Glatt sollte das wissen. Wir bleiben bei den Fakten.
*Name geändert ** Zum Schutz der Persönlichkeit Branche geändert