(Anzeige). Schramberg. Olympiasieger kennen sich mit der Zeit aus. Und so war es ein Glücksgriff für Junghans, Martin Lauer – Weltrekordhalter über 110 Meter Hürden und Mitglied der Goldstaffel von Rom 1960 – zum Leiter des Teams der Sportzeitmessung für das Projekt „München 72“ zu ernennen. Denn das Traditionsunternehmen aus dem Schwarzwald hatte, dank seiner Technologiekompetenz, einen ganz besonderen Auftrag an Land gezogen, der sich in diesem Sommer zum 50. Mal jährt: Junghans als Zeitnehmer bei den Olympischen Spielen 1972. Der Höhepunkt in der Geschichte der Junghans-Sportzeitmessung. Das Team aus Schramberg nimmt die Zeiten bei zahlreichen Wettbewerben, darunter Rudern, Reiten, und vor allem bei der Königsdisziplin, der Leichtathletik – alles hochpräzise mit Junghans-Technik gemessen.
Lob vom Generalsekretär des Organisationskomitees
Nicht nur in München sitzen die Junghans-Zeitnehmer mit ihren schicken, einheitlichen Anzügen in den Sportstätten, auch beim Kanusport in Augsburg und bei den Segelwettbewerben in der Kieler Förde. Sie messen absolut fehlerfrei, wie ihnen später das Organisationskomitee nach den Spielen mit einem Schreiben und einer Urkunde bestätigt. „Insbesondere das reibungslose Funktionieren der Technik hat weltweit Anerkennung gefunden, wozu Sie durch die Chronometrierung von elf Sportarten einen hervorragenden Beitrag geleistet haben“, schreibt Herbert Kunze, Generalsekretär des Organisationskomitees. Und es sind nicht nur direkte Messungen von Läufen oder Ruderrennen; Junghans-Uhren sorgen auch dafür, dass beim Bogenschießen die exakt vorgegebenen Schussrhythmen oder bei Fußballspielen die 2 x 45-Minutenhälften eingehalten werden.
Doch im Mittelpunkt steht die Zeitmessung der Leichtathletikwettbewerbe, bei denen es auf Sekunden ankommt, ja, auf Sekundenbruchteile, auf Zehntel, auf Hundertstel: der 100-Meter-Sieg von Walerij Borsow, der sensationelle Triumph der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel der Frauen um Heide Rosendahl. Die Anforderungen an die Entwickler sind erheblich und sehr unterschiedlich: Sie müssen auf schmalen Bahnen wie den acht der Sprinter messen, auf breiten wie denen der Ruderer, die zudem viel langsamer unterwegs sind, oder beim Marathon, der außerhalb des Stadions verläuft. Junghans schafft’s.
„Als eines der führenden Unternehmen in der Quarzuhrentechnik war Junghans für die Olympischen Spiele in München prädestiniert. Denn auch die Sportzeitmessung wird von der Elektronik dominiert“, sagt der heutige Geschäftsführer Matthias Stotz. Die Bedeutung der Junghans-Sportzeitmessung unterstreicht auch die aktuelle Ausstellung „Design für Olympia“ der Pinakothek der Moderne in München. Junghans hat dafür als Exponat eine Startanlage zur Verfügung gestellt, deren Elemente dort gezeigt und erklärt werden.
Die Herren auf der Hühnerleiter

Die Geschichte der Zeitmessung ist so alt wie der Sport selbst. Über lange Zeit gab es nur handgestoppte Zeiten; bei großen Wettbewerben stand an der Ziellinie die „Hühnerleiter“ mit den Zeitnehmern für jede Bahn, die ihre Stoppuhren auslösten, wenn die Startpistole knallte. Da waren Fehlleistungen und Ungerechtigkeiten vorprogrammiert. Sportlerinnen und Sportler träumten, wie es immer hieß, von „ehrlichen“, also genauen, gerechten Zeiten. Das menschliche Auge war zu langsam für diesen Anspruch.
Junghans fertigte bereits in den 1920er-Jahren Stoppuhren, die nicht nur im Sport, sondern auch in der Industrie zum Einsatz kamen. Der große Durchbruch gelang jedoch in den 1950er-Jahren mit der Entwicklung der Dreikreis-Stoppuhr, die völlig neue Möglichkeiten eröffnete. Diese Modelle mit Minute, Sekunde und Zehntelsekunde konnten auch elektromechanisch ausgelöst werden und überzeugten unter anderem durch eine höhere Ablesegenauigkeit. Junghans setzte jedoch noch einen weiteren Meilenstein in der exakten Zeitmessung: Nach intensiver Entwicklungsarbeit konnte die Modellpalette um Stoppuhren erweitert werden, die sogar Hundertstelsekunden anzeigen. Mit seinen Präzisions-Großstoppuhren mit Dreikreiszifferblatt erschloss Junghans in den 1950er-Jahren einen weiteren Markt. Die Uhren wurden auch immer wieder prominent eingesetzt – zum Beispiel in dem Spielfilm „Im Rausch der Tiefe“ von Luc Besson oder bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen an Mobilfunkanbieter, um die Zeit der einzelnen Versteigerungsrunden zu stoppen.
Erste Versuche im Jahr 1932
Erste Versuche elektronisch gesteuerter Zeitmessungen gehen auf die Olympischen Spiele 1932 in Los Angeles zurück, als es entsprechende, noch sehr einfache Geräte des Erfinders G. T. Kirby gab. 1936 stand an der Bahn eine „Zielzeitkamera“, die die Physikalisch-Technische Reichsanstalt zusammen mit Zeiss-Ikon entwickelt hatte und die mit der Startpistole verbunden war.

Dann der Durchbruch: Erst die Entwicklung der Junghans-Sportzeitmessung ermöglicht es mehr als drei Jahrzehnte später, den schnellsten Läufer mit Startkontrollanlage und Doppellichtschranke zu messen, alle beim Überschreiten der Ziellinie fotografisch fest-zuhalten sowie jedem Läufer dessen Zeit zuzuordnen, die seit dem Startschuss verstrichen ist. Die ehrliche Messung: Jetzt ist sie möglich. Ein besonderes Highlight: Erstmals gibt es Fotos in Farbe vom Zieleinlauf, die weltweit in den Medien erscheinen. Treiber der Entwicklung sind der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Fritz Strudthoff, und Entwicklungsleiter Dr. Friedrich Assmus.
Am Anfang des Rennens steht die Startpistole – in München übrigens eine Smith&Wesson, Krimi-freunden und aus jedem Western bekannt. Zum Einsatz kommt ein sechsschüssiger Revolver, Kaliber 9 Millimeter – selbstverständlich mit Platzpatronen. Er ist über weitere Geräte wie den Startassistenten und den Zeitdrucker mit den Kameras am Ziel gekoppelt und mit den Startblöcken verbunden, aus denen sich die Läufer beim Start herauskatapultieren. Einige Sportler mussten mit der Umstellung auf die Junghans-Zeitmessung Abschied von ihren eigenen geliebten Startblöcken nehmen, die sie bis dahin mitgebracht hatten.
Doch die neue Technik aus Schramberg ist deutlich besser, meldet zum Beispiel auch sofort jeden Früh-, also Fehlstart. Hier spielt das Thema Reaktionszeit des Sportlers eine wichtige Rolle. In einer aufwendigen Grundlagenforschung mit eingehenden Messungen und speziell dafür konstruierten Startblöcken ermittelt Junghans diese mit 0,12 bis 0,25 Sekunden. In Abstimmung mit den Veranstaltern der Wettkämpfe wird daraus die Grenzreaktionszeit mit 0,1 Sekunden festgesetzt. Startet ein Läufer früher, ist es ein Fehlstart. Am Ziel wiederum messen elektronische Digitalstoppuhren die gelaufene Zeit; die Ziellinienfotografie hält den Moment des Einlaufs fest.
Die Technik bietet noch weitere Vorteile: die laufende Übertragung der Zwischenzeiten auf den großen Anzeigetafeln oder auch die beweiskräftigen Zielfotos für die Presse nach nur wenigen Minuten. „Das war eine echte Sensation“ erinnert sich Hariolf Bihl, der zum Team der Junghans-Sportzeitmessung in München gehört. Unter der Leitung von Otto Armbruster begleitet das Team noch weitere sportliche Großereignisse, etwa den Leichtathletik-Europacup 1973 in Edinburgh. Bei Junghans ist die Sportzeitmessung eine eigene Abteilung: Das Kernteam besteht aus zehn Mitarbeitern, bei den Olympischen Spielen sind sogar rund 70 Junghansianer vor Ort in den Sportstätten.
Ein neuer Fachbegriff: Chronometrieren
Die Vorgeschichte reicht bis 1962 zurück, als Junghans erstmals mit der elektronischen Zeitmessung für den Deutschen Leichtathletik-Verband im Einsatz ist. 1965 setzt das Unternehmen die elektronische Zeitmessung auf Quarzbasis beim Leichtathletik-Europacup in Stuttgart ein. Der neue Fachbegriff für diese Technik heißt „Chronometrieren“. Manchmal gibt es auch noch Miss-trauen gegenüber der neuen Technik: Bei einem Leichtathletik-Länderkampf 1969 kappen einige Läufer die Kabel zu den Startblöcken, weil sie dem neuen System nicht ausgeliefert sein wollen. Immer häufiger fällt dann aber der noch heute gerne zitierte Satz: „Das Zielfoto musste entscheiden“ – und es trägt den Junghans-Stern.
Um 1970 kommt das System immer öfter bei größeren Sportveranstaltungen unter Wettbewerbsbedingungen zum Einsatz – etwa bei einem alpinen Ski-rennen in Pfronten im Allgäu. Da beweist man: Es funktioniert auch bei minus 17 Grad. Oder 1969 bei der Ruder-Europameisterschaft auf dem Wörthersee – ein besonderer Härtetest, weil die Verkabelung unter Wasser verläuft. Alles klappt.

Immer mehr Events kommen dazu, in allen möglichen Sportarten, in allen möglichen Ländern. Beim Schießen zum Beispiel sorgt Schwarzwälder Präzision dafür, dass sich die Zielscheiben in den genau festgelegten Zeiten zum Schützen drehen, der dann seine Serie abgeben muss.
Zwei Dackel als Testläufer
Nach und nach bricht das Schramberger Unternehmen die bis dahin vorherrschende Schweizer Dominanz. Der Höhepunkt für Junghans ist jedoch zweifellos die Zeitmessung bei den Olympischen Spielen 1972. Dabei kommt es noch kurz vor dem sportlichen Großereignis zu einem spektakulären Trainingslauf im neu erbauten Münchner Stadion: Ein von Junghans chronometriertes Rennen auf der Zielgeraden der roten Tartanbahn – aber nicht mit Läuferinnen oder Sprintern, sondern mit zwei Olympiahostessen, die die 100 Meter mit Dackeln an der Leine absolvieren. Dackel Waldi ist schließlich das Maskottchen der Spiele. Wer das aufsehenerregende Hunderennen gewonnen hat, ist nicht überliefert.
Der Spirit lebt bei Junghans weiter

Die Olympischen Spiele 1972 sind der Höhepunkt dieser Entwicklung. Doch das Projekt läuft weiter, wird fortentwickelt. Als der deutsche Langstreckenläufer Harald Norpoth 1973 einen deutschen Rekord über 5000 Meter aufstellt, sagt er hinterher: „Die springenden Sekunden auf der überdimensionalen Anzeigetafel haben mich schier vorwärtsgetrieben!“
In den 1980er-Jahren steht die Uhrenindustrie vor einem tiefgreifenden Umbruch, und Junghans zieht sich in der Folge aus der Zeitmessung bei großen internationalen Wettbewerben weitgehend zurück.
Ende der 1970er und Anfang der 1980er-Jahre agiert das Unternehmen als offizieller Zeitnehmer von Formel-1-Rennen in Europa – passend dazu wird die Ohrenkollektion „Grand Prix“ präsentiert. Danach chronometriert das Team der Zeitmessung vorwiegend nationale oder regionale Sportveranstaltungen. In den Jahren 2019 und 2021 engagiert sich das Unternehmen aus Schramberg als Timing Partner bei den FIS Nordischen Ski-Weltmeisterschaften, darüber hinaus 2019 bei der Rennrodel-WM. In der gerade zu Ende gegangenen und der kommenden Saison ist Skispringer-Ass Karl Geiger Junghans-Markenbotschafter.
„Die Sportzeitmessung ist ein Meilenstein in der Geschichte der Firma Junghans“, sagt Geschäftsführer Matthias Stotz und spricht vom besonderen Spirit, der Junghans vor Jahrzehnten angetrie-ben hat und der heute noch nachwirkt. Stotz: „Junghans ist der Sportzeitmessung aus der Historie heraus verbunden.“ 1972 bringt das Unternehmen zu den Spielen die Uhrenserie „olympic“ auf den Markt. Die Gestaltung von Junghans-Designer Udo Schultheiss läutet eine neue Ära mit einer auffallenden, markanten Form- und Farbgebung ein.
Der bekannte Designer Otl Aicher von der Hochschule für Gestaltung in Ulm geht mit dem Corporate Design der Spiele 1972 ebenso neue Wege. Er gestaltet praktisch alles rund um die Veranstaltung – von den Fahnen über die Hinweisschilder und die Essensmarken bis zum Maskottchen Waldi. Aktuell widmet die Hochschule für Gestaltung Otl Aicher anlässlich seines 100. Geburtstages eine Sonderausstellung „100 Jahre – 100 Plakate“. Bei seinem Konzept für die Olympischen Spiele erhalten die Grundfarben Blau, Orange und Grün die zentrale Rolle. Auch auf den Geräten zur Zeitmessung und dem Werbelogo von Junghans findet sich dieses Farbkonzept mit Orange und Blau.

Freizeit-Tipp Sonderausstellung im Junghans Terrassenbau Museum
Unternehmen Sie im Junghans Terrassenbau Museum in Schramberg eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Uhrenherstellung im Schwarzwald und der Junghans Sportzeitmessung. Anlässlich des Jubiläums 50 Jahre „München ‘72“ ist seit 9. Juli 2022 eine Sonderausstellung zu sehen. Gezeigt werden Exponate, die die revolutionäre Entwicklung von Junghans in der Sportzeitmessung dokumentieren. Die Präsentation beginnt Anfang des vergangenen Jahrhunderts, als bei Wettkämpfen die Zeit noch mit der Stoppuhr genommen wurde. Im Fokus steht jedoch die für die 1970er-Jahre hochmoderne Sportzeitmessung, bei der Junghans als Zeitnehmer bei den Olympischen Spielen 1972 einen Meilenstein setzte – damals gab es sogar eine eigene Abteilung für die Sportzeitmessung.
Historische Bilddokumente geben Einblicke in das Sportengagement des Schramberger Uhrenherstellers – neben olympischen Disziplinen auch bei der Formel 1 oder beim Wintersport. Mit dem Design seiner Uhrenkollektion „olympic“ läutete Junghans damals eine neue Ära ein. Verschiedene historische und aktuelle Modelle sind in der Ausstellung zu sehen. Zudem ist eine original Junghans Sportzeitmessanlage aufgebaut, wie sie bei den Spielen 1972 zum Einsatz kam.
Die Öffnungszeiten des Junghans Terrassenbau Museums sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr.
Weitere Informationen unter:
www.junghans-terrassenbau-museum.de
www.junghans.de
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