Villa Junghans: Stadt lüftet ein Geheimnis
Es fehlt eine rechtsgültige Gaststättenkonzession / Schadstoffe in der Raumluft

Zum wiederholten Mal stand die Villa Junghans auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Zum ersten Mal machte die Verwaltung dabei aber öffentlich, woran das gesamte Projekt krankt: Für das Gebäude gibt es keine rechtsgültige Gaststättenerlaubnis. Und zweitens: Die Schadstoffbelastungen sind offenbar gravierender als die Verwaltung noch im Juli mitgeteilt hatte.
Schramberg. So gravierend, dass die Stadt den Mieter aus dem Dachgeschoss aufgefordert hat, die Wohnung aufzugeben. Im Juli war von künstlichen Mineralfasern bei Leitungsummantelungen, Bleimenninge an Holz und Metall, PCB an Türzargen, Asbest an Flanschen und PAK im Kühlraum in Teerkork die Rede gewesen.
Eigentlich sollte Wirtschaftsförderer Ralf Heinzelmann am Donnerstagabend in seinem Sachvortrag zur Villa Junghans berichten, mit welchen Modellen die Vermarktung möglich wäre. Nach der Diskussion im Ausschuss für Umwelt- und Technik vor zwei Wochen wollte Heinzelmann an diesem Abend keinen Beschluss, welchen der möglichen Wege die Stadt weiterverfolgen sollte.

Schadstoffe auch in der Raumluft festgestellt
Bei der Verpachtung in Eigenregie sei zu beachten, dass zu den geschätzten Kosten von 3,2 Millionen Euro für Keller und Erdgeschoss noch die Kosten für die Schadstoffsanierung hinzukämen. Würde man das ganze Gebäude richten, würde das „wesentlich teurer“, so Heinzelmann.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr hatte eher beiläufig noch von „ungebundenen Schadstoffen in der Raumluft“ berichtet, die kürzlich bei Messungen festgestellt worden seien. Um welche Schadstoffe es sich dabei handelte, war ihren Ausführungen nicht zu entnehmen.
Von den Modellen sei die Suche nach einem Investor und Betreiber über eine „Konzeptvergabe“ nach einem Wettbewerb am geeignetsten, versicherte Heinzelmann. Ob man aber die Sanierung in den dann erforderlichen drei Jahren nach der Vergabe hinbekomme? Er sehe das „kritisch“, das werde „sehr sportlich“.
Gaststättenkonzession war rechtswidrig
Dann ging Heinzelmann auf die Genehmigungssituation ein. „Irgendwann nach dem Krieg“ – die Stadt hatte das „Adolf-Hitler-Haus“ der NSDAP wieder zurückbekommen und das Gebäude hieß wieder Villa Junghans – begann man die Villa als Hotel und Restaurant zu nutzen. Damals hatte niemand den eigentlich erforderlichen Antrag auf eine Nutzungsänderung vom Wohnhaus zum gastronomischen und Hotel-Betrieb gestellt. Vielleicht seien die Unterlagen aber auch verschwunden, so Heinzelmann.
Jedenfalls hat die Stadt damals dennoch eine Gaststättenkonzession erteilt. In den Folgejahren galt deshalb für alle Betreiber Bestandsschutz. Heute aber könnte ein Pächter der Villa Junghans nicht mehr darauf pochen, weil die Villa jahrelang nicht genutzt wurde. Er müsste die Nutzungsänderung und eine Gastronutzung beantragen.


Herrenlose Villa?
Heinzelmann ging auch auf den Vorschlag von Jürgen Reuter (Aktive Bürger) ein, die Stadt könne auf das Eigentum verzichten und dem Land das denkmalgeschützte Gebäude überlassen. (Wir haben berichtet.)
Der Haken dabei: Das Land habe „das Recht, aber nicht die Pflicht“ das Gebäude zu übernehmen. „Die Villa könnte herrenlos werden“, so Heinzelmann. Dann könnte jedermann erklären, ich nehme das Gebäude. Natürlich könnte man das Land fragen. Die gastronomische Nutzung der Villa stünde aber bestimmt nicht auf einer Prioritätenliste des Landes ganz oben.
SPD-Buntspecht: Reinen Wein einschenken
In der anschließenden Debatte forderten Thomas Brantner und Tanja Witkowski als Sprecher der beiden Fraktionen von CDU und SPD-Buntspecht, „alle Informationen“ müssten an die Öffentlichkeit. Die Stadt solle die vorangegangenen Schadstoffmessungen transparent machen. „Erst dann kann die Entscheidung nachvollzogen werden“, so Witkowski (SPD-Buntspecht). Insofern sei die Vorlage unvollständig.
Eine Entscheidung über ein konkretes Betreibermodell und die weitere Vorgehensweise könne erst getroffen werden, wenn alle zentralen Informationen zum Objekt öffentlich gemacht werden. Der Beschluss über die weitere Vorgehensweise müsse verschoben werden.
Ihre Fraktion beantrage, dass die Öffentlichkeit in der nächsten Gemeinderatssitzung „vollumfänglich über den aktuellen Sachstand bezüglich der Villa Junghans informiert wird. Bislang noch nicht kommunizierte, aktuelle Erkenntnisse im Zusammenhang mit vorangegangenen Messungen und Untersuchungen und sich daraus ergebende Entwicklungen müssen transparent und nachvollziehbar in öffentlicher Sitzung vorgestellt werden.“ Witkowski verlangte, die Verwaltung müsse der Bevölkerung „reinen Wein“ in Sachen Villa einschenken.
Die Öffentlichkeit mitnehmen
Clemens Maurer CDU, nannte die Forderung von SPD-Buntspecht „nachvollziehbar“. Der Rat müsse sich die Zeit nehmen, um zu einer Entscheidung zu kommen.
Thomas Brantner (CDU) monierte, die Verwaltung habe nur „ganz klein“ mitgeteilt, dass die Villa Junghans noch nie als Gastrobetrieb genehmigt war. Das sei aber der „Knackpunkt“.
Ralf Rückert (Freie/Neue Liste) forderte, man müsse „die Öffentlichkeit mitnehmen“. Beim Thema Schadstoffe fehle die Information, “wo stecken sie, welche sind es, was kostet es, sie zu beseitigen?“
Für ein Hotel oder Gastrobetrieb gebe es „keine rechtliche Grundlage“. Er fragte, ob es eine solche Konzession überhaupt geben könne. Rückert forderte, die Verwaltung, solle als fünfte Variante den Verkauf der Villa prüfen.
Hannes Steim (CDU) informierte, dass die Stadt den bisherigen Mieter im Obergeschoss der Villa aufgefordert habe, diese wegen der Schadstoffe zu verlassen.
Sorge vor Vandalismus
Oberbürgermeisterin Eisenlohr sagte eine umfassende Information für die Gemeinderatssitzung am 11. Dezember zu. Da werde das Schadstoffgutachten beigefügt. Demnächst würden auch Überwachungskameras installiert, um die Villa vor Vandalismus zu schützen. Hannes Steim schlug vor, zusätzlich die Fenster notfalls mit Sperrholzplatten gegen Steinwürfe und Einbrecher zu schützen. „Wir wollen kein zweites Krankenhausareal.“

Wirtschaftsförderer Ralf Heinzelmann berichtete, der Mieter sei nicht mehr im Haus, er werde bis zum Jahresende ganz ausgezogen sein.
Zur Frage der Gastro-Erlaubnis erläuterte Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß, es existiere bisher keine Baugenehmigung und Nutzungsänderung vom Wohnhaus in ein Hotel. Das sei wohl nach dem Krieg gestattet worden. Bislang galt Bestandsschutz. Durch die Schließung sei dieser entfallen. Eine gaststättenrechtliche Konzession sei aber „kein Problem, wenn wir die Dinge machen, die vom Baurecht gefordert werden“.
Der Gemeinderat nahm den Bericht zur Kenntnis und wird am 11. Dezember erneut über die Villa diskutieren.