Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Schlendrian im Rottweiler Bauamt: Prüfung fördert Fehler zutage – einer wurde schon vor Jahren angemahnt

Im Rottweiler Bauamt hat in den Jahren 2018 bis 2022 – und teils darüber hinaus – offenbar ein gewisser Schlendrian geherrscht. Das hat die Gemeindeprüfungsanstalt festgestellt. Die Stadtverwaltung muss das Ergebnis dem Gemeinderat vorlegen. Sie gelobt Besserung.

Unvollständige, nicht prüfbare Bauakten. Unvollständige und intransparente Dokumentation von Bauvergaben. Verzicht auf wirksame Stundenlohnvereinbarungen auf städtischen Baustellen (um Kosten zu deckeln). Und fehlende Abfragen aus dem Gewerbezentralregister vor der Auftragsvergabe. Das sind im Wesentlichen die Punkte, die der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) bei einem Check des Rottweiler Bauamts aufgefallen sind. Der überprüfte Zeitraum erstreckt sich über die Jahre 2018 bis 2022.

Ein Missstand, der dabei zutage getreten ist: Die zur Prüfung der Bauausgaben notwendigen Unterlagen haben laut GPA nicht immer ordnungsgemäß beziehungsweise vollständig vorgelegen. Sie seien deshalb „nicht uneingeschränkt prüffähig“ gewesen. Die vorgelegten Bauakten wurden laut GPA-Bericht maßnahmenbezogen als reine Papierakte, als digitale Akte oder als sogenannte Hybridakte, einer Mischung aus beidem, geführt. Ein Durcheinander, das die Stadt beseitigen will. „Wir entschuldigen die nicht ordnungsgemäß geführten Bauakten“, heißt es in einer Stellungnahme, die dem zuständigen Gemeinderatsausschuss samt dem Prüfbericht für seine Sitzung kommende Woche vorgelegt worden ist.

Die Verwaltung begründet das Problem mit der verwendeten Software, die zwar grundsätzlich Schriftstücke verwalten, aber keine Baupläne aufnehmen könne. Deshalb seien die Akten an unterschiedlichen Orten digital beziehungsweise auf Papier abgelegt worden. Die Stadt Rottweil beabsichtigt nun, auf ein anderes Programm umzustellen. „Wir werden die entsprechenden Abteilungen
anweisen, die Aktenführung ordnungsgemäß anzuwenden, um künftig solche Missstände zu verhindern“, heißt es in der städtischen Stellungnahme. Daraus kann entnommen werden, dass das Problem bis heute fortbesteht.

GPA: „Schriftliche Vereinbarungen von Stundenlohnarbeiten wurden bisher nicht getroffen.“

Ein weiterer Punkt: Das Rottweiler Bauamt versäumt es offenbar seit Jahren, vor Auftragserteilung Stundenlohnvereinbarungen zu treffen. Und das für den Fall, dass später, während der Bauausführung, Zusatzleistungen erforderlich werden. So, wie die Stadtverwaltung Rottweil das laut GPA handhabt, liegen zwar Positionen im Titel „Stundenlohnarbeiten“ vor, die aber „nur den Charakter von Bedarfspositionen oder von Preislisten“ hätten, „denen im Gegensatz zu den Leistungspositionen noch keine konkreten Bauleistungen zugrunde liegen.“ Die Gemeindeprüfungsanstalt argumentiert, dass auf diese Weise keine wirksame Kostenkontrolle möglich sei.

Bemerkenswert: Diesen Punkt hat die GPA nach eigenen Angaben schon Ende 2018 angemahnt. Mit Schreiben vom 15. März 2019 habe die Rottweiler Verwaltung der Prüfungsanstalt mitgeteilt, „dieser Feststellung abzuhelfen, was letztlich zu einer uneingeschränkten Bestätigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde geführt hat“. Und nun: „Im Zuge der Nachschau war demgegenüber festzustellen, dass die Erledigungszusage nicht eingehalten wurde.“

Im Klartext: Die GPA hat die Stadt bereits im Dezember 2018 aufgefordert, Stundenlohnarbeiten vorab vertraglich zu verabreden. Die Stadt sagte das zu, handelte danach aber offenbar nicht. Daraufhin wird die GPA deutlicher: „Die Prüfungsfeststellung ist nunmehr künftig zu beachten“, lautet die Anweisung. Die Stadtverwaltung Rottweil verspricht erneut: „Wir werden künftig separate Stundenlohnvereinbarungen abschließen.“

Vergabeunterlagen unübersichtlich oder unvollständig

Die GPA kritisiert auch: „Zur Vergabe von Bauleistungen wurden nicht immer vollständige, beziehungsweise übersichtliche Dokumentationen erstellt.“ So stellte die GPA nach eigenen Angaben fest, dass im Allgemeinen zu den jeweiligen Vergabeverfahren zwar Vergabeakten angelegt worden seien, jedoch seien die Unterlagen vielfach nicht vollumfänglich zusammengestellt worden („beginnend ab der Bekanntmachung bis hin zur Zuschlagserteilung, gegebenenfalls auch bestimmte Rechengänge, Punktebewertungen, Begründungen und dergleichen“, wie es im Prüfbericht steht). Vor allem zu den Ausschreibungen bei elektronischen Vergabeverfahren seien die Dokumentationen „lückenhaft“ gewesen, „sodass fehlende Bestandteile erst nach Anforderung in geeigneter Weise vorgelegt werden konnten“.

Die Stadtverwaltung Rottweil reagiert darauf wie folgt: „Wir entschuldigen die nicht immer vollständige und übersichtliche Dokumentationen. Die einzelnen Abteilungen wurden darauf hingewiesen, diese Dokumentationen zukünftig vorschriftsmäßig nach unserer Dienstanweisung zu erstellen.“

Verstoß gegen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

Bei der Erschließung des Baugebiets Spitalhöhe ist laut GPA ebenfalls etwas schiefgelaufen. So kam es anscheinend vorgabewidrig zu einem freihändig vergebenen Anschlussauftrag für die „Wohnstraße 6“ und „Sammelstraße West“. Während der nach den Bestimmungen beauftragte Unternehmer das „Quartier Mitte“ abarbeitete, habe die Stadt beschlossen, dem Auftragnehmer auch die Neubauleistungen für die außerhalb des beauftragten Erschließungsgebiets liegende „Wohnstraße 6“ und „Sammelstraße West“ zu übertragen. Diese Leistungen seien ursprünglich Teil der Erschließung des „Quartiers West“ gewesen, welche später umgesetzt werden sollte. Sie sind laut GPA stattdessen an den bereits aktiven Unternehmer übertragen worden, ohne dass ein Vergabeverfahren durchgeführt wurde.

Die Prüfungsanstalt kommt zu dem Schluss: „Die Auftragserweiterung verstieß gegen die vergaberechtlichen Bestimmungen der VOB/A.“

Die Stadtverwaltung reagiert wie folgt: „Eine Begründung der damaligen Entscheidungen lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren, da alle Mitarbeitenden des Projekts inzwischen den Arbeitgeber gewechselt haben. Wir haben die Problematik des beanstandeten Vorgehens intern besprochen und werden künftig das Vergaberecht beachten.“

Auch Unterhaltsarbeiten in der Imster Straße seien so vergeben worden. An ein im „Quartier Mitte“ bereits tätiges Bauunternehmen.

Ebenfalls auf der Spitalhöhe kam es laut GPA zu einem Auftrag auf Basis eines sogenannten Pauschalpreisnebenangebots. Die Prüfungsanstalt bezeichnet diese Vergabeform als risikoreich. Die Stadt verspricht hier: „Nebenangebote in Form von Pauschalpreisangeboten werden zukünftig bei der Ausschreibung von Tiefbaumaßnahmen nicht mehr zugelassen.“

Auftrag ohne Ausschreibung

Für die Erschließung des gesamten Baugebiets seien unterschiedliche Ingenieurleistungen erforderlich geworden. Mit den Leistungen der Objektplanung für Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen sei ein einzelnes Ingenieurbüro direkt beauftragt worden. Insgesamt wurden hierfür sieben Einzelverträge abgeschlossen. Worauf das Rottweiler Bauamt laut GPA verzichtete: „Sowohl eine Bedarfsplanung als auch eine Schätzung des Auftragswertes wurden nicht erstellt.“ Die Auftragsvergaben dieser freiberuflicher Leistungen hätten über dem EU-Schwellenwert gelegen. Sie hätten ausgeschrieben werden müssen, so die GPA.

Zu diesem Punkt hätte die Prüfungsanstalt gerne Nachricht aus Rottweil: „Wir bitten mitzuteilen, wie künftig sichergestellt wird, dass erforderliche EU-weite Vergabeverfahren bei Planungsleistungen auch durchgeführt werden.“ Auch hier gelobt die Stadtverwaltung Besserung.

Eigenbetrieb ENRW in der Kritik

Bei einem Auftrag soll auch der ENRW-Eigenbetrieb Stadtentwässerung einen Fehler gemacht haben. Hier rügt die GPA eine nach ihrer Feststellung falsche Zuordnung einer Ingenieursleistung. „Künftig ist beim Abschluss von Architekten- und Ingenieurverträgen darauf zu achten, dass die zu erbringenden Leistungen den betreffenden Leistungsbildern korrekt zugeordnet werden“, schreiben die Prüfer.

Das Fazit

Die Stadtverwaltung Rottweil will die Probleme offenbar abstellen. Sie hat die Mängelberichte und Empfehlungen der Gemeindeprüfungsanstalt zur Kenntnis genommen und Maßnahmen zur Verbesserung der Prozesse und Einhaltung der rechtlichen Vorgaben angekündigt. ​Das Ziel sei die Optimierung der Verwaltungsprozesse und die Vermeidung von Vergabeverstößen in der Zukunft.

Die finanziellen Auswirkungen dieser Missstände, wie die Stadtverwaltung selbst einen Teil der Probleme nennt, bleiben unklar. Die GPA liefert keine Angaben dazu.

Zum Hintergrund: Die GPA ist für die überörtliche Prüfung der Stadt zuständig. Die Prüfung erfolgte laut Stadtverwaltung – mit Unterbrechungen – in der Zeit vom 6. November 2023 bis 5. Februar 2024 bei der Verwaltung und anschließend bei der GPA. Gegenstand der Prüfung waren die Bauausgaben in den Haushaltsjahren (Wirtschaftsjahren) 2018 bis 2022.

Nach der Gemeindeordnung hat der Oberbürgermeister den Gemeinderat (mindestens) über den wesentlichen Inhalt des Prüfungsberichts zu unterrichten. Das ist erfolgt, der Prüfbericht liegt den Stadträtinnen und Stadträten vor. Kommende Woche soll im Rahmen der Sitzung des Umwelt-, Bau- und Verkehrsausschusses öffentlich über die Kenntnisnahme abgestimmt werden.

Mehr zur GPA hier.




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Back to top button
Close

Adblocker gefunden.

Vielen Dank für Ihren Besuch auf NRWZ.de. Unser System hat erkannt, dass Sie einen Adblocker installiert haben, der die Auslieferung von Anzeigen blockiert. NRWZ.de finanziert sich aber zu einem hohen Grad über Anzeigen, weshalb wir Sie bitten, den Adblocker für unsere Website zu deaktivieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis!