Gegen den Vorschlag der Verwaltung: Kleines Windkraft-Konsortium sticht Großkonzern aus

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Die RWE AG mit Sitz in Essen ist ein börsennotierter Energieversorgungskonzern. Ein Mega-Unternehmen – gemessen am Umsatz gehört er mit E.ON, EnBW und Vattenfall zu den ganz Großen im Energieversorger-Geschäft. Dieses Unternehmen ist im beschaulichen Rottweil gestern Abend von einem kleinen, regional geprägten Energie-Konsortium ausgestochen worden. Die Verwaltung hatte zuvor anders entschieden.

Die drei großen Buchstaben waren gelegentlich am Rande einer nicht-öffentlichen Sitzung des Rottweiler Gemeinderats gestern Abend zu vernehmen: RWE. Ein Konzern, der Milliardenumsätze macht, der Kernreaktoren betreibt sowie Kohle- und Gaskraftwerke und inzwischen auch Windparks. Das Unternehmen wird auch Windräder auf landeseigenen Flächen bei Rottweil errichten – nicht aber auf einem städtischen Gebiet bei Rottweil-Neukirch.

Denn dort wird, nach einer intensiv abgewogenen, mehrheitlichen Entscheidung des Rottweiler Gemeinderats, die  „KEER“ zum Zuge kommen, die Kooperation Erneuerbarer Energien im Landkreis Rottweil GmbH. Als Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf am Donnerstagmorgen der örtlichen Presse zur Verfügung stand, saßen entsprechend auch keine hochdeutsch kommunizierenden Konzernvertreter neben ihm. Sondern etwa Peter Kälble von den Stadtwerken Schramberg und sein Kollege Stefan Kempf, kaufmännischer Geschäftsführer der ENRW, des Rottweiler Energieversorgers. Gemeinsam mit der Stromversorgung Sulz GmbH und der EnBW kommunale Beteiligungen GmbH bilden diese die KEER. Daneben gehört dem nun für Rottweil ausgewählten Windkraft-Konsortium das E-Werk Mittelbaden an, das dem Vernehmen nach bereits Windräder errichtet hat. Außerdem, das unterstreicht die regionale Herkunft, auch die „Klima Region Rottweil“. Das ist nach eigenen Angaben die erste Klimaschutz-Genossenschaft für den Landkreis Rottweil und die angrenzenden Landkreise. Die KEER, die Mittelbadener und die Genossenschaft halten jeweils ihre Anteile an der „Projektgesellschaft Windenergieanlagen Hart/Vaihinger Wald Rottweil“. Diuese soll neu gegründet werden und ihren Sitz in Rottweil haben. Stichwort: Gewerbesteuer.

Dass diese regional zusammengestellte Gesellschaft zum Zuge kam, war ursprünglich nicht der Wunsch der Verwaltung. Das Ressort Bauen & Stadtentwicklung hatte sich in dem Verfahren, die bei Neukirch zur Verfügung stehenden Flächen einem von zwei interessierten Projektierern zu geben, für den Konzern ausgesprochen. Für die RWE. Den Namen bestätigte OB Ruf am Donnerstag öffentlich nicht, aber er erklärte, dass der vom Konzern gebotene Pachtzins ebenso höher gelegen habe wie die Umsetzungswahrscheinlichkeit des Projekts. Aber man könne mit dem nun anderslautenden, mehrheitlichen Beschluss des Gemeinderats auch „sehr gut leben“ So hätten sich die Argumente auf beiden Seiten gut hören lassen. „Und es war eine Entscheidung für jemanden, nicht gegen jemanden“, sagte Ruf. Nach seinen Worten hatten sich gestern beide Bieter in jeweils 20 minütigen Präsentationen den Gemeinderätinnen und -räten präsentiert. Dann hätten diese beraten und diskutiert. Hätten allgemeine und Detailfragen gestellt, sich intensiv informiert und ausgetauscht, hätten Argumente abgewogen – und am Ende in Abwesenheit der Anbieter abgestimmt. Während die RWE-Leute dann das Rathaus verlassen durften, nahm Ruf die Leute der KEER mit in den Sitzungssaal, um sie kurz in öffentlicher Sitzung zu präsentieren.

Offenbar wurde der RWE zum Verhängnis, dass der Projektpartner der KEER, die E-Werke Mittelbaden, bereits in Schwarzwald-Hanglagen gebaut haben. So stehen deren Windräder nach Unternehmensangaben etwa an der Prechtaler Schanze, einer Passhöhe ins Badische. Und dann ist da das Finanzielle. RWE hätte mehr Pacht für die Windkraftanlagen auf Rottweiler Gemarkung gezahlt, so scheint es. Und deshalb habe sich der Ortschaftsrat Neukirch ebenfalls nicht für die KEER entschieden, ließ OB Ruf am Donnerstag durchblicken. „Aber das war nicht die streitentscheidende Frage“, sagte er. „Der entscheidende Punkt war, dass Neukirch partizipieren möge.“ Egal wen Rottweil also die Windräder errichten lässt, die Ortschaft möchte Geld sehen. „Dafür hatten die Gemeinderäte auch eine überwiegend große Sympathie“, ergänzte Ruf. Und so soll es kommen: Rund 10 Prozent der Einnahmen werden in das Dorf fließen. Wobei die Windräder Abstand davon halten sollen, 1200 Meter zur Wohnbebauung sind versprochen.

Dass der Gemeinderat Rottweil gestern Stunden braucht, um sich zu entscheiden, hält Ruf für völlig in Ordnung. „Windkraftentscheidungen sind intensiv, da muss man sich die Zeit nehmen“, sagte er. Die Beratungen seien „sehr, sehr kleinteilig geworden“, allerdings habe der Gemeinderat auch das Anrecht darauf, Informationen zu bekommen. Denn das sei kein kurzfristiges Projekt, so ein Windrad werde 20 bis 30 Jahre stehen. Wie hoch die Pacht für die Stadt Rottweil insgesamt wird? Das wollte OB Ruf nicht sagen. Lächelnd wich er aus: „Das ist abhängig vom Wind, von der Anzahl der Anlagen.“ Zwei oder drei sollen es bei Neukirch werden. Ein Standort liegt in der Verlängerung des Einsiedlerwegs, einer – der am unproblematischsten gilt – am Wasserhochbehälter und einer Richtung Harthaus. Ob es alle drei werden, ist noch unklar und hängt von der weiteren Projektentwicklung ab. Jetzt gehe es darum, „das zu konkretisieren und zu Papier zu bringen“, sagte Rottweils Bürgermeisterin Ines Gaehn.

Ein weiteres Versprechen liegt auf dem Tisch: „Möglichst noch vor Weihnachten“, die Ruf sagte, will die Verwaltung gemeinsam mit den Leuten von der KEER und ihren Partnern eine Bürgerinformation anbieten. Wahrscheinlich in der Turn- und Festhalle Zepfenhan, dort sei genügend Platz, man rechnet mit großem Interesse. Und auch Gegnern. Doch habe der Projektpartner aus Mittelbaden schon Erfahrung in diesen Dingen, hieß es. Ruf jedenfalls erklärte: „Wir wollen die vorgetragenen Bedenken und Befürchtungen aufnehmen und entsprechend beantworten.“

Jedenfalls habe der Gemeinderat „gestern Abend seine große Verantwortung sehr wahrgenommen“, lobte der Oberbürgermeister, der die Diskussion nach eigenen Angaben laufen ließ, ihr Raum gab. Die Anzahl der Wortmeldungen habe gezeigt, dass sich die Stadträtinnen und -räte auch intensiv im Vorfeld mit dem Thema befasst haben. „Dass sie ihrer hohen Verantwortung gerecht geworden sind“, so Ruf. Sein Fazit: Die Sitzungszeit „war gut investiert“.




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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