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„Die Stimme des Waldes“: 125. Geburtstag des Schriftstellers Otto Heuschele aus Schramberg

Am 8. Mai 1900 wurde dem Gärtner Hermann Heuschele und seiner Ehefrau  Marie Wilhelmine Heuschele in Schramberg ein Sohn geschenkt, der auf dem Höhepunkt seines Schaffens als Schriftsteller als „großer Sohn der Stadt“ galt: Otto Heuschele, der zu seinem 125. Geburtstag in Erinnerung zu rufen ist.

Der Schriftsteller Otto Heuschele (1900 – 1996) auf einem Foto aus dem Jahr 1965. Fotograf: Unbekannt – Vorlage: Stadtarchiv Schramberg.

Sein Elternhaus steht noch: das Gärtner- und Kutscherhaus der „Villa Junghans“ im Bauernhofweg 21, das in seiner Beziehung zu Villa und Park kaum beachtet wird. Hier pflegte Heuschele um 1900 den Park von Kommerzienrat Erhard Junghans (1849 – 1923), den heutigen „Park der Zeiten“ der Stadt Schramberg. Die Familie Heuschele verließ aber schon bald nach der Geburt ihres Sohnes den Schwarzwald und machte sich in Waiblingen mit einer Gärtnerei selbständig. Dadurch wurde Waiblingen zur Heimatstadt von Otto Heuschele, fühlte sich aber auch seinem Geburtsort Schramberg zeitlebens verbunden. Am 7. Oktober 1932 schloss Otto Heuschele hier auch seine Ehe mit der Gymastiklehrerin Anna Leonore Lerch aus Arnstadt in Thüringen. 

Das Geburtshaus von Otto Heuschele in Schramberg: das Gärtner- und Kutscherhaus der „Villa Junghans“ im Bauernhofweg 21.
Foto: Carsten Kohlmann – Vorlage: Stadtarchiv Schramberg.

Nach dem Studium der Fächer Deutsche, Englische und Französische Literatur, Kunstgeschichte, Philosophie und Ästhetik in Tübingen und  Berlin arbeitete er als „Privatgelehrter und Schriftsteller“ in Waiblingen, wo er später auch einen Lehrauftrag am Staufer-Gymnasium seiner Heimatstadt erhielt. Im Lauf von fast 100 Lebensjahren schuf er ein umfangreiches und vielseitiges Werk aus Romanen, Essays und Gedichten und machte als Herausgeber Klassiker der deutschen und vor allem schwäbischen Literatur neu zugänglich, die für ihn zutiefst prägend war.

„Für mich ist alles Geschehen an Landschaften, Räume, an Atmosphäre gebunden“, schrieb Otto Heuschele über ein Grundprinzip seines Fühlens, Denkens und Schreibens. Seine Porträts von Landschaften und Städte im deutschen Südwesten sind zeitlose Meisterwerke dieses Genres. Für das „Schwarzwälder Tagblatt“ verfasste er einen Essay „Besuch in der Geburtsstadt“, der 1956 auch als kleiner Privatdruck veröffentlicht wurde. Darin heißt es: „Wer könnte den Ort seines Ursprungs vergessen? Der Duft noch der Erde und der Atem, der um die Häuser und Gassen liegt, begleitet uns bis in unsere späten Tage. Es ist für uns kein Zufall, wo wir das Licht der Welt erblicken, unser Schicksal wird davon mit bestimmt.“ Im Erlebnis der Rückkehr nach Schramberg verdichtete sich die Lebenserfahrung des Schriftstellers: „Das Leben war plötzlich wie zu einem Kristall zusammengeschlossen. Es war mir auch, als öffneten sich immer neue Türen in das eigene Leben der Eltern auch und die Jugend, in das Leben der Eltern auch und in das Leben dieser Stadt, in die ich nin zurückgekehrt war, um einmal wieder auf den Wegen zu gehen, auf denen meine Eltern gegangen waren, als sie jung waren.“

Auch in seinem Buch „Glückhafte Reise. Landschaften. Städte. Begegnungen“ blickte er 1964 auf seinen Geburtsort, der ihn zu seinen runden Geburtstagen mehrfach mit Einladungen zu Empfängen, Ausstellungen und Lesungen ehrte und damit die Beziehung zu ihrem „großen Sohn“ pflegte. „Obwohl ich nur zwei Jahre in dieser Uhrenstadt gelebt habe, bin ich gewiß, daß in diesen zwei frühen Jahren vieles in mich einging, das ich nie von mir abtun kann, das mich durch mein Leben, bis auf diesen Tag, begleitet hat“, bekennt Otto Heuschele in „Die Stimme des Waldes“. Und weiter: „Es ist dies vor allem die tiefe Liebe zum Wald mit all seinem Geheimnis. Eine solche Liebe ist nichts Zufälliges, sie ist ein Stück unseres Schicksals, sie steigt aus unserem Inneren herauf und berührt uns mit Dingen, die aus der Welt auf uns eindringen. Sie ist eine Art Erinnerung an etwas, das weit jenseits der sichtbaren Welt liegt.“

Eine seiner ersten Herausgeberschaften in den 1920er-Jahren war daher vor genau 100 Jahren auch eine Werkausgabe des Romantikers Wilhelm Hauff (1802 – 1827), der mit „Das Kalte Herz“ das bekannteste Märchen dieser Landschaft geschaffen hat: „Später sind mir dann auch die geistigen Begegnungen mit dieser meiner Geburtslandschaft auf vielfältige und merkwürdige Weise wichtig geworden. Der Schwarzwald hat seinen eigenen Geist geprägt. Er lebt in den Märchen, in denen der Atem des Waldes und des Wassers, der Elemente in eigentümlichen Verkörperungen umgeht. Ich habe aber diesen Wald auch wiedergefunden, als ich, ein Knabe noch, Wilhelm Hauffss Märchen vom ‚Kalten Herz’ las. Das war für mich wie eine Rückkehr in die Kinderjahre, aus dem ich kam.“

1970 wurde der Schriftsteller von der Landesregierung mit dem Titel „Professor“ für sein Lebenswerk geehrt. Im hohen Alter von 96 Jahren starb Otto Heuschele am 16. September 1996 in Waiblingen. Einige Schramberger pflegten auch persönlich Kontakt zu Otto Heuschele, insbesondere der Deutschlehrer Peter Würz. In der Bibliothek des Stadtarchivs Schramberg können viele Bücher des Schrifstellers neu entdeckt werden. Wer sich für sein Werk interessiert, kann außerdem im „Zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher“ im Internet einfach fündig werden.




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