Rotes Flatterband oben, ein leuchtendes Zeichen „Verbot der Einfahrt“ – weißer Balken auf rotem Kreis – unten: Der Aufzug zu Ferngleis 5 am Bahnhof Rottweil ist definitiv außer Betrieb. Das, seitdem die Feuerwehr ihn gewaltsam öffnen musste, um einen Mann zu befreien. Wie lange dieser Zustand anhält, ist unklar, die Bahn wartet auf Ersatzteile. Klar ist, der widerspenstige Aufzug, der sich so standhaft gegen ein Eindringen der Retter von der Feuerwehr gewehrt hatte, ist erst gut einen Monat zuvor gewartet worden.
Es war, wie wir berichtet haben, ein nicht alltäglicher Einsatz für die Feuerwehr an jenem Mittwoch, den 13. August: Rund eine Dreiviertelstunde benötigten die Einsatzkräfte, um einen in der Fahrkabine festgehaltenen Mann daraus zu befreien. Alle üblichen und vorgesehenen Versuche und Maßnahmen scheiterten. Schon der Dreikant, mittels dessen die äußere Tür eigentlich leicht zu öffnen sein müsste, um an die Doppeltür der Kabine und an deren Schließmechanismus zu gelangen, versagte. Der Mechanismus später obendrein. Und erst recht jeder Versuch einer manuellen Steuerung mittels der genau dafür vorgesehenen Steuerung. Wie gesagt: Am Ende schlugen Einsatzkräfte Glas ein, verbogen Bleche, setzten dem Aufzug gewaltsam zu, konnten den eingeschlossenen Mann schließlich befreien. Diesem ging es gesundheitlich gut. Wie Einsatzleiter Frank Müller der NRWZ allerdings im Nachgang berichtete, habe er zu Beginn der Befreiungsmaßnahmen allerdings darauf hingewiesen, dass er herzkrank sei. Deshalb habe er, Müller, am Ende auch nicht mehr gezögert, sondern seine Leute loslegen lassen. Bis sie schließlich über den widerspenstigen Aufzug siegten, worüber wir in Wort und Bild hier berichten.
Übrigens: Entgegen einer anderen Aussage auf der bahneigenen Seite bahnhof.de ist der Aufzug zu den Gleisen 4 und 5 weiterhin außer Betrieb.
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran“
Auf Nachfrage der NRWZ versichert eine Sprecherin der Bahn: „Die DB arbeitet mit Hochdruck daran, die Aufzugsanlage wieder betriebsfähig zu machen: Es wurden alle nötigen Schritte zur Entstörung und Schadensbehebung in die Wege geleitet und wir sind ständig im Austausch mit unseren Dienstleistern. Sobald uns die Ersatzteile vorliegen, wird die Aufzugsanlage repariert.“
Einen Zeitplan kann sie verständlicherweise aktuell nicht nennen.
Die barrierefreien Bahnhöfe und Stationen in der Region würden mobilitätseingeschränkten Fahrgästen ganz allgemein Zugang zum Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV), ergänzt die Bahnsprecherin. „Die DB tut deshalb alles, dass die technischen Anlagen, die die Stufenfreiheit sicherstellen, auch funktionieren.“ Für Notbefreiungen – wie der des eingeschlossenen Mannes in Rottweil – seien bundesweit externe Dienstleister zuständig. Ein solcher war an jenem Mittwoch offenbar nicht verfügbar. Auch, als klar war, dass die Bahn in absehbarer Zeit keinen Techniker zur Verfügung stellen würde, entschied Einsatzleiter Müller seinerzeit auf rohe Gewalt.
Grund für Komplettausfall ist unklar
Warum der Aufzug so umfangreich ausfiel, ist weiterhin unklar. „Bisher haben wir keine Hinweise für den Grund der Fehlfunktion“, erklärt die Sprecherin der Bahn, „dies wird im Zuge der Instandsetzung eruiert“.
Die letzten Wartungsarbeiten jedenfalls wären am 4. Juni 2025 vorgenommen worden. Also etwa fünfeinhalb Wochen zuvor.
Bei den Einsatzkräften hat diese Geschichte für Kopfschütteln gesorgt. Etwa auch, als sie zwei Tage später erneut einen steckengebliebenen Aufzug öffnen mussten – und als das dort, in einem privaten Mehrfamilienhaus in der Mittelstadt, nur ein paar Minuten ging. Und der Dreikant ausreichte.
Diskussion um Barrierefreiheit – und Alternative zum Aufzug
Auf der NRWZ-Facebook-Seite löste der Fall am Bahnhof eine Diskussion aus. Die ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt Rottweil, Ruth Gronmayer, meldete sich zu Wort. Und zwar folgendermaßen:
Zunächst einmal ein ganz herzliches Dankeschön
an Herrn Müller und alle anderen Einsatzkräfte, die auch bei diesem Einsatz so tolle Arbeit geleistet haben
!
Was ich nicht verstehe: warum fühlt sich hier die Bahn (mal wieder) nicht in der Verantwortung und schickt nicht einmal einen Techniker?
Das Thema der kaputten Aufzüge an Bahnhöfen ist leider (nicht nur in Rottweil) ein Dauerbrenner. Nachdem ich als Rollstuhlfahrerin mehrfach Reisen per Bahn geplant habe und wegen kaputter Aufzüge dann doch mit dem Auto fahren musste, nutze ich die Bahn seit Jahren gar nicht mehr. Als Lösung fiele mir da nur ein, den Zugang zu den Gleisen wieder über die Gleise zu ermöglichen, wie das früher (bevor es in Rottweil am Bahnhof überhaupt einen Aufzug gab) möglich war. Dies ist lt. Aussage der Bahn leider nicht mehr zulässig. In Rottweil ist der Aufzug jetzt ja vermutlich auch wieder mehrere Wochen oder gar Monate außer Betrieb, da die Scheibe repariert werden muss und Personen mit eingeschränkter Mobilität, aber auch welche mit schweren Koffern oder Kinderwagen haben da das Nachsehen …
Der Beitrag auf der NRWZ.de-Facebook-Seite:
Im weiteren Verlauf der Diskussion, in dem ein Leser ihr erwiderte, dass die Bahn enorme Anstrengungen unternehme, die Barrierefreiheit der Bahnhöfe sicherzustellen, dass die Bahn außerdem durch falsche Politik auf Verschleiß gefahren worden sei, ergänzte Gronmayer:
Barrierefreiheit ist … nicht nice-to-have, sondern gesetzlich verankert, wie beispielsweise auch Sicherheitsvorschriften. Tatsache ist, dass die Aufzüge am Bahnhof in Rottweil seit Jahren häufig außer Betrieb sind und es daher aus meiner Sicht dringend einer alternativen Möglichkeit bedarf, die verschiedenen Gleise barrierefrei zu erreichen.
und:
Früher gab es eine Überführung (eigentlich für Gepäckwagen). Das wäre aus meiner Sicht beispielsweise eine Option, die ausfallsicher wäre. Das habe ich bereits an mehreren Bahnhöfen gesehen, teilweise mit Schranken abgesichert.
Der Vorschlag der Behindertenbeauftragten lautet also, die Gleise barrierefrei zu gestalten und gegebenenfalls mit Schranken zu sichern, um einen Weg zum Ferngleis zu ermöglichen. Darauf hat die Bahn eine eher knappe Antwort, die aus zwei Sätzen besteht: „Für die DB hat die Sicherheit für Fahrgäste allerhöchste Priorität. Ein Zugang über die Gleise ist nicht möglich.“
Unser ursprünglicher Bericht: