Trauer und Mitgefühl: Die Kar- und Ostertage im Spiegel der Sammlung Dursch

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An den Kar- und Ostertagen wird intensiv an das Leiden und Sterben Jesu erinnert. In der Kunst wurde die Erfahrung der Endlichkeit, aber auch der Hoffnung auf Erlösung, oft dargestellt. Bis Ostersonntag werden hier Beispiele aus der Sammlung Dursch des Rottweiler Dominikanermuseums gezeigt. Zu Karsamstag nun Teil Drei: Trauer um den toten Christus.

Sich gefühlsmäßig in die Leiden Christi hinein zu versenken, bildete ein Herzstück spätmittelalterlicher Frömmigkeit. Das „Mitleiden, die sogenannte „compassio“ wurde als Beitrag zum Seelenheil verstanden und damit als erlösender Weg zum ewigen Leben.

Dabei bildete das Mitfühlen und der um ihren Sohn trauernden Maria neben der Vergegenwärtigung der Leiden Jesu einen Schwerpunkt. Zur Identifikation für die Auseinandersetzung der Gläubigen mit der Passion dienten der vom Sterben Jesu tief erschütterte Jünger Johannes sowie die Frauen, die Maria während des Leidensweges Christi begleiteten.

Die intensive Hinwendung auf die schmerzvollen Ereignisse der Heilsgeschichte sowie das eigene Einfühlen in deren Akteure, die sich auch in Literatur, Liedern oder Passionsspielen widerspiegeln, werden als spätmittelalterliche Passionsfrömmigkeit bezeichnet.

An drei Beispielen aus dem Sammlungsschatz des Dominikanermuseums lässt sich diese Glaubens- und Gefühlswelt besonders gut ablesen. Vom überwältigenden Schmerz über den Tod Jesu erzählt eine Darstellung der „Beweinung Christi“ aus Neckarschwaben, geschaffen Anfang des 16. Jahrhunderts.

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Beweinung Christi aus dem Dominikanermuseum. Foto: al

Gezeigt wird, wie der gerade vom Kreuz abgenommene Leichnam Jesu von seiner Mutter, Johannes, Maria Magdalena und Maria Kleophas betrauert wird. Von dieser Szene berichten die Evangelien nichts, sie entwickelte aber ein Eigenleben und wurde oft dargestellt.

Die Beweinung aus der Sammlung Dursch ist gezeichnet von abgrundtiefer Trauer. Der Schmerz über den Tod Jesu liegt bleischwer über der Szenerie. Johannes muss Jesu Mutter stützen, damit sie nicht vor Seelenschmerz zusammenbricht. Daneben erzählen die Hände der Beteiligten eine ganz eigene Geschichte – von zärtlicher Hinwendung und Verbundenheit. Das Mit-Fühlen zu dem die Passionsfrömmigkeit anregen wollte, wird hier ganz konkret.

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Zärtliche Hinwendung: Die Hände in dieser Figurengruppe erzählen eine eigene Geschichte. Foto: al
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Maria Kleophas berührt den Fuß Christi. Foto: al

Andere Ausdrucksformen tiefen Grams kann man einer Gruppe von vier trauernden Frauen ablesen. Sie stammen aus der Werkstatt des Meisters von Ersikirch und entstanden um 1420. Diesen vier ist der Kummer geradezu in die Körperhaltung eingeschrieben, sie wirken gedrückt, gebeugt. Sogar die wie herabtropfend hängenden Kopfbedeckungen scheinen zu weinen. Der sorgenvolle Gesichtsausdruck und Handgesten vertieften den Ausdruck. Fast möchte man diese Figuren in ihrer Verlassenheit umarmen, um sie zu trösten.

Nähe als Quelle von Zuspruch ist beim dritten Beispiel ein zentrales Merkmal. Um 1440 hat ein Schnitzer im seeschwäbischen Raum drei von Gram gebeugte Frauen in einer Skulptur zusammengefasst. Die drei wirken wie in ein einziges wallendes Tuch gehüllt, das sie wie ein Kokon umhüllt und schützt. Deutlich wird: Nicht nur Trauer, auch Mitgefühl und Trost können verbinden.

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Vier trauernden Frauenaus der Werkstatt des Meisters von Ersikirch, entstanden um 1420. Foto: al

Das seelische Gleichklang der Gemütslagen drückt sich auch körperlich aus: die links stehende Frau stützt die rechte, während die Frau hinten beiden anderen Halt zu geben scheint. Die Arme der vorderen beiden formen eine Achse – die in den zum Beten gefalteten Händen der Frau rechts münden. So wirken alle in ihrer Betrübtheit, aber auch im Gebet miteinander verknüpft, wodurch keine das Schicksal ganz alleine für sich tragen muss.

Diese Darstellungen, obwohl teils sechshundert Jahre alt, berühren noch heute. Sie lassen den Betrachter über Trauer und das Gefühl des Verlustes nachdenken – verweisen darüber hinaus jedoch sehr anschaulich auch darauf, dass Nähe und Mitgefühl Quellen von Stärke und des Trostes sein können.

Info: Die in der Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters“ gezeigte „Sammlung Dursch“ umfasst rund 180 Objekte aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts. Sie wurde ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch (1800-1881) zusammengetragen und stellt eines der umfangreichsten und bedeutendsten Ensembles sakraler Bildwerke aus Schwaben dar. Die Sammlung birgt Hauptwerke der spätmittelalterlichen Bildhauerei, darunter zentrale Arbeiten von Hans Multscher, Michel Erhart, Niklaus Weckmann und Daniel Mauch.

Geöffnet ist das Dominikanermuseum, ein Zweigmuseum des Württembergischen Landesmuseums, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

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An den Kar- und Ostertagen wird intensiv an das Leiden und Sterben Jesu erinnert. In der Kunst wurde die Erfahrung der Endlichkeit, aber auch der Hoffnung auf Erlösung, oft dargestellt. Bis Ostersonntag werden hier Beispiele aus der Sammlung Dursch des Rottweiler Dominikanermuseums gezeigt. Zu Karsamstag nun Teil Drei: Trauer um den toten Christus.

Sich gefühlsmäßig in die Leiden Christi hinein zu versenken, bildete ein Herzstück spätmittelalterlicher Frömmigkeit. Das „Mitleiden, die sogenannte „compassio“ wurde als Beitrag zum Seelenheil verstanden und damit als erlösender Weg zum ewigen Leben.

Dabei bildete das Mitfühlen und der um ihren Sohn trauernden Maria neben der Vergegenwärtigung der Leiden Jesu einen Schwerpunkt. Zur Identifikation für die Auseinandersetzung der Gläubigen mit der Passion dienten der vom Sterben Jesu tief erschütterte Jünger Johannes sowie die Frauen, die Maria während des Leidensweges Christi begleiteten.

Die intensive Hinwendung auf die schmerzvollen Ereignisse der Heilsgeschichte sowie das eigene Einfühlen in deren Akteure, die sich auch in Literatur, Liedern oder Passionsspielen widerspiegeln, werden als spätmittelalterliche Passionsfrömmigkeit bezeichnet.

An drei Beispielen aus dem Sammlungsschatz des Dominikanermuseums lässt sich diese Glaubens- und Gefühlswelt besonders gut ablesen. Vom überwältigenden Schmerz über den Tod Jesu erzählt eine Darstellung der „Beweinung Christi“ aus Neckarschwaben, geschaffen Anfang des 16. Jahrhunderts.

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Beweinung Christi aus dem Dominikanermuseum. Foto: al

Gezeigt wird, wie der gerade vom Kreuz abgenommene Leichnam Jesu von seiner Mutter, Johannes, Maria Magdalena und Maria Kleophas betrauert wird. Von dieser Szene berichten die Evangelien nichts, sie entwickelte aber ein Eigenleben und wurde oft dargestellt.

Die Beweinung aus der Sammlung Dursch ist gezeichnet von abgrundtiefer Trauer. Der Schmerz über den Tod Jesu liegt bleischwer über der Szenerie. Johannes muss Jesu Mutter stützen, damit sie nicht vor Seelenschmerz zusammenbricht. Daneben erzählen die Hände der Beteiligten eine ganz eigene Geschichte – von zärtlicher Hinwendung und Verbundenheit. Das Mit-Fühlen zu dem die Passionsfrömmigkeit anregen wollte, wird hier ganz konkret.

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Zärtliche Hinwendung: Die Hände in dieser Figurengruppe erzählen eine eigene Geschichte. Foto: al
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Maria Kleophas berührt den Fuß Christi. Foto: al

Andere Ausdrucksformen tiefen Grams kann man einer Gruppe von vier trauernden Frauen ablesen. Sie stammen aus der Werkstatt des Meisters von Ersikirch und entstanden um 1420. Diesen vier ist der Kummer geradezu in die Körperhaltung eingeschrieben, sie wirken gedrückt, gebeugt. Sogar die wie herabtropfend hängenden Kopfbedeckungen scheinen zu weinen. Der sorgenvolle Gesichtsausdruck und Handgesten vertieften den Ausdruck. Fast möchte man diese Figuren in ihrer Verlassenheit umarmen, um sie zu trösten.

Nähe als Quelle von Zuspruch ist beim dritten Beispiel ein zentrales Merkmal. Um 1440 hat ein Schnitzer im seeschwäbischen Raum drei von Gram gebeugte Frauen in einer Skulptur zusammengefasst. Die drei wirken wie in ein einziges wallendes Tuch gehüllt, das sie wie ein Kokon umhüllt und schützt. Deutlich wird: Nicht nur Trauer, auch Mitgefühl und Trost können verbinden.

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Vier trauernden Frauenaus der Werkstatt des Meisters von Ersikirch, entstanden um 1420. Foto: al

Das seelische Gleichklang der Gemütslagen drückt sich auch körperlich aus: die links stehende Frau stützt die rechte, während die Frau hinten beiden anderen Halt zu geben scheint. Die Arme der vorderen beiden formen eine Achse – die in den zum Beten gefalteten Händen der Frau rechts münden. So wirken alle in ihrer Betrübtheit, aber auch im Gebet miteinander verknüpft, wodurch keine das Schicksal ganz alleine für sich tragen muss.

Diese Darstellungen, obwohl teils sechshundert Jahre alt, berühren noch heute. Sie lassen den Betrachter über Trauer und das Gefühl des Verlustes nachdenken – verweisen darüber hinaus jedoch sehr anschaulich auch darauf, dass Nähe und Mitgefühl Quellen von Stärke und des Trostes sein können.

Info: Die in der Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters“ gezeigte „Sammlung Dursch“ umfasst rund 180 Objekte aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts. Sie wurde ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch (1800-1881) zusammengetragen und stellt eines der umfangreichsten und bedeutendsten Ensembles sakraler Bildwerke aus Schwaben dar. Die Sammlung birgt Hauptwerke der spätmittelalterlichen Bildhauerei, darunter zentrale Arbeiten von Hans Multscher, Michel Erhart, Niklaus Weckmann und Daniel Mauch.

Geöffnet ist das Dominikanermuseum, ein Zweigmuseum des Württembergischen Landesmuseums, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

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