Villa Junghans: Sanierung für mehr als drei Millionen Euro?
Doch der Rat diskutiert über eine nicht beschaffte Videoüberwachungsanlage

Die Villa Junghans wird die Stadt ein Vermögen kosten, will sie das Gebäude tatsächlich sanieren und verpachten. Das ist in der Sitzung des Gemeinderats vergangene Donnerstag überdeutlich geworden. Der Grund: Das Haus aus dem vorvergangenen Jahrhundert ist mit Schadstoffen belastet, die spätere Generationen eingebracht haben.
Schramberg. Erhard Junghans ließ die Villa im italienischen Renaissancestil um 1886 bauen. Die Familie Junghans verkaufte es 1934 an die Stadt, die es zum „Adolf-Hitler-Haus“ umfunktionierte. Die NSDAP residierte in der Villa bis zum Kriegsende. Dann diente das Haus über Jahrzehnte als Hotel und Restaurant.
Die letzten Pächter schieden Ende 2022 im Streit mit der Stadt aus. Seitdem ist nur noch eine Wohnung unterm Dach bewohnt.

Gastronomische Nutzung sehr schwierig
Ein Fachmann hat im Auftrag der Stadt vor drei Jahren verschiedene Betreibermodelle untersucht: Straßencafé, Gourmettempel, Boutique-Hotel oder Boardinghouse. Keines der Modelle würde wohl funktionieren, zu wenig Laufkundschaft für ein Café, zu wenig Gäste und Parkplätze für ein Sternelokal, zu wenig Betten für ein Hotel, und beim Boardinghouse wären die Schramberger außen vor.

Nichtsdestotrotz beschloss der Rat, man solle das Unter- und das Erdgeschoss sanieren und an einen Gastronomen verpachten. Eigentlich sollte das schon bis zum Frühjahr 2026 so weit sein, hatte damals Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr verkündet. Dass daraus nichts wird, ist spätestens seit der Gemeinderatssitzung vergangenen Donnerstag wohl allen klar.
Schadstoffuntersuchung niederschmetternd
Jessica Dubovski, die neue Gebäudemanagerin, oder auch Krisenmanagerin im Hochbau, berichtete im Gemeinderat erstmals öffentlich, was die Schadstoffuntersuchungen von Anfang Mai zu Tage gefördert haben. Solche Untersuchungen müssten sein, um die Handwerker, die im Gebäude zugange sind, zu schützen.
Ein Tübinger Institut habe Proben von Wänden, Fenstern, Türen, Böden und Decken entnommen. Der Heizungsraum, der Kühlraum und das Vordach blieben ebenfalls nicht verschont.

Im Labor fanden die Forscher, alles, was das Schadstoffsucherherz begehrt: Spuren von künstlichen Mineralfasern im Untergeschoss und Leitungsummantelungen, Blei und Bleimenninge an allen untersuchten Holz- und Metallelementen, an Fenstern und Türen und dem Vordach. Polychlorierte Biphenyle (PCB) finden sich an den Türzargen und Türblättern. Asbest im Bereiche der Flansche an den Heizkörpern im Untergeschoss und schließlich PAKs im Kühlraum.

Statt 740.000 Euro jetzt weit mehr als drei Millionen Euro für die Sanierung
Dubovski hat daraufhin die grobe Kostenschätzung aus dem Jahr 2023 überarbeitet. Damals war man überschlägig auf 740.000 Euro gekommen. Sie habe eine Summe von 3,1 Millionen Euro errechnet. Darin sei dann die Altlastensanierung, der Brandschutz, aber auch eine neue Heizanlage eingerechnet.


Es wäre ungeschickt, die Heizung jetzt nicht auszutauschen und das während eines späteren Betriebs zu versuchen. „Würde man das alles umsetzen, kann die Villa wieder verpachtet werden.“

Die nächsten Schritte wären die entsprechenden Planungsleistungen auszuschreiben, Baugesuche zu erstellen und den Denkmalschutz mit einzubeziehen, so Dubovski.
Videoüberwachung beschlossen, aber nicht umgesetzt
Mit einem Randaspekt befasste sich sodann Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß: der eigentlich beschlossenen Videoüberwachungsanlage im Park der Zeiten. Darüber entspann sich eine heftige Diskussion im Gremium. So heftig, dass die Damen und Herren vergaßen, sich über das Hauptthema: was geschieht mit der Villa? groß Gedanken zu machen.
Der Reihe nach: Rehfuß berichtete vom Vandalismus im Park im Jahr 2023 und dem daraufhin erfolgten Beschluss, den Park videoüberwachen zu lassen. Eine Videoüberwachung sei „ein starker Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, so Rehfuß. Dieser Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn es einen Kriminalitätsschwerpunkt gebe. Die Überwachung dürfe nur so lange dauern, wie die Schäden angerichtet werden. Nun sei aber seit 2024 alles ruhig im Park. Deshalb sei der Beschluss mit der Videoanlage nicht umgesetzt worden.

Erbpacht, Stiftung oder Genossenschaft als Alternativen?
Wirtschaftsförderer Ralf Heinzelmann erinnerte an die schwierige Haushaltslage. Daher sei eine Sanierung und anschließend Verpachtung durch die Stadt fraglich. Es mache also Sinn, über andere Bewirtschaftsungs-Modelle nachzudenken.
So gebe es das Erbpachtrecht, man könne eine Genossenschaft, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Stiftung gründen. Dabei könnten sich Bürger und Firmen einbringen. Im Herbst werde die Verwaltung Modelle vorstellen, so Heinzelmann.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr erläuterte, dass diese Gedanken auf den neuen Erkenntnissen zu Schadstoffen und Kosten beruhten.

Jürgen Kaupp (CDU) monierte einmal mehr, dass die Verwaltung bei „so gravierenden Änderungen“ nicht darstelle, wie welche Kosten zustande kommen. Das sollte schon in der Vorlage drinstehen und nicht erst in der Sitzung bekannt werden.
Udo Neudeck zur nicht beschafften Videoanlage: „Ich lass‘ mich nicht verar….!“
Zur Videoanlage beschwerte sich Kaupp darüber, dass die Verwaltung den Beschluss von 2023 nicht umgesetzt habe. Ihm seien auch nach 2023 Schäden zu Ohren gekommen.
Rehfuß rechtfertigte sich damit, dass die Verwaltung einen externen Dienstleister beauftragt habe. Der sollte untersuchen, wie eine solche Überwachungsanlage korrekt installiert werden müsse. Das habe gedauert – und dann habe es 2024 keine Schäden mehr gegeben. Jedenfalls keine so gravierenden wie damals 2023. Eisenlohr erinnerte daran, dass damals auch eine Gruppe Kinder ermittelt worden war, die in der Toilette gezündelt hatte.

Rehfuß berichtet, die Stadt sei wegen der Kamera am Schweizer-Parkplatz beim Datenschutzbeauftragten angezeigt worden. „Es müssen Straftaten passieren, sonst darf ich die Kamera nicht einschalten.“
Ralf Rückert (Freie/Neue Liste) berichtete von einer eingeworfenen Scheibe an der Villa. Die Stadt und der Rat wollten das Gebäude eigentlich beleben. Doch der einzige Mieter könnte das Haus verlassen, wenn das Haus saniert werde, fürchtet er.


Um die Villa gebe es viele dunkle Ecken, es gehe um den Schutz von Sachwerten. Deshalb müsse man die Anschaffung der Videoanlage weiter vorantreiben. Die Stadt müsse den Auftrag von 2023 umsetzen. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie zwei Jahre lang das nicht umgesetzt haben“, erregte sich Rückert.
Rehfuß verwies auf den Dienstleister, und dass es rechtlich nicht zulässig sei, die Kamera einzuschalten.
Zurück zum Hauptthema, aber nur kurz
Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) kam zurück aufs eigentliche Thema. Sie sei „froh, dass nun die Zahlen auf dem Tisch liegen und die Öffentlichkeit weiß, was da an Kosten auf uns zu käme.“ Sie hoffe, dass man im Herbst entscheiden könne, wenn die verschiedenen Modelle vorlägen.
Sie erinnerte an die von ihrer Fraktion vorgeschlagene Nutzung durch Vereine, damit das Haus wenigstens gelegentlich belebt sei. „Wir wollten doch eigentlich entscheiden, doch jetzt liegt wieder ein Stein im Weg“, meinte sie enttäuscht.
Reinhardt Günter (SPD-Buntspecht) fand, die Sachlage sei heute anders ans 2023. Er wollte wissen, was die Videoanlage denn gekostet hätte. Eisenlohr nannte den Preis: 15.000 Euro. Sie könne die Anschaffung neu beschließen und dann umsetzen lassen, schlug sie vor.

Hickhack um die Videoüberwachung
Davor warnte Clemens Maurer. Das wäre dann möglicherweise ein rechtswidriger Beschluss. Eisenlohr habe die Verantwortung dafür, dass gefasste Beschlüsse umgesetzt werden. Es könnte sich ja wieder Vandalismus im Park entwickeln.
Fachbereichsleiter Christian Birkle meinte, würde man einen gesetzeswidrigen Beschluss fassen, müsse die Oberbürgermeisterin einschreiten. Wenn die Voraussetzungen nicht mehr bestünden, dürfe die Stadt einen Beschluss nicht umsetzen. 2023 sei die Lage anders gewesen, erinnerte Eisenlohr ein weiteres Mal. Damals habe es Vandalismus gegeben.

Es entspann sich ein langer Streit drüber, wie häufig Vandalismus passieren muss, damit eine Kamera installiert werden darf, ob wer wann die Polizei gefragt habe. Dieser Streit endete mit einem Wutausbruch von Udo Neudeck: Man habe das 2023 rechtssicher beschlossen. Es gehe nicht an, dass die Verwaltung einfach Beschlüsse nicht umsetzt, bis sich die Rechtslage ändere: „Ich lass‘ mich nicht verar….n!“
Videoanlage kommt – und dann?
Eisenlohr versprach, sie wolle deeskalieren. Sie schlug vor, drei Angebote für die Videoanlage einzuholen, dann eine zu kaufen und den Beschluss umzusetzen. Dafür gab es eine einstimmige Zustimmung.
Mein Kommentar: Dass die Sanierung heute unerschwingliche drei Millionen Euro Minimum verschlingen wird – abgehakt. Kaum der Rede wert.