Lösung des Problems? Helios-Klinik in Rottweil unterbreitet Hebammen Angebot der Festanstellung

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Nach der bundesweit einzigartigen Kündigung der Beleghebammen an der Helios-Klinik in Rottweil gibt es eine gute Nachricht: Den Hebammen liegt nach Informationen der NRWZ ein Angebot der Klinik vor, in die Festanstellung zu wechseln. Das könnte bedeuten, dass die drohende Schließung des Kreißsaals abgewendet ist.

Eine Sprecherin der Helios-Klinik Rottweil bestätigte dies am Freitagmorgen der NRWZ schriftlich: Helios hat demnach den Hebammen „ein übertarifliches und faires Angestelltenangebot unterbreitet – ähnlich wie es auch für die Pflegekräfte gilt“. Am Nachmittag dann eine Einschränkung: Es handele sich tatsächlich um ein Angebot der Klinikleitung an alle Beleghebammen, „jederzeit in eine Festanstellung zu wechseln“. Die Sprecherin ergänzt: „Die Vergütung der Beleghebammen wird vom GKV-Spitzenverband mit dem Deutschen Hebammenverband festgelegt. Helios hat darauf keinen Einfluss.“ Derzeit sei noch nicht abschließend klar, welche dauerhaften Auswirkungen die neue Regelung auf die Selbstständigkeit der Hebammen haben werde.

In der Helios-Klinik Rottweil arbeite man seit Jahren erfolgreich „mit einem engagierten, gut eingespielten Team aus elf erfahrenen Beleghebammen“ zusammen, heißt es zudem aus der Klinik. Jährlich kommen rund 800 Kinder im Rottweiler Kreißsaal zur Welt. „Diese langjährige, vertrauensvolle Kooperation ist ein wichtiger Bestandteil unserer Geburtshilfe“, teilt die Klinik mit. Und weiter: „Wir bedauern daher umso mehr, dass sich die Hebammen zu dem Schritt gezwungen sahen, ihre Verträge zu kündigen. Wir möchten die umfassende und qualitativ hochwertige geburtshilfliche Betreuung auch nach  dem 31. März 2026 in bewährter Form und in enger Zusammenarbeit mit unseren Hebammen fortführen.“ Daraus resultierte das Angebot einer Festanstellung.

Ob die Hebammen das Angebot annehmen, ist noch unklar. Dennoch könnte das aus heutiger Sicht bedeuten, dass der Kreißsaal in Rottweil nicht von einer Schließung betroffen sein sollte, die ab März kommendes Jahres gedroht hatte. Denn zuletzt hatten alle Rottweiler Beleghebammen geschlossen gekündigt, um damit gegen den neuen Hebammenhilfevertrag zu protestieren. Nun hätten alle Hebammen die Möglichkeit, in ein reguläres Angestelltenverhältnis bei Helios zu wechseln, heißt es.

Zuletzt formierte sich Protest in der Innenstadt von Rottweil, der wie ein Lauffeuer aufs ganze Land übergriff. Ein Zeichen der Solidarität mit den örtlichen Hebammen, die sich gegen den Hebammenhilfevertrag auflehnen. „Keine Hebamme, keine sichere Geburt“ – mit Transparenten wie diesem protestierten hunderte Unterstützerinnen und Unterstützer Rottweiler Hebammen am vergangenen Samstag. Nach der gemeinsamen Kündigung der Beleghebammen der örtlichen Helios-Klinik hatten drei Mütter zur einer unterstützenden Demonstration aufgerufen.

Hintergrund: der Hebammenhilfevertrag

Der Hebammenhilfevertrag bringt erhebliche Veränderungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung unabhängiger Hebammen in Deutschland mit sich. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) hat bereits Bedenken geäußert, dass der neue Vertrag hinter den ursprünglichen Forderungen des Verbands zurückbleibt und negative wirtschaftliche Konsequenzen für die Hebammen haben könnte. Es gab zahlreiche Aktionen und politische Bemühungen, um Änderungen zu erreichen oder das Inkrafttreten des neuen Vertrags zu verhindern. Laut den Hebammen aber sieht es so aus, dass sie künftig, nach dem nun erfolgten Inkrafttreten des Vertrags, nicht mehr auskömmlich arbeiten können. „Die Abschlüsse der Hebammenverbände mit dem GKV lassen wieder die Unplanbarkeit der Arbeitsbelastung außer Acht und sind somit für die Beleghebammen eine Katastrophe. Für viele steht ihre Existenz auf dem Spiel“, heißt es vonseiten der Betroffenen. Der GKV ist die Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen.

Der zum 1. November 2025 in Kraft getretene Hebammenhilfevertrag regelt laut GKV bundeseinheitlich die Versorgung der gesetzlich Versicherten durch die etwa 18.000 freiberuflich tätigen Hebammen. „Der jetzt gültige Hebammenhilfevertrag bringt umfassende strukturelle Veränderungen mit sich, die die Versorgung der gesetzlich Versicherten deutlich verbessern. Darüber hinaus verbessert er die Vergütung für freiberuflich tätige Hebammen. Vom neuen Vertrag profitieren also die gesetzlich Versicherten genauso wie die Hebammen“, heißt es seitens des Verbands.

Die Regelungen des neuen Vertrags wurden im April 2025 durch eine Schiedsstelle festgesetzt und sind rechtlich bindend. Nachdem im Rahmen der Verhandlungen zwischen dem Deutschen Hebammenverband (DHV), dem Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD), dem Netzwerk der Geburtshäuser (NWGH) und dem GKV-Spitzenverband keine Einigung zur Ausgestaltung des neuen Hebammenhilfevertrags zustande gekommen war, hatte der DHV die für diesen Fall gesetzlich vorgesehene Schiedsstelle angerufen.

Der Hebammenhilfevertrag des GKV legt die Vergütung und Arbeitsbedingungen für alle freiberuflichen Hebammen bundesweit fest. Die Vergütung für Hebammen erfolgte bislang auf der Basis der Anzahl an Geburten. Der neue Vertrag sieht zum ersten Mal eine Abrechnung auf Minutenbasis vor. Freiberufliche Hebammen, die als Beleghebammen in Kliniken Geburten betreuen, bekommen lediglich 80 Prozent des neuen Stundensatzes.

Reaktion auf den Protest – und Gegenreaktion

Auf den allerorten aufgeflammten Protest reagiert der Verband aber inzwischen. Man nehme die geäußerten Bedenken und Sorgen von Hebammen zu den Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Tätigkeiten von freiberuflich tätigen Beleghebammen in Krankenhäusern sehr ernst und habe bereits im September konkrete Vorschläge zur flexibleren Umsetzung des von der Schiedsstelle festgelegten Vertrags unterbreitet, teilt der GKV mit. „Diese Vorschläge greifen die Sorgen der Hebammen auf.“

Die vorgeschlagenen Verbesserungen: Eine vollständige Eins-zu-eins-Pauschale für Beleghebammen wird nun auch für schnelle Geburten und bei Schichtwechseln anerkannt. Neu eingeführt wird eine Regelung, die es Hebammen ermöglicht, ambulante Leistungen zur Klärung eines akuten Behandlungsbedarfs eigenständig abzurechnen. Zudem wird eine Konvergenzphase eingeführt, die den Hebammen mehr Zeit gibt, sich an das neue Vergütungssystem anzupassen, welches finanzielle Anreize für eine Eins-zu-eins-Betreuung bietet. Der GKV-Spitzenverband erwartet, dass diese Änderungen zeitnah von den Vertragspartnern vereinbart werden.

Diese vorgeschlagenen Nachbesserungen können aus Sicht des Deutschen Hebammenverbands allerdings weder die Verdiensteinbußen eines Großteils der Beleghebammen ausgleichen, noch bilde er die Alltagsrealität in den Kreißsälen mit Beleghebammen ausreichend ab. Der Deutsche Hebammenverband hat hierzu ein offizielles Statement mit seiner Einschätzung veröffentlicht: Zum Statement zur Meldung des GKV-Spitzenverbands.

Um unterdessen den Druck zu erhöhen, haben sich Unterstützerinnen und Unterstützer der Hebammen am Samstagmorgen in der Hauptstraße in Rottweil versammelt. Allerdings musste der Protest offenbar ruhig vonstattengehen. Berichten zufolge waren weder Trillerpfeifen, Megaphone noch laute Instrumente erlaubt.




NRWZ-Redaktion

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Meine Frau ist ebenfalls Hebamme und steckt in derselben Lage. Bleibt standhaft und lasst euch weder von der Helios Klinik noch vom GKV in eine Festanstellung drängen. Wehrt euch…. erst wenn ihr fehlt, werden sie die Konsequenzen wirklich spüren. Dann wird es auch den Vertrag geben, den ihr verdient.

Ich bin stolz auf euch Hebammen. Im Team meiner Frau fehlt leider der Mut, so entschlossen aufzutreten. Doch eines ist klar: In vielen traditionell männlich dominierten Berufen würde man sich solche Respektlosigkeit gar nicht erst erlauben. Es ist beschämend was hier läuft.

Sie haben es gut beschrieben. Hut ab vor den Hebammen die die Courage haben gemeinsam dem System die Stirn zu bieten. Wenn sie dann in ein Angestelltenverhältnis übergehen heißt es dann „spring und frage höchstens wie hoch ….“. Solange sich alle einig sind haben sie eine Chance. Das sollte das Team ihrer Frau bedenken. Es ist wie bei Streiks ….. Trittbrettfahrer gibt es immer. Und ja ich ziehe als Mann den „Hut“ vor solch starken Frauen!

Mal kurz überlegen … bekommt die Klinik für den Personaleinsatz dann mehr Geld als die freiberuflichen Hebammen? Wohl kaum. Abzüglich der Verwaltungskosten und, ganz wichtig, des Gewinns, verbleibt den Hebammen dann wohl weniger als jetzt.

Und was ist dann wenn die Hebammen den Vertrag nicht annehmen?

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