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Grünes Gratis-Wasser in Rottweil? „Herzliche Bitte: Lehnen Sie das ab“

Die mitgebrachte Flasche einfach mit Leitungswasser auffüllen lassen – geht es nach den Rottweiler Grünen, sollte dies in Rottweiler Betrieben, bei Einzelhändlern und anderen Geschäften, gratis möglich sein. Und etwa bei der Stadtverwaltung und ihren Einrichtungen. An „Refill Deutschland“ solle sich die Stadtverwaltung beteiligen. Rottweils OB Dr. Ruf sieht das als Gängelei. Er bat darum, das abzulehnen. Dazu kam es nicht mehr, weil die Grünen ihren Antrag am Mittwoch rechtzeitig zurückzogen.

Die Stadtverwaltung hatte es im Vorfeld der Diskussion im Gemeinderatsausschuss bereits in einer Stellungnahme abgelehnt, das Projekt, das auf den Namen „Refill Deutschland“ getauft wurde, umzusetzen. Grund: Es verursache unverhältnismäßig hohe Verwaltungs- und Koordinationsaufwände ohne erkennbaren Mehrwert. Es könne den Betrieben selbst überlassen werden, sich daran zu beteiligen.

Am vergangenen Mittwoch erst haben die Rottweiler Grünen – hier im Verbund mit der Fraktion SPD+FFR – bei einer Verpackungsmüll-Vermeidungs-Initiative eine Niederlage einstecken müssen. Es wird bis auf Weiteres keine entsprechende Steuer in Rottweil geben, entschied der Gemeinderat denkbar knapp. Den Antrag dazu hatten die Fraktionen im Februar gestellt, jetzt wurde er behandelt. Nur eine Woche später ist ein Antrag aus dem vergangenen August an der Reihe: Er läuft unter dem Titel „Teilnahme der Stadt Rottweil an der Kampagne ‚Refill Deutschland'“, oder: „Kostenloses Leitungswasser für Kunden und Gäste.“

Gesundheitsamt, Landratsamt, Küchenschelle und der Weltladen würden das in Rottweil aktuell bereits anbieten, hat Ingeborg Gekle-Maier als Antragsstellerin herausgefunden. Sie hat am Mittwoch ihren Antrag präzisiert, dass nicht die Stadtverwaltung direkt aktiv werden und für die Teilnahme an dem Projekt werben solle. Sondern, dass sie einfach mit gutem Beispiel vorangehen möge.

Dem erteilte Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf eine klare Absage: „Hier zeigt sich auf den zweiten Blick ein Denkmuster, das mir Sorge bereitet. Nämlich der Eindruck, dass wir Bürgerinnen und Bürger immer mehr an die Hand nehmen müssen, auch wenn es um etwas so Einfaches geht wie einen Schluck Wasser.“ Dafür braucht es aus seiner Sicht keine städtische Begleitung, kein öffentlich finanziertes Werbeprogramm. „Der Reflex, alles organisieren zu wollen“, unterdrücke die Eigeninitiative der Mitbürgerinnen und Mitbürger, sagte Ruf. „Dafür, so etwas Selbstverständliches zu verwalten, haben wir auch nicht die Ressourcen. Wir sollten aufhören, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger an die Hand zu nehmen.“

Folgerichtig äußerte Ruf die „herzliche Bitte“, dem Antrag nicht zu folgen, sondern ihn rundheraus abzulehnen.

Das erntete Zustimmung. Gekle-Maier, erkennend, dass sie scheitern würde, zog auf eine Anregung Rufs hin den Grünen-Antrag zurück. Er ist vom Tisch, musste nicht eigens abgelehnt werden. Die Sprecherin der Grünen-Fraktion zeigte sich schon damit zufrieden, dass die Diskussion und die erfolgte Berichterstattung darüber beim Einen oder Anderen zur Teilnahme an dem Projekt „Refill Deutschland“ führen könnte. Damit sei viel erreicht.

Zum Hintergrund: Die Initiative „Refill Deutschland“ ist eine deutschlandweite Kampagne gegen Plastikmüll. Teilnehmende Betriebe und Einrichtungen kennzeichnen sich mit einem blauen „Refill“-Aufkleber und bieten kostenlos Leitungswasser zum Auffüllen mitgebrachter Trinkflaschen an. Die Refill-Stationen werden zudem auf einer interaktiven Online-Karte verzeichnet, sodass Interessierte schnell die nächste Möglichkeit zum Auffüllen ihrer Wasserflasche finden können. In den Worten der Initiative:

Refill-Deutschland ist eine einfache Idee mit großer Wirkung: Sie fördert den einfachen und kostenlosen Zugang zu Trinkwasser für alle. Wer mitmacht, trägt aktiv zur Reduzierung von Plastikmüll und zu mehr Umweltschutz bei.

Eigenwerbung

Refill Deutschland sucht nach eigenen Angaben ständig nach weiteren Menschen, Initiativen oder Organisationen, die mitmachen und Teil des Umweltprojekts werden wollen. Das wollte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Rottweil erreichen – und zwar über die Stadtverwaltung. Diese sollte, so der ursprüngliche Plan, an der Initiative teilnehmen und die entsprechenden Aufkleber, über die sich teilnehmende Betriebe zu erkennen geben, diesen zur Verfügung stellen. Zudem sollten sich die städtischen Einrichtungen mit Publikumsverkehr „als Vorbild an der Aktion beteiligen“. Die Stadt solle die Initiative zudem auf ihrer Website bewerben, zudem in den sozialen Medien und im Amtsblatt, um Bürgerinnen und Bürger über das Angebot zu informieren. Und sie solle nach einem Jahr dem Gemeinderat über die Umsetzung und den Erfolg der Initiative berichten.

Foto: Refill Deutschland

Denn: Die Aktion sei ein Beitrag zum Umweltschutz etwa durch Plastikreduktion, zum Klimaschutz, weil Leitungswasser eine bessere Ökobilanz habe als Flaschenwasser, zur Gesundheitsförderung, weil die Menschen mehr Wasser trinken könnten. Und es könne sich ein Imagegewinn für die Stadt Rottweil ergeben, weil diese sich als fortschrittliche und umweltbewusste Kommune präsentieren könne. Und nicht zuletzt könne der lokale Einzelhandel und die Gastronomie gestärkt werden, die neue Kunden gewinnen würden und ihrerseits ihr umweltfreundliches Image stärken.

Das Leitungswasser in Deutschland und insbesondere in Rottweil ist von hervorragender Qualität und wird streng kontrolliert. Es ist daher bestens als Trinkwasser geeignet und kann bedenkenlos konsumiert werden. Mit der Teilnahme an der Refill-Initiative setzt die Stadt Rottweil ein deutliches Zeichen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit und leistet einen konkreten Beitrag zur Reduzierung von Plastikmüll und zur Gesundheitsvorsorge und Hitzeprävention zum Schutze der lokalen Bevölkerung.

Aus dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen

Eigentlich findet die Stadtverwaltung das alles ganz toll. Aber sie lehnte die Teilnahme an der Aktion „Refill Deutschland“ schon im Vorfeld der entscheidenden Sitzung des Gemeinderatsausschusses ab. Wirtschaftsförderer Alexander Stengelin erklärte dazu: „Die Stadtverwaltung begrüßt und unterstützt private Initiativen, die zur Abfallvermeidung, zum Klima- und Gesundheitsschutz beitragen. ‚Refill Deutschland‘ ist zweifellos eine solche Initiative. Gleichwohl ist eine Beteiligung der Stadtverwaltung derzeit nicht zielführend.“

Als Grund listete der Wirtschaftsförderer etwa den zu erwartenden Verwaltungsaufwand auf: „Die Stadtverwaltung ist im Unterschied zu einer privaten Initiative an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Eine Registrierung einzelner Betriebe als ‚Refill-Stationen‘ durch die Stadt würde eine flächendeckende, formalisierte Akquise voraussetzen. Jeder gastronomische Betrieb bzw. jede Einzelhandelsfläche müsste in geeigneter Weise informiert, dokumentiert und nach einheitlichen Kriterien behandelt werden. Dieser zusätzliche Prüf-, Kommunikations- und Dokumentationsaufwand steht in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen, den ein städtisches Engagement über das bereits bestehende private Engagement hinaus erzielen würde.“

Außerdem glaubt Stengelin, dass die Rottweiler Betriebe die Teilnahme durchaus aus eigener Kraft bestreiten könnten. „Selbstständig und ohne kommunale Unterstützung“, so Stengelin. Wenigstens ein Rottweiler Betrieb habe das bereits geschafft. Dagegen werde der Bereich Innenstadtmanagement innerhalb der Wirtschaftsförderung derzeit neu aufgestellt. „Personelle und zeitliche Ressourcen sind vorrangig für die Bewältigung akuter Themen gebunden (etwa Auswirkungen der neuen Parkgebührenordnung, Einführung RottweilCard)“. Auch nach eindeutiger Rückmeldung des Gewerbe- und Handelsvereins sollten die knappen Ressourcen zunächst auf diese dringenden Schwerpunkte konzentriert werden, so der Wirtschaftsförderer. Und schließlich stünde der Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen. Die Kernleistung der Stadt bestünde im Wesentlichen in der Verteilung von Informationsmaterial und Aufklebern sowie in der Pflege einer städtischen Kommunikationskampagne, fasst Stengelin zusammen. Diese Aufgaben ließen sich einfacher, schneller und ressourcenschonender durch engagierte Privatpersonen oder Vereine wahrnehmen, ohne die städtische Verwaltungsebene einzubinden.

Mehr Infos: https://refill-deutschland.de




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.
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