40 Jahre ungetrübtes Miteinander
Dirigent Dieter Witz verabschiedet sich

Das Jubiläumskonzert des Akkordeonorchesters Waldmössingen wird das letzte unter Dirigent Dieter Witz sein. Er hat den Verein einst gegründet. Über ihn und sein Orchester hat uns seine Tochter Leila Witz ein ausführliches Porträt geschickt:
Wenn das Akkordeonorchester Waldmössingen am 30. November sein Jahreskonzert in der Kastellhalle gibt, ist es für alle Beteiligten etwas Besonderes. Der Verein beschließt damit das Jahr seines 40-jährigen Bestehens. Für Dirigent Dieter Witz allerdings wird der musikalische Höhepunkt, traditionell am 1. Advent, zugleich ein Abschied sein. Der 70-Jährige wird ein letztes Mal sein Orchester dirigieren.
Und diese Formulierung ist in seinem Fall keinesfalls eine Übertreibung. Ohne ihn gäbe es kein Jubiläum, kein Konzert, nicht einmal ein Orchester: Dieter Witz hat es 1985 selbst ins Leben gerufen – und fungiert seitdem als dessen musikalischer Leiter. Bis jetzt.
Mit zehn Jahren fing alles an
Daran war gar nicht zu denken, als Dieter Witz im Alter von zehn Jahren erstmals Akkordeon-Unterricht nahm. „Es gab hier einen Lehrer, ich war sein einziger Schüler“, erinnert er sich. Als dieser aber sein Talent erkannte, nahm er den Jungen kurzerhand mit ins damals bereits bestehende Orchester nach Fluorn, wo dieser dann zum Orchestermusiker heranreifte. Das habe ihm großen Spaß gemacht und schon als Jugendlicher sei in ihm der Wunsch aufgekommen, selber Orchesterleiter zu werden, berichtet Witz.
Seine Eltern aber waren skeptisch, „machsch lieber was Rächts“, hätten sie gesagt. Statt Musik zu studieren, machte er daher zunächst eine Lehre zum Fernmeldehandwerker bei der Bundespost und leistete danach seinen Wehrdienst ab – was sich als Glücksfall erweisen sollte.
Vom Musikzug der Bundeswehr zur Hochschule in Trossingen
Denn Dieter Witz, der zu der Zeit zudem Klarinette im Musikverein spielte, wurde prompt für den Musikzug in Ulm ausgewählt, „und das als Wehrpflichtiger“, wie er betont. Sein Wunsch, die Musik zum Beruf zu machen, wurde größer. Die Folge: Der „Ur-Waldmössinger“ kündigte nach der Bundeswehr seinen Job bei der Post – und absolvierte auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium zum Musiklehrer in Trossingen.
Noch als Student unterrichtete er am Heimatort erste Schüler, nach seinem Abschluss startete er Anfang der 80er-Jahre dann als Musiklehrer richtig durch. „Der Zulauf war enorm, vor allem bei Kindern und Jugendlichen“, erzählt er. Da Witz zu der Zeit bereits Erfahrungen als Leiter des Jugend-Akkordeonorchesters Winzeln gesammelt und später dort das Hauptorchester übernommen hatte, führte eins zum anderen: Mit seinen Musikschülern – und unterstützt von deren Eltern – gründete er 1985 das Akkordeonorchester Waldmössingen.
Das Akkordeon aus der Nische holen
Im selben Jahr noch trat das rund 20-köpfige Ensemble erstmals in der Kirchberghalle vor Publikum auf, „und es war von Anfang erfolgreich“, erinnert sich der Dirigent gerne. Denn am Erfolg sollte sich in den Folgejahren nichts ändern. Aus Gründen: In den 80ern sei vor allem Klassisches und Volkstümliches auf dem Akkordeon gespielt worden. „Aber ich wollte von Anfang an auch moderne Musik machen.“
Sein Vorbild war James Last, der damals Rock und Pop in die Unterhaltungsmusik mit einfließen ließ – „und damit die breite Masse mitgenommen hat“, so Witz. „Und ich wollte das Akkordeon aus seiner Nische holen.“
Spektrum erweitert
Das ist dem Orchesterleiter gelungen. Er sorgte für einen neuen Sound, holte weitere Instrumente dazu, Keyboard und Synthesizer etwa, aber auch Klavier, E-Gitarre und Schlagzeug. „Da war ich ein bisschen Wegbereiter“, meint Dieter Witz und strahlt. Viele Arrangements habe er selbst gemacht, „das war meine Welt“. Seine Musiker und die Waldmössinger Bevölkerung hatte er schnell auf seiner Seite. „Die Fachwelt war ein bisschen skeptisch. Aber ich ließ mich nicht beirren.“
Witz bastelte weiter am Klang, auch durch modernste Tontechnik, später kamen Lichteffekte dazu. Das war alles neu und kam gut an. Der Aha-Effekt sei bis heute sein Prinzip geblieben, sagt er. „Dass Leute, die zum ersten Mal zu unseren Konzerten kommen, sagen: Oh, das hätte ich so nicht erwartet.“
An Nachwuchs mangelte es dem Verein nie, um die Jahrtausendwende waren gleich drei Jugendorchester am Start, von denen bis heute zwei aktiv sind. Schnell war das Waldmössinger Akkordeonorchester zudem über die Orts- und Stadtgrenzen hinaus ein Begriff. „Sehr gerne erinnere ich mich an die Konzertreisen in die Partnerstädte, nach Hirson und Čakovec“, sagt Dieter Witz.
Absolutes Highlight für ihn hingegen war das Mitwirken beim Schwarzwald-Musikfestival in Schramberg, „auf dieser hochprofessionellen Ebene, das war eine Ehre“. Festival-Leiter Mark Mast habe in seiner Jugend selbst Akkordeon gespielt. „Und daher hatte er diese Verbindung zum Instrument.“
„Immer vor vollem Haus“
Was ihn über die Jahrzehnte zudem begeistert hat, waren „natürlich die Auftritte in der Kastellhalle, vor immer vollem Haus“; beim Weiherwasenfest im Herbst genauso wie beim Jahreskonzert. Für dieses hat er immer wieder renommierte Solisten nach Waldmössingen geholt. Das wird auch 2025 so sein. Er freue sich zum Beispiel auf ein Stück mit Klaviersolo, mit einem ehemaligen Schüler von ihm, der inzwischen in Darmstadt lebt, und der das Solo vor 20 Jahren schon einmal gespielt habe.
„Der hat gesagt: Dieter, zu Deinem Abschied komme ich nochmal.“ Für ihn seien die 40 Jahre nun einfach „ein guter Anlass, das Ganze abzurunden, einfach noch mal ein Höhepunkt für mich und zu sagen: Jetzt ist gut.“
Es bleibt in der Familie
Was ihn zudem glücklich mache: Seine vier Kinder werden beim Jubiläumskonzert mit auf der Bühne stehen. Denn alle waren oder sind Teil des Orchesters, Tochter Leila, die ebenfalls Musik studiert hat, bis heute am Akkordeon, Sohn Lukas am Schlagzeug. Die Söhne Laurin und Linus seien inzwischen weggezogen.
„Dass die eigenen Kinder unter ihrem Vater spielen, ist ja keine Selbstverständlichkeit“, freut er sich. Genauso wie über die jahrzehntelange Unterstützung durch seine Frau Martina. „Sie hat mir immer den Rücken freigehalten. Ich war ja nie daheim“, bekennt er mit einem Lachen.
Also wirklich keine Wehmut? In seinem Alter freue er sich jetzt auf mehr Freizeit. Ihm werde aber das „ganze, über die Jahrzehnte ungetrübte Miteinander“ mit seinem Orchester fehlen, wie er einräumt. Als Musiklehrer wird er in reduzierter Form weitermachen, auch das Akkordeonorchester Seedorf, das er einst zusätzlich übernommen hat, wird er nach wie vor leiten.
In Waldmössingen aber sei Schluss. In Mario Nortmann, der bereits die beiden Jugendorchester leitet, stehe ein kompetenter Nachfolger bereit. „Mario wird das Orchester in meinem Sinne weiterführen, aber sicher auch eigene Akzente setzen“, sagt Dieter Witz. Das zu erleben, darauf freue er sich. Im kommenden Jahr dann in der Kastellhalle. Als Gast.