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Stadt Rottweil befürwortet eine Verpackungssteuer, CDU lehnt sie ab – wie entscheidet der Gemeinderat?

Die Stadtverwaltung Rottweil befürwortet die Einführung einer Steuer auf Einwegverpackungen in Rottweil. Ein fraktionsübergreifender Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD+FFR vom 4. Februar 2025 könnte die Steuer auf den Weg bringen, denn die Verwaltung hat sie geprüft – und für gut befunden. Die örtliche CDU hat sich bereits klar dagegen positioniert. Die Entscheidung darüber soll jetzt der Gemeinderat treffen.

Eine eigene Steuer auf Einwegverpackungen in Rottweil – sie könnte 2027 kommen. Die Verwaltung sieht sich jedenfalls bereit dafür und befürwortet das Vorhaben. So eine kommunale Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, vor allem im Bereich Take-Away-Essen und Getränke, könne an der Reduzierung von Einwegmüll mitwirken sowie Mehrwegsysteme und die kommunale Abfallvermeidungsstrategie unterstützen, heißt es. Konkret kommt die Verwaltung zum Schluss:

„Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ist rechtlich zulässig, politisch geboten und ökologisch wirksam, sofern sie maßvoll ausgestaltet und mit einem begleitenden Förderprogramm für Mehrwegsysteme verbunden ist.

Die Verpackungssteuer ist kein Verbot, sondern ein Lenkungsinstrument mit positiver Wirkung auf Umwelt, Stadtsauberkeit und Ressourcenschonung. Kritische Stimmen sind ernst zu nehmen – insbesondere hinsichtlich der Belastung kleiner Betriebe – doch durch Förderprogramme und Dialog kann hier ausgleichend gewirkt werden.

Fazit der Stadtverwaltung Rottweil. Aus der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat.

Diskutieren soll der Gemeinderat Rottweil im Rahmen seiner Sitzung am Mittwoch, 8. Oktober 2025, die um 19.30 Uhr beginnt.

Gleich vorweg: Es ist nicht das Ziel, die örtlichen Gastronomen und Händler durch eine zusätzliche Steuer zu belasten, wie den Befürwortern einer solchen gerne vorgeworfen wird. Vielmehr, und so drückt es die Stadtverwaltung Rottweil aus, solle „im Rahmen der Einführung einer Verpackungssteuer wird geprüft (werden), inwiefern ein kommunales Förderprogramm zur Unterstützung von Gastronomiebetrieben bei der Umstellung auf Mehrwegsysteme sinnvoll und notwendig ist“. So ist es das erklärte Ziel, die durch die Steuer entstehende Mehrbelastung – insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe – abzufedern und die Umstellung auf umweltfreundliche Alternativen aktiv zu begleiten. Denn es gebe bereits einige Betriebe, die freiwillig in Mehrwegsysteme investiert und entsprechende Lösungen eingeführt haben. Bäcker, beispielsweise.

Die Stadt Rottweil will sich hier an Vorbildern orientieren. So erhebt Tübingen seit dem 1. Januar 2022 eine Verbrauchssteuer auf nicht wiederverwendbare Verpackungen sowie nicht wiederverwendbares Geschirr und Besteck. Der Endverkäufer von entsprechenden Speisen und Getränken ist zur Entrichtung der Steuer verpflichtet. Ebenso haben die Gemeinden Konstanz (seit dem 1. Januar 2025) und Nellingen (seit dem 1. Juli 2025) die Verpackungssteuer eingeführt. Die Städte Freiburg und Heidelberg sind laut Rottweiler Stadtverwaltung in der Vorbereitung zur Einführung der Verpackungssteuer. Der Freiburger Oberbürgermeister äußerte sich zum jetzigen Zeitpunkt gegen die Einführung der Verpackungssteuer, doch die Mehrheit im Gemeinderat stimmte dafür, weshalb die Verpackungssteuer ab dem 1. Januar 2026 gelten soll.

Der Gemeinderat in Villingen-Schwenningen lehnte die Einführung einer Verpackungssteuer ab, da die Mehrheit die Lenkungswirkung zur Reduzierung von Müll anzweifelte. „Es wurde argumentiert, dass durch die Verpackungssteuer zusätzliche Einnahmen für den Haushalt erzeugt würden und die angestrebte Reduzierung von Müllaufkommen und Ressourcenverbrauch nicht stattfinden würde“, fasst Rottweil die Diskussion dort zusammen. Außerdem würde die Steuer zu einer Zunahme von bürokratischen Regelungen bei minimalem Wirkungsgrad führen.

So sieht es auch die CDU im Rottweiler Gemeinderat. Deren Rätinnen und Räte weisen darauf hin, dass derzeit auf EU-, Bundes- und Landesebene daran gearbeitet werde, die Wirtschaft von bürokratischen Beschwernissen zu befreiten. Da sei es widersinnig, auf der untersten Ebene den ohnehin gebeutelten Gastronomiebetrieben, dem Einzelhandel, den handwerklichen Metzgereien und Bäckereien sowie weiteren einschlägigen Unternehmen neue Lasten aufzubürden und ein Bürokratiemonstrum zu installieren. „Es ist doch vermessen, auf kommunaler Ebene eine ganz neue Steuer mit mehr als zweifelhafter Wirkung, aber unstreitig hohem Verwaltungsaufwand einzuführen, um das Verpackungsproblem zu lösen“, sagt etwa die CDU-Fraktionsvorsitzende Monika Hugger.

Juristisch steht einer Einführung einer lokalen Steuer nichts im Wege. Zwar hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die entsprechende Tübinger Satzung zunächst für unwirksam erklärt, das Bundesverwaltungsgericht entschied aber im Mai 2023, dass die Steuer zulässig ist. Die endgültige Bestätigung erfolgte durch das Bundesverfassungsgericht am 22. Januar 2025. Begründung: Es handele sichum eine örtliche Verbrauchsteuer, für die Kommunen die Gesetzgebungskompetenz besitzen. Außerdem stehe die Steuer nicht im Widerspruch zum bundesrechtlichen Abfallrecht und stelle keine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit dar.

Die Stadt Rottweil, hier die Kämmerei, hat sich die Mühe gemacht, das Für und Wider einer Verpackungssteuer mal ausführlich abzuwägen. Die Behörde listet für die Entscheidung des Gemeinderats Pro- und Contra-Argumente. Zitat:

Pro-Argumente

  • Umwelt- und Klimaschutz
    • Reduktion von Einwegmüll im öffentlichen Raum (weniger Verschmutzung von Straßen, Parks, Plätzen)
    • Entlastung des Betriebshofs und geringere Müllentsorgungskosten
    • Klimaschutz durch Vermeidung von CO₂-intensiver Einwegproduktion
    • Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung für nachhaltigen Konsum
  • Verbesserung des Stadtbilds & Aufenthaltsqualität
    • Sauberere, attraktivere Städte fördern längere Aufenthaltsdauer und höhere Wiederbesuchsabsicht
    • Höhere Lebens- und Erlebnisqualität für Einheimische und Gäste
  • Imagepflege & Tourismusmarketing
    • Positionierung als moderne, nachhaltige Stadt mit verantwortungsvoller Umweltpolitik
    • Positive Wirkung im Standort- und Tourismusmarketing („grüne Stadt“, „Zero-WasteZiel“)
    • Erhöhte Attraktivität für umweltbewusste Reisende
  • Wirtschaftliche & finanzielle Vorteile
    • Finanzielle Lenkungswirkung: Förderung von Mehrwegverpackungen durch Preisanreize
    • Einnahmequelle für Kommunen, zweckgebunden für Umweltprojekte, Stadtreinigung, Bildungsinitiativen
    • Kostenersparnis durch geringere Müllentsorgung
  • Innovationsförderung & lokale Wertschöpfung
    • Entwicklung und Förderung innovativer Mehrwegsysteme (z. B. Pfandbecher mit Stadtlogo)
    • Touristischer Zusatznutzen: Mehrwegprodukte als Souvenirs, Eventprodukte, Angebote in Hotels
    • Stärkung regionaler Anbieter mit nachhaltigen Lösungen

Contra-Argumente

  • Belastung für Gastronomiebetriebe
    • Kostendruck und Bürokratie, insbesondere für kleine Cafés, Imbisse, Bäckereien
    • Saisonbetriebe haben oft keine praktikablen Mehrwegalternativen
    • Filialbetriebe in mehreren Kommunen müssen sich auf unterschiedliche Regelungen einstellen
    • Widerstand aus der Branche: Kritik und Ablehnung durch Interessenverbände wie IHK und Gastronomieverbände, v. a. wegen wirtschaftlicher Belastung und Wettbewerbsnachteilen
  • Verwaltungsaufwand: Hoher Aufwand für Erhebung, Kontrolle und Vollzug der Steuer
  • Nachteile für Verbraucher & Touristen
    • Steuer wird häufig an Endkunden weitergegeben
    • Verwirrung bei Touristen durch fehlende Information oder uneinheitliche Besteuerung
    • eingeschränkter Zugang zu günstiger Verpflegung für Menschen mit geringem Einkommen
    • ggf. negative Rezensionen bei schlechter Umsetzung oder Kommunikation
  • Praktische Schwächen von Mehrwegsystemen
    • Mehrwegsysteme oft nicht touristentauglich (fehlende Rückgabemöglichkeiten, Ortsbindung)
    • Gefahr, dass Mehrwegmüll im öffentlichen Raum entsteht
    • Ohne ausreichende Infrastruktur wirkt die Steuer nur begrenzt

In der Abwägung kommt die Stadtverwaltung zum Schluss, dass es sinnvoll sei, eine örtliche Verpackungssteuer einzuführen. Die Stadt bietet im Rahmen dessen und zum Ausgleich finanzielle Zuschüsse für den Erwerb von Mehrwegbehältern und -spülsystemen, etwa bis zu einem bestimmten Betrag pro Betrieb, die Förderung von Kooperationen mit etablierten Mehrwegpools wie Recup, Vytal, Beratungsleistungen für Betriebe durch die Stadt etwa in Hygienekonzepten sowie eine Informationskampagne zur Sensibilisierung der Kundschaft.

In Rottweil soll die Steuer, etwa wie in Tübingen auch, auf nicht wiederverwendbare Verpackungen, Geschirr und Besteck erhoben werden, sofern diese zum Verkauf oder zur Ausgabe von Speisen und Getränken verwendet werden, die verzehrfertig und für den unmittelbaren Verzehr bestimmt sind. Beispiele gehen vom Coffee-to-go-Becher über Pizzakartons, Salat-Bowls und Imbiss-Boxen bis zu Joghurtbechern, wie etwa Bäckereien sie anbieten. Eben alles, was man bislang leer vespert und dann wegschmeißt.

Die Stadt Rottweil nennt auch bereits Beträge, die Kundinnen und Kunden bezahlen sollen, etwa

  • 0,50 Euro (netto) für Einwegverpackungen wie zum Beispiel Kaffeebecher
  • 0,50 Euro (netto) für Einweggeschirr wie zum Beispiel Pommes-Schalen
  • 0,20 Euro (netto) für Einwegbesteck und andere Hilfsmittel wie zum Beispiel Trinkhalm oder Eislöffel

Genau diese Summen werden aktuell in Tübingen fällig.

Auch Steuerbefreiungen soll es geben, etwa im Rahmen von großen Festen und Märkten. Während derer könne ein Spülmobil zum Einsatz kommen, heißt es.

Und so schlägt die Verwaltung dem Gemeinderat vor, die Verpackungssteuer ab 2027 einzuführen Man glaubt, dass es sinnvoll sei, noch abzuwarten und die Erfahrungen und Ergebnisse aus anderen Kommunen zu beobachten. Ohnehin benötige die Einführung der Verpackungssteuer „aus personeller Sicht einen längeren Vorlauf und eine intensive Vorbereitung, auch in Zusammenarbeit mit den Abteilungen Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing“, schreibt die Behörde.

Zum Hintergrund: Seit dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland die sogenannte Mehrwegangebotspflicht für bestimmte Gastronomiebetriebe und Verkaufsstellen, die Lebensmittel oder Getränke in Einwegkunststoffverpackungen oder To-Go-Behältern verkaufen. Kleine Betriebe mit weniger als fünf Beschäftigten und unter 80 Quadratmeter Verkaufsfläche müssen kein eigenes Mehrwegsystem anbieten, aber mitgebrachte Mehrwegbehälter der Kunden befüllen.

Unterm Strich soll bei der Stadt Geld hängen bleiben, trotz geschätzter Personalkosten. Die Kämmerei rechnet mit Mehreinnahmen zwischen 70.000 und 90.000 Euro pro Jahr. Geld all derer, die ihren Kaffe weiterhin aus einem Wegwerfbecher trinken, ihren Döner weiterhin aus einer Styroporbox essen wollen, beispielsweise.

Der Beschlussvorschlag an den Rottweiler Gemeinderat jedenfalls lautet:

„Die Verwaltung wird beauftragt, einen Satzungsentwurf zur Einführung der Verpackungssteuer ab dem Jahr 2027 zu erarbeiten.“

Die Entscheidung soll am Mittwoch, 8. Oktober 2025 fallen.

Mehr zum Thema:

Verpackungssteuer in Tübingen: https://www.tuebingen.de/verpackungssteuer

Shitstorm contra Umweltschutz: Streitthema Verpackungssteuer – und wieso das Modell in noch mehr Städten kommen könnte“ (SWR)




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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