Samstag, 20. April 2024

Katholiken feiern die Nähe Gottes zu den Menschen und untereinander

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ROTTWEIL – Nachdem 2020 nicht einmal eine Prozession in der Kirche erlaubt war, fand in diesem Jahr die Prozession im Rahmen einer Monatsprozession im Münster statt. Es durften erstmals sogar wieder acht Sängerinnen und Sänger vom Münsterchor singen.

Die Hygienevorschriften zur Durchführung einer Prozession durch die Straßen der Stadt sind so umfangreich und daher schwer umzusetzen, dass der Kirchengemeinderat einstimmig beschlossen hat, auf eine große Prozession zu verzichten. Daher musste auch die gemeinsame Eucharistiefeier mit der Auferstehung-Christi Gemeinde im Stadtgraben ausfallen. Bei einem Gottesdienst auf dem Münsterplatz dürften sich mit dem nötigen Abstand weniger Menschen versammeln als in der Kirche.

An Fronleichnam, dem „Fest des Leibes und Blutes Christi“ erinnern die Katholiken an das letzte Abendmahl, in dem Christus nach der Überlieferung Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut verwandelt hat. Bei der Prozession durchs Münster trug Pfarrer Jürgen Rieger die zuvor bei der Eucharistiefeier gewandelte Hostie als Zeichen der Gegenwart Christi in einem kostbaren Schaugefäß, der spätbarocken Sonnenmonstranz des Münsters, durch die Kirche. Er wurde begleitet von den Ministranten und den 30 Vertretern der Handwerkerzünfte mit ihren barocken Laternen.

In seiner Predigt zitierte Rieger ein Wort des Kirchenvaters Johannes Chrysostomos: „Wenn ihr den Leib Christi verehren wollt, verachtet ihn nicht, wenn er nackt ist. Verehrt nicht den eucharistischen Christus mit seidenen Paramenten, während ihr außerhalb des Gotteshauses jenen anderen Christus vernachlässigt, der von Kälte und Nacktheit geplagt ist. Was ihr dem geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan, sagt Jesus.“ Man könne nicht den Herrn im Brot verehren und gleichzeitig denselben Herrn in den Mitmenschen verachten.

Dieser andere Christus außerhalb des Gotteshauses könne etwa ein alter Mensch sein, der nicht mehr aufstehen kann, der auf Besuch wartet. Das seien die vielen, die noch immer unter den Folgen der Coronapandemie leiden. Das seien die vielen, die auch heute auf der Flucht sind – Frauen, Männer und Kinder, voller Träume und voller Angst, die verzweifelt nach Zukunft suchten, die sich Schleppern anvertrauen müssten und dabei dem Tod in die Augen schauten. Dieser andere Christus könne ganz verschiedene Gesichter und Namen haben!

Das Fronleichnamsfest lade zu beidem ein, wenn es nicht am Wesentlichen fehlen solle. Wir dürften dankbar einen Gott feiern, der immer wieder zu den Menschen gegangen ist und der sogar selber Mensch geworden sei. Aber wir sollten auch seinem Vorbild folgen und danach handeln, nämlich dem „anderen Christus“ in den geringsten Schwestern und Brüdern auf der Spur zu sein um dadurch zu einer „lebendigen“ Monstranz zu werden, ein Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt.

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