Mehrere tausend Landwirte und Unterstützer haben am Mittwoch ihren Unmut gegen die Pläne der Ampelregierung zum Ausdruck gebracht. In einer Art Sternfahrt rollten hunderte Traktoren (hupend und leuchtend) nach Rangendingen im Zollernalbkreis, wo örtliche Landwirte zu der Kundgebung unter dem Motto „Zu viel ist zu viel“ aufgerufen hatten. Einige Traktoren-Konvois bremsten auf dem Weg dorthin auch den Verkehr auf der Bundesstraße 27 aus – was ihnen im Netz mitunter Kritik einbrachte. Am Ort des Geschehens hingegen war den Landwirten aus der Region breite Unterstützung, auch aus der Rangendinger Bevölkerung, sicher.
(Region). Und plötzlich stehen alle: Das Schicksal, das sonst vor allem Großstädter kennen, wenn sich „Klimakleber“ mal wieder auf die Straße heften, ereilt am späten Mittwochnachmittag zahlreiche Feierabendpendler bei Rangendingen, einer 5500-Seelen-Gemeinde im Zollernalbkreis. Und die trauen ihren Augen kaum: Aus allen Richtungen fallen Landwirte mit ihren schweren Fahrzeugen regelrecht in der Gemeinde ein. Gelbe Rundumleuchten auf den Fahrzeugen bilden ein Lichtermeer unterm Nachthimmel, akustisch untermalt von den lauten Hupen der Trecker. Schneller voran als die Autofahrer, die jetzt im Stau stehen, kommen die zahlreichen Rangendinger, die sich flotten Schrittes an den Ortsausgang Richtung Hirrlingen aufmachen. Dort positionieren die Landwirte hunderte Fahrzeuge am Rande der Straße, auf Parkplätzen und Ackern. Viele wollen dabei sein, viele wollen sich mit den Landwirten solidarisieren.
Viele hier fordern Neuwahlen – und haben eine recht klare Meinung zur „Ampel“
Die, die mit den Treckern anrücken, eint eine gehörige Portion Wut im Bauch – auf die Ampelregierung freilich, die sparen muss. Die beschlossen hat, den Agrardiesel für die Landwirte nicht mehr zu bezuschussen. Und die die Landwirte künftig nicht mehr von der Kfz-Steuer befreien will. Rund 900 Millionen Euro verspricht sich die Regierung davon in diesem Jahr. Bei den Landwirten kommen die Pläne bekanntermaßen gar nicht gut an. Und auch in Rangendingen finden sie: „Zu viel ist zu viel.“ Unter diesem Motto haben sie hier zur Kundgebung aufgerufen, eigentlich zu einem „Mahnfeuer“, das aber am Rande der Menschenmassen bestenfalls eine Nebenrolle einnimmt. Eines der formulierten Ziele: Neuwahlen im Bund.
Auch Kennzeichen aus Tuttlingen und Rottweil dabei
Wer jetzt im Stau steht, wird von Kinderwagen überholt, angetrieben von spurtstarken Eltern. Und auch sicherheitsbewusste Demonstranten flitzen vorbei, die sich auf dem Weg noch schnell eine Warnweste überstreifen. Einige tragen Schilder unterm Arm; während sie Landwirten, die selbst im Stau stehen, freundlich den Daumen nach oben zeigen. Viele von ihnen kommen aus dem Zollernalbkreis und dem Kreis Tübingen, doch hinter einigen liegt eine ernstzunehmende Trecker-Tour: Auch Tuttlinger und Rottweiler Kennzeichen finden sich etwa an den Maschinen, die sie jetzt in Reih und Glied aufstellen, nachdem sie einen Menschen-Spalier passiert haben.
Dort weisen unter anderem Fahnen des AfD-Kreisverbands Zollernalb den Fahrern den Weg. Nicht alle, die an der Kundgebung teilnehmen, sind von dieser Unterstützung begeistert. „Ich finde eher den Aiwanger gut“, sagt einer mit Blick auf den Bundesvorsitzenden der Freien Wähler. Wenige Meter weiter, an der Kreuzung zur Aufstellungsfläche, beobachtet der Einsatzleiter der Polizei das Geschehen. Ganz entspannt, wohlgemerkt. „Die Kundgebung ist angemeldet“, hält er fest. Und auch der Stau löst sich ja bereits auf. Es wird wohl ein „Abend ohne besondere Vorkommnisse“, wie Polizeibeamte sagen.
Wiederum nur ein paar Meter weiter hat sich Kreisrat Stefan Buck unter die Protestierenden gemischt – jener Buck, der 2022 Bürgermeister von Fluorn-Winzeln werden wollte. Er ist zufrieden mit dem Gang der Dinge, zu dem er selbst seinen Teil beiträgt an diesem Abend: Mit seinem amerikanischen Geländewagen hat er kurz zuvor einen der Trecker-Konvois angeführt, über die B 27, aus Richtung Balingen kommend. Dann am Brielhof runter von der Bundesstraße, schnell noch durch Hechingen, mit Getöse, versteht sich. Ob sie damit gar der Polizei ein Schnippchen geschlagen haben, die nämlich andernorts gesehen worden war? Wichtiger für Kreisrat Buck ist ohnehin die schiere Menschenmasse, die sich inzwischen formiert hat. „Bestimmt 3000“, hat er grob überschlagen, und da sind längst noch nicht alle da. Alle paar Minuten treffen weitere Trecker ein. An einigen sind Schilder installiert. „Wer ernährt euch eigentlich?“, fragt da ein Landwirt. „Fahrt ihr die Landwirtschaft an die Wand, so tötet ihr den Mittelstand“, ist ein anderer überzeugt.
Ampel am Galgen
Der Fahrer des Traktors direkt daneben hat einen Galgen am Heck installiert, an dem eine symbolische Ampel herunterbaumelt. Die weht jetzt ziemlich im Wind; viel Beachtung findet sie aber ohnehin nicht. Jedenfalls nicht heute Abend. Hingegen hat die Polizei bereits vor einigen Tagen verlauten lassen, dass sich der Staatsschutz eingehender mit dem Symbol beschäftigt, das beispielsweise auch an der Landesstraße zwischen Grosselfingen und Rangendingen zu finden ist. Dort steckt der Galgen – wie vielerorts in Baden-Württemberg – in einem Heuballen, der gut sichtbar an der Straße positioniert ist.
Sie hassen die Ampel und hören Helene Fischer
Auf dem Gelände, auf dem sie jetzt alle zusammenstehen, haben sie zwischenzeitlich einen Lautsprecher angeworfen. Helene Fischer hebt die Stimmung, während Landwirte bereits die Köpfe zusammenstecken und weitere Aktionen besprechen. Stuttgart, die geplante Mega-Demo, mitunter diskussionswürdig als „Generalstreik“ am kommenden Montag ausgerufen, ist hier aber nur am Rande Thema. „Albstadt“ hingegen ist mehr als einmal zu vernehmen. Auch Kreisrat Buck von der LKR+Basis-Fraktion sieht in Albstadt Potenzial. „Das könnte was werden.“ Buck will die Landwirte auf jeden Fall weiter unterstützen. „Weil so vieles falsch läuft zur Zeit.“
Und dann, das große Mahnfeuer, zu dem die Rangendinger Landwirte hier ja eigentlich geladen hatten, beginnt gerade ordentlich zu brennen, schüttet es plötzlich wie aus Kübeln. Viele der Unterstützer eilen rasant nach Hause – genau so schnell, wie sie am Nachmittag hierher gekommen sind.