„Unsere Gesellschaft muss resilienter werden“

Drohnen über Flughäfen und militärischen Einrichtungen, Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur, Sabotage von Bahngleisen – Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, zeigte bei seinem Besuch in Rottweil auf, welche Gefahren unserer Gesellschaft drohen, aber auch, wie wir resilienter dagegen werden können.
So setze gerade Russland vermehrt „Wegwerf-Agenten“ ein: Menschen, die für ein paar Hundert Euro angeheuert werden und dann – wie in Emmerichs Wahlkreis Ulm – Bauschaum in SUV-Auspuffe spritzten und Aufkleber, denen der Grünen nachgeahmt, dazu pappten. „Die örtlichen Polizeibehörden dachten lange, dass wirklich Klimaschützer dahinter steckten.“ Resilienz bedeute auch, dass die Behörden sensibler werden, so Emmerich. Oft würden beispielsweise Angriffe auf Bahngleise schnell Linksextremen zugeordnet, nur weil im Netz ein Bekennerschreiben auftauche. Dabei sei auffällig, dass die angegriffenen Bahnverbindungen oft Ost-West-Magistralen seien.
Emmerich betonte, Sicherheitspolitik müsse evidenzbasiert sein, „da sind wir Grünen schon früh aktiv geworden. Dobrindt hat es jetzt auch erkannt.“ Schließlich gehe es dabei nicht um irgendwelche Stadtbild-Debatten, so Emmerichs Seitenhieb auf die Äußerungen von Kanzler Merz. Vieles, was jetzt ins Laufen komme, hätte die Ampel bereits auf den Weg gebracht, aber nicht mehr umsetzen können.
Deutschland brauche die digitale Souveränität und vor allem Zivilschutz. „Wir müssen die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung stärken.“ Dafür brauche es Krisenvorsorge als Thema an den Schulen, aber auch, wie Schweden es vormache, Broschüren für alle, wie Vorräte anzulegen sind. Und „der Sirenenwarntag sollte zu einem Zivilschutzübungstag werden.“ Zudem müsse der Katastrophenschutz der Länder besser synchronisiert werden. Ein wehrhaftes Land brauche die Fähigkeiten aller, nicht nur einen Wehrdienst, den man selbstverständlich auch verweigern könne, stellte Marcel Emmerich klar.
Das könne über ein Portal geschehen, in das jeder eingibt, wie er im Notfall helfen kann. Ebenso gehöre die Stärkung der Rettungskräfte von THW bis Feuerwehr dazu, zum Beispiel mit zusätzlichen Rentenpunkten für die Helfer. Sonja Rajsp-Lauer, Sprecherin der Grünen im Kreis, schlug eine europäische – ebenfalls verweigerbare – Wehrpflicht vor, die man als Pflichtjahr auch in anderen europäischen Ländern verbringen könnte. „Warum nicht einen soziales oder kulturelles Jahr in Spanien oder Portugal? Das hätte doch seinen Reiz!“
In der anschließenden Diskussion, die Artur Eichin, Landtagsabgeordneter der Rottweiler Grünen, moderierte, ging es auch die umstrittene Software von Palantir, gegen die sich der grüne Innenpolitiker klar wandte. „Die bisherigen Innenminister haben sich nie um Alternativen gekümmert.“ Die Grünen forderten dies aber schnellstmöglich. Das unterstrich auch Artur Eichin: „Wir brauchen endlich echte europäische digitale Lösungen – denn digitale Souveränität ist nicht nur eine Frage unserer Sicherheit, sondern eine große Chance für Baden-Württembergs Wirtschaft“, betonte er. „Wenn wir diese Zukunft selbst gestalten, schaffen wir Innovation, Unabhängigkeit und gute, krisenfeste Arbeitsplätze direkt hier im Ländle.“
So sah es auch Marcel Emmerich, immerhin arbeite Europol mit Software von IBM, und SAP biete ebenfalls passende Lösungen. Zur Sprache kamen zudem die auffällig vielen kleinen Anfragen von AfD-Abgeordneten in Sachen Verteidigung und Sicherheit. „Damit muss die Bundesregierung sehr präzise und umsichtig umgehen“, betonte der grüne Sicherheitsexperte. Es gebe durchaus Möglichkeiten, Dinge als geheim einzustufen – und diese Anfragen dann eben nicht zu beantworten.
Auch die Spaltung der Gesellschaft durch Fake News wurde diskutiert, hier sieht Emmerich die Firmen in der Pflicht. Und die EU-Kommission, die Verfahren auf den Weg bringen kann, an deren Ende hohe Bußgelder stehen. Allerdings sei es oft schwer, Falschbehauptungen als Straftat einzustufen, der Übergang zur freien Meinungsäußerung sei häufig fließend. Eine wehrhafte Gesellschaft, war man sich einig, kann sich nicht nur auf militärische Verteidigung verlassen. „Es geht darum, unsre Freiheit, Sicherheit und Demokratie zu verteidigen“, so Marcel Emmerich.