„Ein weiteres trauriges Kapitel in der Firmengeschichte von Schweizer“, so überschreibt die IG Metall eine Pressemitteilung am Mittwochnachmittag zur jüngsten Entwicklung bei dem Unternehmen. Nach Informationen der NRWZ hatten die Geschäftsleitung und der Betriebsrat in der vegangenen Woche am Dienstag eine Betriebsvereinbarung geschlossen – und unmittelbar danach hätten die ersten Beschäftigten ihre Papiere erhalten. Einzelne fanden die Information über ihre Kündigung daheim auf dem Anrufbeantworter, so die Gewerkschaft. Der Vorstandsvorsitzende von Schweizer, Nicolas Schweizer, weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme für die NRWZ als „haltlos“ zurück. Der Betriebsratsvorsitzende Markus Kretschmann spricht von „alternativen Fakten“, die die IG Metall verbreite.
Die IG Metall schreibt, im September habe sich der Vorstand der Firma, Nicolas Schweizer, über den Durchbruch bei den Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat gefreut. „Es ging um 82 Entlassungen. Die IG Metall kritisierte die Rhetorik des Vorstandes, weil zur Freude über einen Durchbruch kein Anlass bestehe. In harten Verhandlungen konnte der Betriebsrat der Arbeitgeberseite lediglich das Minimum an Absicherung für
gekündigte Beschäftigte abtrotzen.“
Nachdem jetzt Einzelheiten des Sozialplans bekannt geworden seien, fühle sich die IG Metall in ihrer Annahme bestätigt. In den über Wochen andauernden Sozialplanverhandlungen sei es ihr Ziel gewesen, wenn schon Personalabbau nötig sei, dann sozialverträglich. In der letzten Verhandlungsrunde habe sich Nicolas Schweizer kategorisch geweigert, älteren Beschäftigten einen Weg in den vorzeitigen Ruhestand zu ermöglichen. „Wie eine heiße Kartoffel hat der Vorstand die Beschäftigungsbrücke zwischen Alt und Jung fallen lassen“, so Siegbert Maier, IG-Metall-Vertrauensleutevorsitzender bei Schweizer in der Pressemitteilung. Die Empörung und das Unverständnis in der Belegschaft seien groß. „Über diesen sozialverträglichen Weg des
Personalabbaus hätten einige Arbeitsplätze für jüngere Beschäftigte erhalten werden können und müssen“, so Maier.

Nach wie vor sei der Gewerkschafter davon überzeugt, dass über Kurzarbeit Entlassungen mindestens bis Mitte 21 gänzlich hätten vermieden werden können. Die Art und Weise, wie der Vorstand dann in kürzester Zeit Kündigungen an die betroffenen Beschäftigten ausgehändigt habe, sorge in weiten Teilen der Belegschaft nicht nur für Unverständnis, sondern für Wut und Fassungslosigkeit.
„Nach Aussagen unserer IG Metall Vertrauensleute wurden die Kündigungen noch während der Arbeitszeit den arbeitenden Beschäftigten am Arbeitsplatz persönlich ausgehändigt“, so Dorothee Diehm, Geschäftsführerin der IG Metall Freudenstadt. Das habe sie in ihrer Amtszeit so noch nicht erlebt. „Kollegen von Gekündigten mussten mitansehen, wie Kündigungen am Arbeitsplatz noch in der Nacht übergebe wurden, so wenig Mitgefühl und Kälte habe man vom Arbeitgeber nicht erwartet“, berichteten Beschäftigte.
Transfergesellschaft gestartet
Allen Gekündigten habe das Unternehmen bereits der Übertritt in eine sogenannte „Transfergesellschaft“ angeboten. In der Transfergesellschaft würden die Gekündigten vor Eintritt in die Arbeitslosigkeit, zwischen vier bis zwölf Monate „aufgefangen.“ Die IG Metall habe für alle Gekündigten zwölf Monate Transfergesellschaft gefordert. „Diese Forderung konnte nicht durchgesetzt werden, lediglich die Aufzahlung auf 90 Prozent des letzten Nettoentgeltes konnte für die Gekündigten in der Transfergesellschaft erreicht werden.“, so Diehm.
Die IG Metall bewerte die Kündigungen und insbesondere die Vorgehensweise des Vorstandes als weiteres
trauriges Kapitel in der Firmengeschichte des Unternehmens.„Die IG Metall werde sich auch weiter zu den Vorgängen um den Personalabbau bei Schweizer zu Wort melden und alles dafür tun, dass in 2021 keine weiteren 22 Kündigungen ausgesprochen werden, obwohl der Vorstand, nach Kenntnis der IG Metall, dies bereits so eingeplant hat.“, so Diehm abschließend in der Pressemitteilung.
Schweizer: Die Belegschaft kennt die Wahrheit
Nicolas Schweizer hat eine NRWZ-Anfrage am Donnerstagfrüh beantwortet: „Wir sind erneut erstaunt über die haltlosen Behauptungen und Unterstellungen. Warum diese getätigt werden, ist uns schleierhaft. Unsere Belegschaft kennt jedoch die Wahrheit.“

Das Unternehmen habe mit dem Betriebsrat eine Lösung erarbeitet, die die leider unvermeidbaren Folgen für die Betroffenen im Rahmen des Möglichen abfederten, schreibt Schweizer. Und: „Die Kritik an unserem Betriebsrat halten wir für unangebracht. Er vertritt weder politische noch persönliche Interessen.“
Betriebsrat: Differenzen intern klären
Nach einer Betriebsratssitzung am Donnerstagvormittag hat sich der Betriebsratsvorsitzende von Schweizer, Markus Kretschmann, bei der NRWZ gemeldet. Der Betriebsrat habe über die Pressemitteilung der IG Metall beraten und distanziere sich ausdrücklich davon. Darin würden „alternative Fakten verbreitet. Man könne die dort getätigten „Aussagen nicht nachvollziehen“.
Konflikte sollten „intern und nicht auf dem Rücken der Beschäftigten geklärt werden“, so die Erklärung des Betriebsrates, die wohl mehrheitlich, aber nicht einstimmig verabschiedet wurde. Zur Kritik, die Transfergesellschaft sei nicht ausreichend, sagt Kretschmann, sie sei „übermäßig gut ausgestattet“. Das würden auch Externe so einschätzen. Auch das Prinzip einer Beschäftigungsbrücke zwischen alt und jung sei in einer Betriebsvereinbarung geregelt.
Kretschmann ärgert sich über das Flugblatt und die Pressemitteilung der IG-Metall: „Die Leute haben grade genug negative Fakten zu verkraften.“ Zum Schutz der Betroffenen hätte er mehr Zurückhaltung erwartet.