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Klare Luft für alle

Baden-Württemberg plant umfassendes neues Nichtraucherschutzgesetz

Das Ländle will beim Nichtraucherschutz aufholen – und bezieht die Bürger mit ein. Was sich für Raucher und Nichtraucher ändern soll.

Verqualmte Kneipen und blaue Schwaden in Bushaltestellen – diese Zeiten sollen in Baden-Württemberg endgültig vorbei sein. Die grün-schwarze Landesregierung hat im Juli 2025 einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der das seit 2009 geltende Nichtraucherschutzgesetz grundlegend modernisieren soll. Die zentrale Botschaft: Gesundheitsschutz für alle, besonders für Kinder und Jugendliche.

E-Zigaretten im Visier

Die wichtigste Neuerung: Künftig fallen nicht nur klassische Zigaretten unter die Rauchverbote, sondern auch E-Zigaretten, Tabakerhitzer, Vapes und Shishas. Überall dort, wo Rauchen verboten ist, dürfen auch diese Produkte nicht mehr genutzt werden – unabhängig davon, ob sie Nikotin, Cannabis oder nur Aromastoffe enthalten. Die Begründung der Landesregierung: Auch beim Verdampfen oder Erhitzen nikotinfreier Substanzen werden gesundheitsschädliche Stoffe in die Umgebungsluft freigesetzt.

„Gerade Kinder, Jugendliche und besonders schutzbedürftige Gruppen haben ein Recht auf saubere Luft“, betont Gesundheitsminister Manne Lucha. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, Schwangere, ältere Menschen und Personen mit chronischen Erkrankungen besser vor Passivrauch zu schützen.

Wo künftig nicht mehr geraucht werden darf

In Schulen, Krankenhäusern, Jugendhäusern und öffentlichen Verwaltungsgebäuden soll ein vollständiges Rauchverbot gelten. Auch Bushaltestellen, Straßenbahnhaltestellen, Spielplätze und Spielhallen sollen rauchfrei werden. Die bestehenden Ausnahmen für die Gastronomie – kleine Ein-Raum-Kneipen ohne warme Speisen und abgetrennte Raucherräume in größeren Lokalen – sollen allerdings erhalten bleiben.

Bürger fordern mehr

Eine Besonderheit des Gesetzgebungsverfahrens: Parallel zur Verbändeanhörung wurde erstmals in der Landesgeschichte ein Bürgerforum durchgeführt. 51 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger – darunter etwa ein Viertel Raucher – diskutierten über den Entwurf und erarbeiteten eigene Empfehlungen.

Ihr Votum überraschte: Die Bürger forderten noch strengere Regeln als die Landesregierung vorgeschlagen hatte. Sie sprechen sich für rauchfreie Außenbereiche wie Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Sportstätten, Freibäder, Badeseen und Zoos aus. Auch an Haltestellen und in Eingangsbereichen soll das Rauchen nach ihrem Willen verboten werden.

Besonders emotional wurde die Diskussion bei der Gastronomie: Das Bürgerforum fordert ein Rauchverbot in Bier-, Wein- und Festzelten sowie schärfere Regeln für die Außengastronomie – maximal in ausgewiesenen Raucherbereichen. „Auch den Raucherinnen und Rauchern gehe der neue Gesetzentwurf nicht weit genug“, berichtete Student Hannes Adam bei der Übergabe der Empfehlungen Ende Juli.

Gastgewerbe in Sorge

Während Gesundheitsschützer jubeln, regt sich Widerstand aus der Branche. Der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Baden-Württemberg, der 12.000 Betriebe vertritt, warnt vor zusätzlicher Bürokratie und wirtschaftlichen Einbußen. „Warum will die Landesregierung ein System ändern, das funktioniert?“, fragt Verbandsvorsitzender Fritz Engelhardt. Die seit 2009 geltende Regelung habe einen vernünftigen Interessenausgleich geschaffen, niemand sei mehr gezwungen, in verrauchter Luft zu speisen.

Allerdings zeigt eine Untersuchung des Gesundheitsministeriums: Die Umsetzung des aktuellen Gesetzes hapere erheblich. Kontrollen fänden viel zu selten statt, die Ausführungshinweise seien unklar.

Schlusslicht mit Nachholbedarf

Baden-Württemberg gilt im bundesweiten Vergleich als Schlusslicht beim Nichtraucherschutz. Das hat historische Gründe: Als 2007 das erste Nichtraucherschutzgesetz diskutiert wurde, kamen zahlreiche Ausnahmen ins Gesetz – mehr als in anderen Bundesländern. Während etwa in Bayern ein nahezu striktes Rauchverbot in der Gastronomie gilt, sind in Baden-Württemberg noch immer Raucherlokale und Raucherräume erlaubt.

Mit der Gesetzesreform will Ministerpräsident Winfried Kretschmann nun „ein klares Ausrufezeichen für den Gesundheitsschutz“ setzen. Dass dabei die Bürger aktiv einbezogen wurden, wertet Gesundheitsminister Lucha als Erfolg: „Gesundheitsschutz gelingt am besten gemeinsam.“

Die Verbändeanhörung und Online-Kommentierung lief bis Ende August 2025. Nun liegt es an der Landesregierung zu entscheiden, welche der Bürgerempfehlungen in den finalen Gesetzentwurf einfließen. Minister Lucha versprach: Das Votum werde „nicht im Nirwana verschwinden“. Wann das neue Gesetz in Kraft treten wird, ist noch offen.


Hintergrund: Die Gesundheitsgefahr

Jährlich sterben in Deutschland über 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Auch Passivrauchen ist gefährlich: Es erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Krebs. Kinder sind besonders gefährdet, da ihre Lungen noch in der Entwicklung sind. Auch E-Zigaretten sind nicht harmlos: Sie setzen beim Verdampfen ultrafeine Partikel und verschiedene chemische Substanzen frei, die in die Lunge und den Blutkreislauf gelangen können.




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