Mit Fäusten und einer Eisenstange verprügelt? Kinder müssen vor Gericht aussagen

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ROTTWEIL. Vor dem Rottweiler Jugendschöffengericht hat am Donnerstag ein Prozess gegen Eltern einer insgesamt elfköpfigen Familie begonnen. Mutter und (Stief-)Vater wird vorgeworfen, zwei ihrer Kinder über Jahre hinweg immer wieder misshandelt zu haben. Teils sollen sie sie mit einer Eisenstange geschlagen haben, teils mit Fäusten. Da der Mann die Vorwürfe insgesamt entschieden zurückweist und die Frau viel sagt, aber nichts dazu, ob sie ihre Kinder verprügelt hat, ist das Verfahren ein Indizienprozess. Es wird auf die Aussagen der mittlerweile volljährigen Kinder ankommen.

Es geht um ein Mädchen und einen Jungen. Es geht um ihre Erlebnisse in der Zeit zwischen 2015 und 2020. Sie waren damals minderjährige Menschen in einer elfköpfigen Familie. Diese besteht aus leiblichen und Stiefkindern der in Deutschland geborenen Eltern. Eine Familie, die häufig den Wohnsitz wechselt, zwischenzeitlich auch in der Region Rottweil und dann in Schramberg-Waldmössingen lebte. Immer in einfachen Verhältnissen, man muss mit wenig Geld auskommen. Das Mädchen und der Junge sollen immer wieder schwer misshandelt worden sein. Mit Fäusten und mit einer Eisenstange geschlagen. Die Eltern – sie ist die leibliche Mutter, er der Stiefvater – weisen die Vorwürfe zurück. Während er schweigt und seinen Anwalt sprechen lässt, schildert sie vermeintlich vergnügt und lachend, nur gelegentlich von Raucherhustenanfällen unterbrochen, die Geschichte eines nicht einfachen, insgesamt aber fröhlichen und harmonischen Familienlebens. Verletzungen? Diese könnten allenfalls beim Spielen oder Toben aufgetreten sein.

Er sagt selbst nichts, sie redet viel – aber nicht über die Vorwürfe

9 Uhr vor dem Amtsgericht Rottweil. Die Angeklagten warten auf den Prozessbeginn, schauen beide ins Nichts. Er, 1974 bei Karlsruhe geboren, hat sein Kinn auf seine Krücke gestützt. Den Blick gesenkt, scheinbar schuldig. Sie, 1981 nahe Ravensburg geboren, zieht die Winterjacke nicht aus, obwohl es warm ist im Saal. Leidender Blick. Beide wissen, was auf sie zukommt. Beide haben je einen Anwalt beziehungsweise eine Anwältin zur Seite. Der Staat zeigt ebenfalls Stärke: Amtsgerichtsdirektorin Petra Wagner und Erster Staatsanwalt Frank Grundke sind bereit.

Zu den Vorwürfen sagen Herr und Frau Richard* nichts. Er lässt eine Erklärung verlesen, „die abschließend ist“, wie sein Anwalt sagte, die aber „ausgesprochen übersichtlich“ sei. „Ich weise die Vorwürfe entschieden zurück“, heißt es in der Erklärung eingangs. Er habe immer versucht, seine Kinder gut zu behandeln, obwohl die Familie finanziell nicht gut gestellt sei, so der Vater. Bei neun Kindern könne man nun einmal nicht allen gerecht werden. Außerdem sei er seit Jahren krank, habe Diabetes und eine inzwischen chronische Entzündung, sei in Pflegegrad vier eingestuft. Er bezichtigt seine Ex-Frau, seine Kinder gegen sich und seine jetzige Frau aufzubringen. Die Vorwürfe, wir kommen noch dazu, kann er sich laut seines Anwalts nicht erklären.

Sie sagt aus. Die Frau erzählt aus dem Alltag und dem Leben der Familie, hakt dabei Punkte auf einem Blatt Papier ab, auf dem offenbar steht, was sie alles vortragen möchte. Fast alles Anekdoten, die nichts zur Sache tun, die aber das bunte Familienleben schildern sollen. Es gehe immer mal wieder „sehr wild her“, es gebe kleine Raufereien unter den Kindern. Es gehe dabei Nichtigkeiten, um T-Shirts, um Radiergummis, etwa. Sie hätten aber auch viele schöne Momente gemeinsam erlebt, wären viel draußen gewesen, beim Angeln, in der Natur. Sie hätten gemeinsam Kuchen gebacken. „Es ist sehr umfangreich bei so vielen Kindern, man kann nicht immer alle gleichstellen“, sagt sie. „Es ist auch schwierig, den Haushalt zu erledigen, aber mein Mann und ich haben versucht, unser Bestes zu geben“, so die Frau, die während ihrer Rede zunehmend an Zuversicht gewinnt. Sie erzählt von Familienfeiern an Weihnachten und Silvester. Von einem eigens für eine Weihnachtsparty hergerichteten Kuhstall. Den hätten sie gemeinsam gestrichen und dabei viel Spaß gehabt. Es wird eine minutenlange Erklärung, die ein wildes, aber grundsätzlich fröhliches und spaßiges Familienleben schildert. Die Wahrheit?

Eine Version platziert

Die Mutter streift die Vorwürfe nur, platziert ihre Version. Als sie etwa erfahren habe, dass ihr Sohn raucht, habe sie sich mit ihm zusammengesetzt. Sie habe ihm erklärt, dass sie als Raucherin es nicht gut finde, dass er auch rauche. Er solle eben nicht so viel rauchen. Deshalb wolle sie ihm die Zigaretten besorgen. Sie hätten sich auch welche selbst gestopft, weil das günstiger sei, auf seinen Vorschlag hin. Streit? Gab es offenbar nie. Sie habe ihn allenfalls immer mal wieder ermahnt, nicht so viel zu rauchen. Dieser Satz mündet bei ihr in einen leichten Hustenanfall. Weiter erzählt sie von lustigen Begebenheiten aus dem Familienleben. Etwa, als es einmal Dosenwurst statt Süßem oder Saurem von einem Nachbarn an Halloween gab. Oder dass sie mal auf einem Abenteuerspielplatz gewesen seien.

Auch von ihr: Keine Erklärung zu den Vorwürfen, zu den Verletzungen meint sie, dass die Kinder sich das bei Sport und Spiel zugezogen hätten.

Die Kinder dagegen beabsichtigen auszusagen. Müssen sie auch, weil die Eltern zur Sache ja schweigen. Und es gibt eine Polizeibeamtin, die aussagen soll. Ihr gegenüber haben die Kinder seinerzeit Anzeige erstattet. Sie wohnten damals inzwischen bei ihrem leiblichen Vater in München, waren dorthin laut Anklage geflüchtet, gingen dann bald zur Polizei.

Zum Rauchen einer ganzen Schachtel gezwungen?

Was die Staatsanwaltschaft den Eltern vorwirft, hat sie aus den Aussagen der Kinder gegenüber der Polizei. Ihre Schilderungen seien konkret und in sich stimmig, also logisch konsistent, so Staatsanwalt Grundke auf Nachfrage der NRWZ. Darauf baue der Indizienprozess auf. Und es gebe eine Zeugin, die eine Auseinandersetzung miterlebt haben will, die einmal Verletzungen an einem Kind gesehen habe. Gehört werden sollen die Kinder, die inzwischen beide volljährig sind, am 23. Februar. Die Zeugin ebenfalls.

Vor der Polizei München haben die beiden, heute 18 und 22, bereits ausgesagt und damit den Prozess in Gang gesetzt. Die Aussagen dort wären in weiten Teilen deckungsgleich, so Grundke. Sie erzählten demnach, dass die gewalttätigen Übergriffe 2015 in Freudenstadt begonnen hätten. Damals ging die Mutter erstmals auf den Sohn los. Mit einem Kochlöffel aus Holz. Sie habe auf ihn eingeschlagen, weil ein Küchengerät kaputtgegangen war. Dann, 2017 in Waldmössingen: Der Vater findet heraus, dass der Stiefsohn ein Handy besitzt und eine sogenannte Powerbank. Verbotenerweise. Daraufhin schlägt er ihn angeblich mit der Powerbank und wirft das Handy nach ihm. Die Mutter soll sich eingemischt haben – indem sie ebenfalls auf den Sohn einschlug. 2019 ging es laut den Aussagen der Kinder weiter, die Familie wohnt inzwischen in Rheinland-Pfalz. Nun geht es ums Rauchen und die Anklage liest sich so ganz anders, als die Mutter es schildert. Weil der Sohn nämlich verbotenerweise geraucht habe, hätten sich die Eltern ihn vorgenommen. Er habe an den Wohnzimmertisch sitzen und eine ganze Schachtel der Marke L&M am Stück rauchen müssen. Zwischenzeitlich habe er sich im Bad übergeben, dann hätten seine Eltern ihn gezwungen, die Zigaretten zu Ende rauchen. Der Gesetzgeber nennt dies Nötigung.

Mit der Eisenstange geschlagen?

Weil er daraufhin das Rauchen nicht aufgegeben habe, weil seine Mutter ihn beim heimlichen Rauchen im Badezimmer erwischt habe, habe sie ihn erneut angegriffen. Er sei von ihr mit einer Eisenstange blutig geprügelt worden, schilderte der Sohn gegenüber der Polizei den Angriff.

Mittlerweile hat auch die Tochter ein Smartphone. Es entsteht – alles nach den Aussagen der Kinder, wie sie die Anklage wiedergibt – ein Streit in der Küche. Die Mutter schlägt die Tochter angeblich zunächst mit der Faust. Und der Stiefvater soll ihren Kopf dann gegen die Wand geschlagen haben, bis Blut fließt. Er greift angeblich zudem den Sohn an, der helfend eingreifen will. Später schlägt er den mutmaßlichen Opfern zufolge die Stieftochter ebenfalls mit der Faust. Beide Kinder werden verletzt.

So jedenfalls die Schilderungen der Kinder seinerzeit bei ihren Aussagen gegenüber der ermittelnden Polizeibeamtin. Nun, am 23. Februar, sollen sie sie vor Gericht wiederholen, unter den Ohren und vor den Augen ihrer Eltern. Das Jugendschöffengericht muss dann entscheiden, ob es den Aussagen der Kinder glaubt oder den Eltern. Diese stehen wegen gefährlicher Körperverletzung, Misshandlung Schutzbefohlener und Nötigung vor Gericht. Schwerwiegende Vorwürfe. Zu einer Verurteilung werden die Indizien unumstößlich sein müssen.

Vor dem Jugendschöffengericht sind drei Verhandlungstage angesetzt.

*Name von der Redaktion geändert

Hilfe für von Häuslicher Gewalt Betroffene

Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes hat eine Internetpräsenz eingerichtet und gibt dort unter anderem Tipps zum Verhalten bei Häuslicher Gewalt und zu den Möglichkeiten des Opferschutzes. Auf den Seiten sind umfangreiche und detaillierte Informationen, Verhaltenstipps und Kontakte zu finden.

Auch die Opferschutz-Organisation Weisser Ring hält viele Ratschläge und Informationen bereit. Der Weisse Ring bietet eine telefonische Hilfe sowie direkte Kontake zu geschulten Menschen vor Ort. Außerdem ist eine anonyme Onlineberatung eingerichtet.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)
… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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ROTTWEIL. Vor dem Rottweiler Jugendschöffengericht hat am Donnerstag ein Prozess gegen Eltern einer insgesamt elfköpfigen Familie begonnen. Mutter und (Stief-)Vater wird vorgeworfen, zwei ihrer Kinder über Jahre hinweg immer wieder misshandelt zu haben. Teils sollen sie sie mit einer Eisenstange geschlagen haben, teils mit Fäusten. Da der Mann die Vorwürfe insgesamt entschieden zurückweist und die Frau viel sagt, aber nichts dazu, ob sie ihre Kinder verprügelt hat, ist das Verfahren ein Indizienprozess. Es wird auf die Aussagen der mittlerweile volljährigen Kinder ankommen.

Es geht um ein Mädchen und einen Jungen. Es geht um ihre Erlebnisse in der Zeit zwischen 2015 und 2020. Sie waren damals minderjährige Menschen in einer elfköpfigen Familie. Diese besteht aus leiblichen und Stiefkindern der in Deutschland geborenen Eltern. Eine Familie, die häufig den Wohnsitz wechselt, zwischenzeitlich auch in der Region Rottweil und dann in Schramberg-Waldmössingen lebte. Immer in einfachen Verhältnissen, man muss mit wenig Geld auskommen. Das Mädchen und der Junge sollen immer wieder schwer misshandelt worden sein. Mit Fäusten und mit einer Eisenstange geschlagen. Die Eltern – sie ist die leibliche Mutter, er der Stiefvater – weisen die Vorwürfe zurück. Während er schweigt und seinen Anwalt sprechen lässt, schildert sie vermeintlich vergnügt und lachend, nur gelegentlich von Raucherhustenanfällen unterbrochen, die Geschichte eines nicht einfachen, insgesamt aber fröhlichen und harmonischen Familienlebens. Verletzungen? Diese könnten allenfalls beim Spielen oder Toben aufgetreten sein.

Er sagt selbst nichts, sie redet viel – aber nicht über die Vorwürfe

9 Uhr vor dem Amtsgericht Rottweil. Die Angeklagten warten auf den Prozessbeginn, schauen beide ins Nichts. Er, 1974 bei Karlsruhe geboren, hat sein Kinn auf seine Krücke gestützt. Den Blick gesenkt, scheinbar schuldig. Sie, 1981 nahe Ravensburg geboren, zieht die Winterjacke nicht aus, obwohl es warm ist im Saal. Leidender Blick. Beide wissen, was auf sie zukommt. Beide haben je einen Anwalt beziehungsweise eine Anwältin zur Seite. Der Staat zeigt ebenfalls Stärke: Amtsgerichtsdirektorin Petra Wagner und Erster Staatsanwalt Frank Grundke sind bereit.

Zu den Vorwürfen sagen Herr und Frau Richard* nichts. Er lässt eine Erklärung verlesen, „die abschließend ist“, wie sein Anwalt sagte, die aber „ausgesprochen übersichtlich“ sei. „Ich weise die Vorwürfe entschieden zurück“, heißt es in der Erklärung eingangs. Er habe immer versucht, seine Kinder gut zu behandeln, obwohl die Familie finanziell nicht gut gestellt sei, so der Vater. Bei neun Kindern könne man nun einmal nicht allen gerecht werden. Außerdem sei er seit Jahren krank, habe Diabetes und eine inzwischen chronische Entzündung, sei in Pflegegrad vier eingestuft. Er bezichtigt seine Ex-Frau, seine Kinder gegen sich und seine jetzige Frau aufzubringen. Die Vorwürfe, wir kommen noch dazu, kann er sich laut seines Anwalts nicht erklären.

Sie sagt aus. Die Frau erzählt aus dem Alltag und dem Leben der Familie, hakt dabei Punkte auf einem Blatt Papier ab, auf dem offenbar steht, was sie alles vortragen möchte. Fast alles Anekdoten, die nichts zur Sache tun, die aber das bunte Familienleben schildern sollen. Es gehe immer mal wieder „sehr wild her“, es gebe kleine Raufereien unter den Kindern. Es gehe dabei Nichtigkeiten, um T-Shirts, um Radiergummis, etwa. Sie hätten aber auch viele schöne Momente gemeinsam erlebt, wären viel draußen gewesen, beim Angeln, in der Natur. Sie hätten gemeinsam Kuchen gebacken. „Es ist sehr umfangreich bei so vielen Kindern, man kann nicht immer alle gleichstellen“, sagt sie. „Es ist auch schwierig, den Haushalt zu erledigen, aber mein Mann und ich haben versucht, unser Bestes zu geben“, so die Frau, die während ihrer Rede zunehmend an Zuversicht gewinnt. Sie erzählt von Familienfeiern an Weihnachten und Silvester. Von einem eigens für eine Weihnachtsparty hergerichteten Kuhstall. Den hätten sie gemeinsam gestrichen und dabei viel Spaß gehabt. Es wird eine minutenlange Erklärung, die ein wildes, aber grundsätzlich fröhliches und spaßiges Familienleben schildert. Die Wahrheit?

Eine Version platziert

Die Mutter streift die Vorwürfe nur, platziert ihre Version. Als sie etwa erfahren habe, dass ihr Sohn raucht, habe sie sich mit ihm zusammengesetzt. Sie habe ihm erklärt, dass sie als Raucherin es nicht gut finde, dass er auch rauche. Er solle eben nicht so viel rauchen. Deshalb wolle sie ihm die Zigaretten besorgen. Sie hätten sich auch welche selbst gestopft, weil das günstiger sei, auf seinen Vorschlag hin. Streit? Gab es offenbar nie. Sie habe ihn allenfalls immer mal wieder ermahnt, nicht so viel zu rauchen. Dieser Satz mündet bei ihr in einen leichten Hustenanfall. Weiter erzählt sie von lustigen Begebenheiten aus dem Familienleben. Etwa, als es einmal Dosenwurst statt Süßem oder Saurem von einem Nachbarn an Halloween gab. Oder dass sie mal auf einem Abenteuerspielplatz gewesen seien.

Auch von ihr: Keine Erklärung zu den Vorwürfen, zu den Verletzungen meint sie, dass die Kinder sich das bei Sport und Spiel zugezogen hätten.

Die Kinder dagegen beabsichtigen auszusagen. Müssen sie auch, weil die Eltern zur Sache ja schweigen. Und es gibt eine Polizeibeamtin, die aussagen soll. Ihr gegenüber haben die Kinder seinerzeit Anzeige erstattet. Sie wohnten damals inzwischen bei ihrem leiblichen Vater in München, waren dorthin laut Anklage geflüchtet, gingen dann bald zur Polizei.

Zum Rauchen einer ganzen Schachtel gezwungen?

Was die Staatsanwaltschaft den Eltern vorwirft, hat sie aus den Aussagen der Kinder gegenüber der Polizei. Ihre Schilderungen seien konkret und in sich stimmig, also logisch konsistent, so Staatsanwalt Grundke auf Nachfrage der NRWZ. Darauf baue der Indizienprozess auf. Und es gebe eine Zeugin, die eine Auseinandersetzung miterlebt haben will, die einmal Verletzungen an einem Kind gesehen habe. Gehört werden sollen die Kinder, die inzwischen beide volljährig sind, am 23. Februar. Die Zeugin ebenfalls.

Vor der Polizei München haben die beiden, heute 18 und 22, bereits ausgesagt und damit den Prozess in Gang gesetzt. Die Aussagen dort wären in weiten Teilen deckungsgleich, so Grundke. Sie erzählten demnach, dass die gewalttätigen Übergriffe 2015 in Freudenstadt begonnen hätten. Damals ging die Mutter erstmals auf den Sohn los. Mit einem Kochlöffel aus Holz. Sie habe auf ihn eingeschlagen, weil ein Küchengerät kaputtgegangen war. Dann, 2017 in Waldmössingen: Der Vater findet heraus, dass der Stiefsohn ein Handy besitzt und eine sogenannte Powerbank. Verbotenerweise. Daraufhin schlägt er ihn angeblich mit der Powerbank und wirft das Handy nach ihm. Die Mutter soll sich eingemischt haben – indem sie ebenfalls auf den Sohn einschlug. 2019 ging es laut den Aussagen der Kinder weiter, die Familie wohnt inzwischen in Rheinland-Pfalz. Nun geht es ums Rauchen und die Anklage liest sich so ganz anders, als die Mutter es schildert. Weil der Sohn nämlich verbotenerweise geraucht habe, hätten sich die Eltern ihn vorgenommen. Er habe an den Wohnzimmertisch sitzen und eine ganze Schachtel der Marke L&M am Stück rauchen müssen. Zwischenzeitlich habe er sich im Bad übergeben, dann hätten seine Eltern ihn gezwungen, die Zigaretten zu Ende rauchen. Der Gesetzgeber nennt dies Nötigung.

Mit der Eisenstange geschlagen?

Weil er daraufhin das Rauchen nicht aufgegeben habe, weil seine Mutter ihn beim heimlichen Rauchen im Badezimmer erwischt habe, habe sie ihn erneut angegriffen. Er sei von ihr mit einer Eisenstange blutig geprügelt worden, schilderte der Sohn gegenüber der Polizei den Angriff.

Mittlerweile hat auch die Tochter ein Smartphone. Es entsteht – alles nach den Aussagen der Kinder, wie sie die Anklage wiedergibt – ein Streit in der Küche. Die Mutter schlägt die Tochter angeblich zunächst mit der Faust. Und der Stiefvater soll ihren Kopf dann gegen die Wand geschlagen haben, bis Blut fließt. Er greift angeblich zudem den Sohn an, der helfend eingreifen will. Später schlägt er den mutmaßlichen Opfern zufolge die Stieftochter ebenfalls mit der Faust. Beide Kinder werden verletzt.

So jedenfalls die Schilderungen der Kinder seinerzeit bei ihren Aussagen gegenüber der ermittelnden Polizeibeamtin. Nun, am 23. Februar, sollen sie sie vor Gericht wiederholen, unter den Ohren und vor den Augen ihrer Eltern. Das Jugendschöffengericht muss dann entscheiden, ob es den Aussagen der Kinder glaubt oder den Eltern. Diese stehen wegen gefährlicher Körperverletzung, Misshandlung Schutzbefohlener und Nötigung vor Gericht. Schwerwiegende Vorwürfe. Zu einer Verurteilung werden die Indizien unumstößlich sein müssen.

Vor dem Jugendschöffengericht sind drei Verhandlungstage angesetzt.

*Name von der Redaktion geändert

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Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes hat eine Internetpräsenz eingerichtet und gibt dort unter anderem Tipps zum Verhalten bei Häuslicher Gewalt und zu den Möglichkeiten des Opferschutzes. Auf den Seiten sind umfangreiche und detaillierte Informationen, Verhaltenstipps und Kontakte zu finden.

Auch die Opferschutz-Organisation Weisser Ring hält viele Ratschläge und Informationen bereit. Der Weisse Ring bietet eine telefonische Hilfe sowie direkte Kontake zu geschulten Menschen vor Ort. Außerdem ist eine anonyme Onlineberatung eingerichtet.

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